Dass Gamer ein durchaus ernst zu nehmendes Wählerpotential darstellen, das hat nun sogar die Union erkannt. Nur dumm, dass man bisher auf den Gamern rumgetrampelt ist wie auf einem ausgelatschten Bettvorleger, wie kriegt man jetzt deren Stimmen? Eine Idee war, man schickt einfach mal die Junge Union auf die Gamescom. Und die Politstrategen der Jungzensursulas sind natürlich nicht auf den Kopf gefallen. Mit präziser Wortwahl versuchen sie den Spagat zwischen dem Programm der Mutterpartei und den Interessen der Gamer. Wie gut die Augenwischerei klappt, zeigen schon die Kommentare auf Youtube, die meinen, die JU hat doch nur von den PIRATEN abgeschrieben. Dass sie dies eben nicht getan haben, sondern genau das vertreten, was die Mutterpartei sagt, will ich hier mal durch etwas Wortklauberei auseinander frimeln.
Gehen wir also die Zitate der Reihe nach durch:
Wir fordern: Video- und Onlinespiele dürfen nicht Gegenstand von Verbotsorgien werden.
Was sind Verbotsorgien? Als Orgien bezeichnet man üblicherweise Handlungen, die so umfassend und ausschweifend sind, dass sie die Vorstellung der meisten Menschen übersteigen. Eine Verbotsorgie beschreibt also ein extrem umfangreiches Verbot vieler Spiele. Gegen sporadische oder beschränkte Verbote, sagen wir mal von Gewaltspielen, hat sich die JU also gar nicht ausgesprochen.
Wir fordern: Kriminelle Inhalte im Internet wirksam durch Löschen bekämpfen.
Das werden die meisten schon durchschaut haben. Schon Martin Dörmann (SPD) brüstete sich damit, mit „Löschen vor Sperren“ der Kritik genüge getan zu haben, obwohl die Forderung „Löschen statt Sperren“ war. Dass alle am liebsten löschen würden, ist jedem bekannt. In keinem Wort erwähnt die JU aber eine Ablehnung von Zensursulas Netzsperren. Ich gehe also fest davon aus, dass die JU Zensur als „flankierende Maßnahme“ weiterhin gutheißt.
Wir fordern: Das Internet darf keinen Freiraum für Ideenklau bieten.
Da tat man sich natürlich schwer. Den „rechtsfreien Raum“ hat man sich wohlüberlegt gespart, dafür kam der „Freiraum für Ideenklau“. Es bleibt aber dabei, dass das Internet immer noch kein Raum ist. Was die JU eigentlich sagen will ist: „Wir müssen die wirtschaftlichen Interessen der Content-Industrie auch im Zeitalter des Internets schützen!“. Kommt natürlich auf der Gamescom nicht so gut an, also spricht man von Ideenklau. Das man Ideen natürlich nicht „klauen“ kann, dürfte auch jedem der hier mitliest klar sein. Hier hat es die JU nicht ganz so gut geschafft.
Wir fordern: Zurückhaltung bei Datenerhebung, Respekt vor dem informationellen Selbstbestimmungsrecht.
Die Forderung klingt, obwohl sie sehr moderat formuliert wurde, tatsächlich gar nicht so schlecht. Hier würde mich wirklich interessieren, was die JU damit meint. Immerhin hat sich Stasi-Schäuble auch schon als großer Datenschützer gerühmt, weil er der Telekom auf die Finger geklopft hat. Vermisst die JU hier vielleicht auch nur eine Durchsetzung der informationellen Selbstbestimmung vor der Privatwirtschaft oder tatsächlich auch vor dem CDU/CSU-Schnüeffelstaat?
Jetzt ist die Frage, was die JU wirklich gewollt hat. Hat sie nur versucht halbpopulistischen Stimmenfang zu betreiben? Dann kann sie das als gescheitert ansehen. Aber es könnte ja auch sein, dass ich ihr zu unrecht etwas unterstelle. Hatte sie vielleicht wirklich vor von uns abzuschreiben, um echte Politik für junge, netzaffine Menschen zu machen? Nun, dann gebe ich euch hier die Vorlage für eine Version 2.0 eures Videos liebe JU:
- Wir fordern: Kein irgendwie geartetes Verbot von Computer- und Videospielen, auch gewalthaltigen.
- Wir fordern: Kein Filtern von Informationskanälen! Keine Zensur! Löschen statt Sperren!
- Wir fordern: Fairer Ausgleich zwischen Urhebern, Verwerten und Konsumenten, ohne Eingriff in den privaten Datenverkehr der Bürger!
- Wir fordern: Konsequente Datensparsamkeit und Durchsetzung der informationellen Selbstbestimmung, vor der Privatwirtschaft und dem Staat!
Wenn ihr eure Stasi-2.0-Mutterpartei dazu bringen könnt, das alles einzuhalten und durchzusetzen, dann habt ihr meinen Respekt verdient und ab dann werdet ihr mit diesen Forderungen auch ernst genommen, vorher nicht. Und wenn ihr es nicht schafft, dann ist bei den Piraten auch für JU-Aussteiger unter den Freunden der Freiheit immer ein Platz frei.
7 Kommentare
2009-08-26 um 10:13 am
andreas.popp@piratenpartei-bayern.de (andipopp) 's status on Wednesday, 26-Aug-09 10:13:42 UTC - Identi.ca
[…] Haare spalten mit der JU « Andis Blog […]
2009-08-26 um 10:14 am
Piratenpartei-News (piratennews) 's status on Wednesday, 26-Aug-09 10:14:11 UTC - Identi.ca
[…] Haare spalten mit der JU « Andis Blog […]
2009-08-26 um 12:06 pm
Paule
Hallo Andi,
ich muß ehrlich zugeben, ich finde deinen Artikel etwas unfair.
Sicherlich gibst du schon zu Anfang zu, das er etwas überspitzt und das natürlich auch absichtlich so der Fall ist.
Ich bin jetzt mittlerweile seit vielen Jahren JU Mitglied und symphatisiere hier in Augsburg mit dem neu gegründeten BV Schwaben und treffe mich auch immer wieder gerne mit ihnen auf ihren Stammtischen.
Mit deinem Artikel stopfst du die ganze JU in einen Sack und haust mit einem Knüppel drauf rum. Ich möchte nicht sagen, dass du dabei nicht vielleicht auch doch einen Richtigen triffst. Aber du triffst mit Sicherheit eine Menge Falsche!
Ich kann deine Argumente ja schon verstehen. Die meisten davon kommen ja auch von einer Verdrossenheit, die unter anderem durch unsere Mutterpartei veranlasst wurde. Ich will mich von dieser Verdrossenheit nicht ausschließen. Nichts destotrotz sollte man die Vorstöße der JU gegen die eigene Mutterpartei nicht als grundauf schlecht und falsch bzw. hinterhältig da nicht ernst gemeint bezeichnen. Ich habe mittlerweile schon oft genug mitbekommen, wie gute Ideen (egal mit welchem Thema) von der CSU niedergebügelt werden oder auch einfach nicht gehört werden. Die JU hat auch so ihre Schwierigkeiten mit der CSU.
Und genau diese Schwierigkeiten kommen eben bei solchen Themen wie z.B. dem Verbot von „Killerspielen“ (ich hasse dieses Wort!!!) oder diesem Zensurgesetz voll zur Geltung.
Ich will dir dafür mal ein paar Beispiele geben:
Die JU Deutschland hat am 07. Juli 2009 folgendes Dossier veröffentlicht:
Gegen eine Verbotsgesellschaft – multimediale Freiheit erhalten!
http://www.junge-union.de/content/politik/themen/971
Ich kann mir schon denken, was sich da manche beim durchlesen denken. Aber man darf nicht vergessen, das die JU als Arbeitsgruppe der CSU nicht vollkommen entgegengesetzt der Mutter agieren darf. Das wäre, wie wenn die SeniorenPiraten (ich hab absichtlich was genommen was es meines Wissens nicht gibt!) jetzt plötzlich für die Stop-Schilder wären.
Sätze in diesem Dossier wie z.B.:
„[…] Klar ist aber auch, dass in einer Demokratie das Internet kein rechtsfreier Raum sein kann. Was im realen Leben gesetzeswidrig ist, kann im Netz nicht legal sein. […] Befürchtungen, die Bundesregierung plane, einen Zensur- und Überwachungsstaat zu errichten, sind hysterisch und gehen an der Wirklichkeit vorbei. […] Daher muss alles dafür getan werden, dass der Zugang zu kinderpornografischen Inhalten im Internet rechtsstaatlich abgesichert erschwert wird. Die Junge Union hat genug Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat, auf die parlamentarische Kontrolle und nicht zuletzt auf die Öffentlichkeit, dass eine darüber hinaus gehende Sperrung anderer Inhalt nicht erfolgt. […]“
kann ich dabei natürlich auch nicht komplett unterschreiben. Aber dieses Dossier stellt meines Erachtens zumindest schonmal einen Standtpunkt dar.
Ein weiteres Beispiel:
Wir, die von dir so schön als Jungzensursulas Bezeichneten, werden auf der Landesversammlung der JU Bayern 2 unabhängige voneinander erstellte Anträge stellen, welche zum Inhalt haben, die Stop-Schilder bzw. die dahinter stehende Zensur-Maschinerie wieder abzuschaffen. Hinter diesen beiden Anträgen stehen mittlerweile zwei Kreisverbände. Und wenn alles gut geht ab Samstag dann sogar ein Bezirksverband.
Von meinem Kreisverband kann ich sagen, das mein Antrag ohne Gegenstimmen (allerdings mit 5 Enthaltungen) angenommen wurde. Klingt doch eigentlich gar nicht schlecht, oder? Und wenn es jetzt schon zwei Anträge aus dem Bezirk Schwaben sind, bin ich doch guter Hoffnung, das aus anderen Bezirken oder dann Landesverbänden noch mehr Anträge kommen. Ich würde mich zumindest darüber freuen!
Du siehst, man müsste vor dem knüppeln vielleicht doch ein paar JUler wieder aus dem Sack raus lassen. Manche vielleicht – und da kenn ich schon ein paar – um sie in den Piratensack zu stecken, auf dem gerade viel zu viel Andere rumknüppeln. Aber die paar die ich kenn, fühlen sich ziemlich wohl in dem Sack!
Naja… genug geschrieben.
Jetzt darfst meinen Kommentar zerpflücken… vielleicht hab ich ja auch viel Schmarrn geschrieben. Ich hoffe mal nicht!
Mit piratigen JU-Grüßen,
Paule
2009-08-26 um 1:28 pm
Andi
Wie du schon gesagt hast Paule, ist das alles bewusst überspitzt formuliert, aber ich bitte dich, fühle dich nicht persönlich angegriffen. Meine Beschwerden gehen immer in Richtung der Organisation, nicht der Mitglieder (ausgenommen ich spreche einen bestimmten bewusst an).
Ich hab auch schon Grüne und FDP kritisiert, obwohl ich einige von deren Mitgliedern sehr schätze.
Ganz ehrlich, wenn die JU es schafft diesen trägen Koloss Union in die richtige Richtung zu schieben, dann verneige ich mich vor euch. Aber jetzt mal eine Gretchenfrage: Welche Partei empfiehlst du zur Wahl? 🙂 Solange die Union sich nämlich nicht bewegt, müsstest du konsequent sein und uns empfehlen. Deswegen fand ich die Wahlkampfaktion auf der Gamescom eben nicht so prickelnd. Das war einfach Augenwischerei und da muss sich die JU eben auch Häme gefallen lassen 😉
Gruß
Andi
2009-08-26 um 2:55 pm
Paule
Tja was soll ich sagen… Ich empfehle diesmal einfach gar nichts…
Ich will ja nicht durch „intrigantes Verhalten“ schlecht auffallen 😉
Aber widersprechen möchte ich jetzt auch nicht unbedingt…
Gewundert hat mich der Stand auch ein bisschen… aber es ist eben doch Wahlkampf. Das hat bestimmt auch damit zu tun.
2009-08-26 um 8:52 pm
pego's status on Wednesday, 26-Aug-09 20:52:33 UTC - Identi.ca
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2009-08-26 um 9:11 pm
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