Bisher bin ich ja ein großer Fan von Markus Beckedahl und seinen Artikeln auf netzpolitik.org, insbesondere vor der Tatsache, dass man zwar ab und an merkt, dass er ein Grüner ist (als „typische Karteileiche“), wenn man es denn weiß, aber er bisher eigentlich dort sehr überparteilich gearbeitet hat. Aber der Verriss von Jens‘ Interview zum Thema Kulturflatrate, der auch auf dem grünennahen Womblog erschienen ist, ist echt mies. Anstatt sich wirklich sachlich mit der Kritik an der Kulturflatrate, welche die Grünen so toll finden, auseinander zu setzen, kommt nur ein „Der Seipenbusch hat doch eh keine Ahnung“. Dabei werden Jens‘ Aussagen (bewusst?) verdreht und missverstanden.
Bei einer Kulturflatrate handelt es sich um ein Konzept, was Pauschalabgaben auf Internetzugänge erhebt, nach dem Vorbild von Urheberrechtsabgaben auf Rohlingen oder Radio-Airplay. Das bewährte System hat dabei nichts mit einer “staatlichen Finanzmaßnahme” zu tun.
Was Markus hier unterschlägt, ist die Tatsache, dass diese Pauschalabgabe nicht daher kommt, dass wir es alle so toll finden zusätzliches Geld für unseren Internetanschluss zu blechen, sondern dass es ein Gesetz geben wird. Ein Gesetz, das den einen Geld wegnimmt um es den andern zu geben, ist sehr wohl eine staatliche Finanzmaßnahme. Es ist im Prinzip nichts anderes als die Rundfunkgebühr. Die ist genauso eine staatliche Finanzmaßnahme. Das System der Pauschalabgaben auf Rohlinge und Co ist auch keinesfalls bewehrt, sondern übelster Schindluder (Radio-Airplay ist eine ganz andere Geschichte). Nimmt man das als Vorbild, dann hat man übrigens auch keine Kulturflatrate mehr. Denn dann darf man nur zahlen und nichts downloaden.
Niemand hätte während der Industrialisierung Unternehmen subventioniert, die zu den Verlierern dieser Zeit gehörten. Die notwendige Anpassung ist aus unserer Sich die Folge der gesellschaftlichen Entwicklung, die man nicht kompensieren sollte.
Es gibt einen großen Grund, warum die Verwerter, also die Industrie-Unternehmen gegen die Kulturflatrate sind: Die Erlöse sollen den Urhebern, also den Künstlern zukommen. Und hier stellt sich die generelle Frage: Wollen wir Kultur komplett dem freien Markt überlassen oder will eine Gesellschaft Kultur fördern?
Wo bitte ist hier der Zusammenhang? Jens‘ Aussage hat nicht das Geringste mit dem Verhältnis der Künstler und deren Verwerter zu tun. Es geht auch nicht darum wer das Geld kriegt. Er sagt nur, dass damals keiner auf die Idee gekommen wäre, denen die ihre Produkte nicht mehr verkaufen können per Gesetz einen Profit zu sichern. Sonst nix.
Wir haben übrigens auch nichts dagegen die Kultur zu fördern, ganz im Gegenteil, es ist Teil unseres Programms. Wir halten nur Kulturflatrate und Pauschalabgaben für das falsche Mittel. Fördern heißt übrigens natürlich nicht komplett die Eigenverantwortung ersetzen, aber ich denke hier dürften wir auch mit Markus einer Meinung sein.
Wieso muss man zwischen einer Kulturflatrate und dem Modell der Verwertungsgesellschaft unterscheiden? Das Modell der Kulturflatrate ist die Übertragung des analogen Modells auf das Netz. Im übrigen ist das Pauschalabgabensystem die Basis für unsere Privatkopie.
Natürlich muss man die zwei Konzepte Kulturflatrate und Verwertungsgesellschaft, auch wenn es Zusammenhänge gibt, unterscheiden. Und wie gesagt: Das System der Pauschalabgaben auf Leermedien ist genauso schlecht wie die Kulturflatrate, da eben auch die bezahlen müssen, die die durch die Abgaben vergütete Leistung gar nicht haben wollen. Und außerdem ist es eben genau nicht der Fall, dass die Pauschalabgaben die Basis für die Privatkopie sind, das erklärt einem jeder Anwalt. Wir dürfen zwar blechen, aber dennoch nicht kopieren.
Und hier kommen wir zur Archillesferse der Argumentation der Piratenpartei. Auf einigen Panels, wo ich Vertreter der Piratenpartei bisher zum Urheberrecht gesehen habe, kam es immer spätestens an einem Punkt zu Argumentationsproblemen. Piraten forderten Wahlfreiheit der Künstler bei der Verwendung von Creative Commons. Urheberrechtsvertreter und Künstler forderten Wahlfreiheit in der Entscheidung, wie sie ihre Werke lizenzieren. In der Argumentation geht der Punkt dann nie an die Piratenpartei. Vor allem, wenn sie das Recht auf Privatkopie fordert und eine Ausweitung dazu.
Ok, mit dem Problem der Wahlfreiheit von Creative Commons, gerade gegen die GEMA, sind wir uns einig. Was das andere betrifft:
Ich gebe zu, auch hier sehe ich eine Schwäche bei den Leuten, die wir hier auf die Panels schicken. Aber die Argumentation ist ganz klar: Wegen uns darf jeder Künstler seine Werke vermarkten wie er will, aber er darf nicht erwarten, dass der Staat ihm per Gesetz Schützenhilfe gibt. Oder anders gesagt: Lizenziert rum wie ihr wollt, aber erwartet nicht, dass ihr den privaten Datenverkehr der Leute ausschnüffeln (lassen) und diese vor den Kadi zerren dürft, nur um euer Lieblingslizenzmodell durchzusetzen.
Ich glaube, diesen Punkt kann man argumentativ durch die Forderung nach einer Kulturflatrate gewinnen. Indem man klar raus stellt, dass Künstler selbstverständlich das Recht haben, selbst zu bestimmen. Aber dass sie auch selbstverständlich die Sozialbindung des Eigentums respektieren müssen, worauf sich das Recht auf Privatkopie begründet. Und durch eine Kulturflatrate könnte man dies klarstellen. Denn für diese digitale Privatkopie gibt es dann Kompensation. Und das ist kein Kommunismus.
Es ist zumindest links orientiert, die Sozialbindung des Eigentums stammt ja vom „sozialen“ der der „Sozialen Marktwirtschaft“. Ist ja soweit ok. Hier ist aber ein deutlicher Unterschied in unserer Anschauung. Markus argumentiert mit der Sozialbindung des geistigen Eigentums, wir PIRATEN dagegen sind der Auffassung, dass es so etwas wie geistiges Eigentum nicht gibt, zumindest nicht im Sinne eines tatsächlichen Eigentums. Tatsächlich kennt das deutsche Recht so etwas wie geistiges Eigentum auch gar nicht, sonst wäre das Auslaufen des Urheberrechtsschutzes ja eine ungerechtfertigte Enteignung.
Abschließend ist also klar: Pauschalabgeben und Kulturflatrate sind abzulehnen. Ich finde es sehr schade, dass Markus nicht gewillt ist die Meinung der PIRATEN zu verstehen, er muss sie ja nicht teilen.
Zusammengefasst heißt das also:
- Nein, es gibt kein geistiges Eigentum (Kommt noch in Teil 2 meiner Piratenphilosophie-Serie. Stay tuned)
- Ja, Künstler dürfen Geld mit ihren Werken verdienen
- Ja, wir sind dafür Kultur zu fördern (wenn möglich, durch positive Effekte der geforderten Änderungen)
- Nein, Pauschalabgaben und Kulturflatrate sind keine brauchbaren Förderungsmöglichkeiten
- Nein, wir haben bisher noch keine Alternative. Das macht die KFR nicht besser, denn sie nicht einzuführen ist immer noch besser, als sie zu etablieren. Wir arbeiten dran.
Ich arbeite übrigens selbst gerade mit einem Kollegen aus München an einer Idee, die uns sehr viel versprechend erscheint, aber noch nicht ganz ausgereift ist. Könnte aber was werden. Ich werde es hier posten, wenn es sauber ausgearbeitet ist.
(Disclaimer: Seit unserem Wachstumsschub, haben auch innerhalb der Partei einige das Thema KFR wieder aufgewärmt. Ich spreche also nur für die von mir gefühlte „alte Mehrheit“.)
17 Kommentare
2009-10-09 um 6:07 pm
andreas.popp@piratenpartei-bayern.de (andipopp) 's status on Friday, 09-Oct-09 18:06:47 UTC - Identi.ca
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2009-10-09 um 6:40 pm
Markus
Nur mal ganz vorweg, weil ich unterwegs bin. Du machst am Anfang einen kleinen Fehler. Ich vertrete nicht die kulturflatrate, weil die grünen sie vertreten. Sondern es ist genau anders herum: die grünen haben die Forderung mittlerweile aufgenommen, weil ich zu meiner aktiven Zeit in der grünen Jugend (meine aktive Zeit liegt 5 Jahre zurück) diese mögliche Lösung für die P2P Debatte in die grünen reingebracht habe.
Die Idee der kulturflatrate wurde zuvor im Rahmen der privatkopie.Net Kampagne entwickelt, in der ich zuvor aktiv war.
2009-10-09 um 7:25 pm
Andi
Gut, so oder so: es ist halt dein „Baby“, ich seh ja ein dass du es verteidigen willst. Aber sei mir nicht böse, die Art und Weise wie du Jens da angehst find ich nicht so prickelnd.
2009-10-09 um 6:42 pm
Der Dackel
Ich sehe die Gefahr der Kulturflatrate vor allem darin, dass sie eine weitere Institution wie die GEMA schafft, die wieder einige wenige Große auf dem Rücken zahlreicher Kleinkünstler finanziert (siehe z.B. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30586/1.html). Schon deswegen stieß mir in Markus‘ Artikel die Rede vom „bewährten“ Konzept der GEMA-Abgaben auf Tonträger auf.
2009-10-09 um 7:26 pm
Andi
Klar. Die Verteilungsfrage ist natürlich ein offensichtliches Problem. Aber es war jetzt grade nicht Teil dieser Debatter.
2009-10-09 um 7:44 pm
Piratenpartei-News (piratennews) 's status on Friday, 09-Oct-09 19:44:01 UTC - Identi.ca
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2009-10-09 um 9:20 pm
cassandra
Das Thema wird sich in 6-12 Monaten erledigen. Wenn die FDP den Köder schmackhaft genug macht, dann macht Seipenbusch rüber. Und die Piraten sind einen Schritt weiter. Neo-Libs im Vorstand wird die Basis (so wie sie jetzt aufgestellt ist) nicht lange mitmachen, Motivation zum Wechsel hätte er also genug.
2009-10-10 um 7:29 am
Johannes Schöck (digimoral) 's status on Saturday, 10-Oct-09 07:28:59 UTC - Identi.ca
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2009-10-10 um 2:23 pm
Fritz
Hm. Eine Pauschalabgabe auf Internetanschlüsse muss deswegen her, weil Telekomkonzerne an P2P verdienen, so wie Rohlings- und Brenner-Hersteller am Kopieren verdienen. Das Kopieren und Tauschen müsste eigentlich ausdrücklich legal sein. Ist es aber nicht so uneingeschränkt, weil die Content-Lobby Gesetze zum Schutz der Dampfmaschine, der Pferdekutsche und des rah-getaktelten Viermasters erwirkt hat (bildlich gesprochen). Dass Tausch/Kopie/P2P den Kauf (von Tonträgern u.ä,) ersetze, ist, wie wir wissen, Blödsinn. Die technische Entwicklung hat den Kulturdatenträger (weitgehend) obsolet gemacht, also müssen neue Geschäftsmodelle her (die Pauschalabgabe ist nur ein winziger Teil davon). Und ja, wir brauchen ausserdem ein Gesetz, das die Gema als Querfinanzierungsmodell für alte Medien ausser Dienst stellt. Ich hab das auch schon mal hier beschrieben:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31038/1.html
2009-10-10 um 8:02 pm
Wochenrückblick 04.10.2009 – 10.10.2009 « Sikks Weblog
[…] als ein Synonym für das Wegbrechen althergebrachter Geschäftsmodelle. 2009-10-09: Urheberrecht Netzpolitik.org und die Kulturflatrate « Andis Blog Andi Popp zerreisst Markus Beckedahls Verriss von Jens Seipenbuschs Interview zur Kulturflatrate. […]
2009-10-10 um 10:56 pm
Johannes
@Andreas Popp: Vertritt die Piratenpartei die Forderung nach einem Pauschalabgabensystem etwa so wie es hier beschrieben ist:
http://bit.ly/4vp8ba ?
Finde das schon sinnvoll, einziges Problem das man lösen müsste, wäre natürlich eine faire Verteilung auf Basis echter Nutzungsdaten (und das ohne individualisierte Logs zu erheben).
Oder siehst du / andere Denker der PP das anders?
Und wenn ja, warum?
2009-10-15 um 7:04 am
Anonymous
Also ich sehe es eben nicht als sinnvoll. Allein die Logik „Der andere verkauft etwas, weil ich auch etwas verkaufe und muss mir dafür was abdrücken“ ist irgendwo total pervers.
Dann müsste die Hersteller von Autoradios auch die Hersteller von Autos entlohnen oder die Hersteller von Brotaufstrich die Bäcker. (Oder auch andersrum, Brot verkauft sich nur weil andere etwas verkaufen, was man draufschmieren kann). Klar kann man Autoradios auch ins Wohnzimmer stellen und Brotaufstrich pur Essen oder daraus eine Soße machen, aber das passiert sicher seltener, als das nicht urheberrechtlich geschützte Daten auf CDs gebrannt oder aus dem Netz heruntergeladen werden.
Und direkt oder indirekt bleibt sich übrigens gleich. Wer meint es mache einen Unterschied, ob der Provider oder der Kunde zahlt, der dürfte auch kein Problem mit einer Mehrwertsteuererhöhung haben.
2009-10-15 um 7:24 am
Andi
Einloggen ist klar von Vorteil
2009-10-11 um 6:37 am
Jens
Ich finde die Auseinandersetzung super, weil sie mal Licht in das Wirrwarr der Begriffe bringt.
Ein „geistiges Eigentum“ kann ich im Deutschen Recht auch nicht erkennen, das ist nur eine amerikanische Wortschöpfung. Die Amerikaner waren immer schnell, wenn es darum ging, „Eigentum“ zu definieren. Diese Wortschöpfung dient eigentlich auch nur dem Ziel, überholte Geschäftsmodelle zu zementieren.
Danke nochmals für die Bestätigung meiner bisherigen Vermutung.
2009-10-11 um 4:57 pm
NoName
Könntest du die Schriftfarbe der Zitat bitte etwas dunkler machen. Es lässt sich nicht angenehm lesen.
Gruß
2009-10-12 um 10:46 am
Markus
Jetzt komme ich doch etwas ausführlicher dazu, Dir zu antworten. Zu allererst: Ich verdrehe keine Aussagen bewusst und wenn ich glaube auch nicht, dass ich etwas missverstanden habe. Aber ich bin da lernfähig. Bisher hab ich zu einem möglichen Missverständnis keine überzeugende Argumentation gefunden.
Zum Vorwurf, ich hätte hier Stellung mit „grüner“ Brille bezogen, hab ich oben schon einen Kommentar abgelassen. Das ist nicht so. Und ich habe auch ein Interesse daran,d ass die Piratenpartei eine stringente Argumentation in der Urheberrechtsfrage findet. Bisher zeichnet sich für ich allerdings nur ein Bild, dass diese noch nicht vorhanden ist und oftmals ein eher diffusses Bild vom Urheberrecht auftaucht. Das ist Ausbaufähig und für die Debatte um ein anderes Urheberrecht ist es notwendig, dass die Piratenpartei hier eine überzeugende Argumentation findet, was sie denn will.
Zu Deinem ersten Punkt: Hier braucht es kein „Gesetz“, was den einen Geld wegnimmt und den andren gibt“. Das Gesetz gibt es schon und es nennt sich Urheberrecht. Bisher weiß ich nicht genau, ob die Piratenpartei das Urheberercht abschaffenw ill oder nicht. Aus Deinen Worten klingt das etwas heraus. Für und gegen gibt es Argumente, aber die höre ich nicht.
Mir ist auch bewusst, dass es kein Geistiges Eigentum gibt. Der Kampfbegriff wird als Sammelsurium für geistige Monopolrechte verwendet, zu denen das Urheberrecht gehört. Wenn ich bei der Privatkopie-Schranke (Die ich ausgeweitet sehen möchte) von Artikel 14 spreche, so zitiere ich progressive Urheberrechtsgelehrte, die dies von der Eigentumsbindung ableiten.
Sätze wie „Nimmt man das als Vorbild, dann hat man übrigens auch keine Kulturflatrate mehr. Denn dann darf man nur zahlen und nichts downloaden.“ kann ich auch nicht nachvollziehen, denn die Privatkopie-Schranke ist im Moment nur auf offline kopieren ausgerichtet, aber genau das soll die Kulturflatrate auf downloaden und auch uploaden ausweiten.
Zum Punkt UNternehmen / Künstler hab ich einfach Jens zitiert. Eine Kulturflatrate würde Künstler stärken und nicht Unternehmen subventionieren. Nicht mehr und nicht weniger. Hast Du vielleicht falsch verstanden?
Dass bei der Leermittelabgabe alle zahlen müssen, liegt im System. Es ist nicht kontrollierbar, ob jemand eine Linux-CD brennt oder Musik darauf kopiert. Eine Kontrolle darüber dürfte auch nicht in Deinem Sinne sein, oder?
Ich präferiere auch kein Modell einer Kulturflatrate, was den „privaten Datenverkehr der Leute“ ausschnüffelt. Das habe ich oft genug geschrieben, inklusive in den Kommentaren der Debatte. Wenn Du mir das vorwirft, trifft genau das zu, was Du mir in Bezug auf Jens sein Interview vorwirfst: verdrehen und Missverständnis.
Was mich an dem Beitrag aufregte, so dass ich es thematisierte: Jens argumentierte fast 1:1 wie die FDP in der Debatte und auch die großen Verwerter sowie BItkom in der Debatte. Nur dass die das bewusstmachen, um ihre Stellung zu stärken und DRM-Infrastrukturen zu wollen. Mir ist nicht ganz klar, ob Jens / Euch das bewusst ist. Und wie ich schon geschrieben habe, habe ich ein Interesse daran, dass die Piratenpartei in einem ihrer Kompetenzfelder im Interesse einer zeitgemässen Netzpolitik eine stringente Argumentation entwickelt, wie man mit dem Urheberrecht umgeht. Bisher ist das meiste aus meiner Sicht etwas eine wirre Argumentation. Darauf habe ich hingewiesen, auch um Eure Debatte in diese Richtung etwas anzufachen.
Und ja, die GEMA ist unfair. Aber von den GEMA-Strukturen auf das Pauschalabgabensystem zu schließen ist auch etwas zu kurz gegriffen. Es gibt auch andere Verwertungsgesellschaften wie die VG-Wort, die Gelder aus dem System verteilen. Und die sind aus Sicht ihrer Mitglieder fair. Also ist das ein GEMA-Problem, was zu lösen ist und kein Problem einer Kulturflatrate.
Aus meiner privaten Sicht habe ich auch wenig Interesse an einer Kulturflatrate. Wenn ich das gesamte System überblicke, wie Urheberrecht funktioniert, sehe ich die Kulturflatrate aber bisher als überzeugendste Alternative zu DRM und weiteren Verschärfungen des Urheberrechts. Es ist auch noch nicht geklärt, wie genau das System funktionieren könnte. Aber ausgehend von meiner These einer ALternative habe ich eher ein Interesse daran, konkrete Punkte zu formulieren, wie ein solches System aus Bürgerrechtssicht funktionieren müsste (Datenschutzkonform, fairer Verteilungsschlüssel, etc. )als das System sofort mit diffusen Argumenten abzulehnen.
Wie schon mehrfach geschrieben: Ihr könnt die Kulturflatrate ruhig ablehnen. aber dann baut eine stringente Argumentation auf, die in der öffentlichen Debatte funktionieren kann und die auch Ernst genommen wird. Bisher klingen fast alle Äußerungen auf Panels immer danach, als ob Ihr nicht genau wisst, wie das Urheberrecht funktioniert. Und das ist schade. Ihr habt ja auch kein Interesse daran, nur auf Panels eingeladen zu werden, wo ihr als Kanonenfutter verwendet werdet, damit alle Gegner einer Urheberrechtsreform sich freuen können, dass es keine fundierte Kritik an ihrem System und ihrem Vorgehen gibt.
Hier sind übrigens mal ein paar ältere Papiere aus der DIskussion um den 2. Korb, wo wir die Kulturflatrate als Alternative eingebracht haben.
Content Flatrate ist machbar!
Studie zeigt: Legalisierung von Tauschbörsen ist europarechtlich zulässig
Klicke, um auf Feasibility-Study_Offener-Brief.pdf zuzugreifen
Eine Koaltition der deutschen Zivilgesellschaft legte der Bundesregierung eine Stellungnahme vor, in der sie sie auffordert, DRM zu überdenken und den Weg für eine Flatrate im Internet zu ebnen.
Klicke, um auf Stellungnahme-ACS.pdf zuzugreifen
privatkopie.net, Netzwerk Neue Medien und Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. fordern in ihrer gemeinsamen Stellungnahme zum Referentenentwurf durchsetzbare Schrankenbestimmungen für Privatkopie, Zitat und Filesharing.
Klicke, um auf Stellungnahme-RefE-2Korb.pdf zuzugreifen
2009-10-15 um 9:41 am
Andi
Zuerst mal sorry für das späte Freischalten. Posts mit mehr als 2 Links landen immer in der Moderationswarteschlage. Sollte ich vielleicht mal einstellen
Wie ich bereits schrieb ob du es nun mit „grüner“ oder mit „privatkopie.net“-Brile gesehen hast, macht für mich in der Sache keinen Unterschied. Ok doch, also gut: keine grüne Brille sondern rosa Brille 🙂
Dennoch habe ich den Eindruck, dass wir immer noch aneinander vorbei reden.
Ich lese nirgendwo im UrhG davon, dass es Pauschalabgaben auf Internetanschlüsse gibt. Und selbst wenn es dort drin stehen würde, ändert es nichts daran, dass die Vermarktung der Güter wieder nur per Gesetz erfolgt, die Einnahmen also durch den Staat ermöglicht werden und es sich deshalb um eine staatliche Finanzmaßnahme handelt.
Wir wollen das Urheberrecht auch nicht abschaffen, aber durchaus zurechtstutzen. Die Piratenparteien (also auch außerhalb Deutschlands) fordern zum einen Schranken für das Urheberrecht dort wo die Privatsphäre anfängt (darauf bezieht sich auch das „Ausschnüffeln des privaten Datenverkehrs der Leute“, nicht auf die KFR) und eine deutliche Verkürzung der Laufzeiten. Die KFR im Sinne einer Pauschalabgebenvariante würde dem grundsätzlich nicht widersprechen, sie ist aber aus anderen Gründen untauglich, eben denen die ich hier schon breit getreten habe.
Dass wir uns mit der Privatkopie einig sind, ist ja schon mal gut. Aber dass die Argumentation mit der Sozialbindung nichts taugt, ist eben dem geschuldet, dass man dadurch den Kampfbegriff tatsächlich wieder in die Nähe des echten Eigentums rückt, was wir ja eben nicht wollen. Etwas das nicht existiert, kann auch keine Sozialbindung haben. Punkt.
Das was auch der Satz den du zitiert hast ausdrücken will geht in die selbe Richtung: Das Recht auf Privatkopie ist nicht dem geschuldet, dass man fleißig Schutzgeld, an diejenigen zahlt, die den Content für sich beanspruchen, sondern der „Urzustand“, weil es eben kein Grund- bzw. Naturrecht gibt, dass einem ein Eigentum an Informationen zusichert.
Und da das Internet kein „rechtsfreier Raum“ ist, gilt das Recht auf Privatkopie auch bei online-Kopien. Einzig der Kopierschutz-Paragraph macht einem einen Strich durch die Rechnung , was er übrigens auch bei der offline-Kopie macht, wenn man die analoge Lücke nicht berücksichtigt, die wiederum auch online gilt (z.B. Aufzeichnen von Webradios, Youtube, etc.).
Zum Punkt Unternehmen/Künstler muss ich das auch nochmal klar machen: Es geht nicht um das Verhältnis von Verwertern und Urhebern, auch der Urheber ist ein Unternehmen. Das eigentliche Problem haben allerdings nicht DIE Urheber an sich, sondern primär natürlich die Industrie die von ihrem Kopiermonopol gelebt hat und die Urheber, die sich auf diesen Vermarktungsweg als den einzig waren beschränkt haben. Und die zuletzt genannten Urheber sind eben auch die Verlierer der Zeit und das sind auch die, die danach schreien, dass der Staat für eine neue Goldader sorgt.
Mir ist auch klar, dass man nicht unterscheiden kann ob eine Linux-Distribution oder Musik auf eine CD gebrannt wird. Die Schlussfolgerung ist nur genau anders herum. Während du sagst „Dann zahlen halt alle“ sage ich „dann zahlt halt keiner“. Ich denke der Grund für diesen Unterschied ist der, dass du annimmst, dass der Urheber an jedem Medium, auf dem „sein“ Content verbreitet werden könnte mitverdienen muss und ich der Meinung bin, dass das Blödsinn ist.
Mir ist auch durchaus bewusst, dass sich Teile dieser Argumentation auch mit ein paar Kniffen auf DRM und Kopierschutz ummünzen lassen, frei nach dem Motto: „Wir müssen uns gegen Privatkopie schützen“. Aber es hinkt dennoch: Zum einen gibt es mehr Gründe die gegen DRM und Kopierschutz sprechen als die hier genannten, vor allem Verbraucherschutz-technische Gründe. Zum andern scheitert zumindest DRM, das ja nichts anderes ist als der Versuch die Kontrolle über den Content bis auf die Festplatte des Bürgers zu behalten, schon an der Grundannahme.
Zum Thema GEMA würde ich auch soweit gehen, dass es eben keine „GEMA-Problem“, sondern ein Verwertungsgesellschaftsproblem ist. Ich „darf“ demnächst wohl auch selbst VG-Wort-Mitglied werden, aber ich bin alles andere als begeistert von der Idee, auch wenn ich im Gegensatz zur GEMA wohl unterm Strich mit einem Plus rauskommen würden. Aber für mich ist die Verteilungsfrage sogar zweitrangig.
Dass du selbst die KFR nicht magst, aber dennoch akzeptierst erinnert mich ein wenig an eine Diskussion mit einem Parteikollegen, der meinte er zahle lieber das Schutzgeld (KFR) als dass man ihm den Laden zertrümmert (vor den Kadi zerrt). Klar ist die KFR die bessere Alternative zu DRM und Urheberrechtsverschärfung, aber es gibt noch eine Alternative die besser ist als beides: Urheberrechtsentschärfung.
Wenn du die KFR als Alternative anbietest, dann hast du schon verloren. Denn der Gegenüber sagt ja „Wenn ihr gegen eine Verschärfung des Urheberrechts mit totaler Überwachung seit, dann müsst ihr auch eine Gesetzesalternative vorlegen, wo drin steht, wie wir dann unser Geld verdienen werden.“ Und hier antworten wir halt nicht „Kulturflatrate!“ sondern: „Nein, müssen wir nicht.“ Wir gehen natürlich mit den Interessen der Gegenseite, insbesondere der Verwerter, auf Konfrontationskurs. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir das Urheberrecht ganz abschaffen wollen.
Die Argumentation treibt einem Vertreter der Content-Seite sicher die Zornesröte ins Gesicht, ist aber durchaus mehr als stringent. Klar ist das Gebiet sehr komplex und erörtert sich hier im Blog, wo ich mir soviel Zeit nehmen kann wie ich will, viel besser, als wenn sich ein ehrenamtlicher Politiker gegen einen hochbezahlten Profilobbyisten auf einem Panel durchsetzen muss.
Da kann jetzt auch jeder der will sagen, dass ich keine Ahnung vom Urheberrecht habe. Denn wer sowas behauptet der hat schlicht und ergreifend keine Ahnung von Politik. Wir sind keine Juristen, es geht uns nicht darum, wie das Urheberrecht ist, sondern wie es sein soll.
Aber wir können uns gerne mal auf einem Panel treffen und das ausdiskutieren. Quasi unter Freunden 😉
PS: Wer Rechtschreibfehler findet darf sie behalten