Schon wieder laufen übers Netz diese unsäglichen Richtungsdebatten und schon wieder heißt es „Liebe PIRATEN, jetzt markiert doch mal eure Position im politischen Kompass. Die Leute wollen schließlich wissen, mit was sie es zu tun haben.“ Das Problem, das viele nicht verstehen ist: Wir passen dort nicht rein. Wenn sich ein solch komplexes System wie Politik mit vier Schubladen beschreiben lassen würde, dann bräuchten wir auch nur vier Parteien und müssten dann nur aus diesen unser persönliches Gemisch zusammenstellen.

Die drei politischen Achsen die ich kenne sind

  • „kollektivistisch <-> individualistisch“ bzw. „links <-> rechts“,
  • „konservativ <-> progressiv“ bzw.  „hinten <-> vorne“ und
  • „liberal <-> autoritär“ / „unten <-> oben“.

Einordnen kann man die Piratenpartei tatsächlich nur an der letzten Achse. Eine deutliche liberale Ausrichtung mit viel Misstrauen gegenüber dem Staat ist typisch für eine Bürgerrechtspartei und erklärt auch die klare Ablehnung der Piratenpartei gegenüber faschistischen Ideologien. An den anderen beiden Richtungen wird es schwierig. Zum einen sind wir so kollektivistisch, dass wir der Meinung sind allen Menschen sollten freien und kostenlosen Zugang zu Wissen und Kultur haben, andererseits fußt unsere Begründung dafür aber auf der neoklassischen Eigentumstheorie. Manche meiner Mitpiraten lieben ja den Spruch „Nicht rechts, nicht links sondern vorne“, aber selbst dem kann ich nicht zustimmen. Zwar wollen wir Veränderungen und das Nutzen neuer technischer Möglichkeiten, allerdings sind wir wiederum so konservativ, dass wir die Grundrechte aus dem Präinformationszeitalter auf keinen Fall aufgeben wollen.

Der Unwillen der PIRATEN sich in Schubladen stecken zu lassen, ist natürlich auch historisch bedingt. Piraten sind „Hacker“ und zwar im allgemeinen Sinne. Piraten durchleuchten Systeme, versuchen sie zu verstehen um sie anschließend zu verbessern. Dabei will man sich nicht vorschreiben lassen, welche Methoden man anwendet. Es würde einen Piraten zerreißen, wenn er sich in die kollektivistische Schublade stecken lassen würde und dann bei einem Sachverhalt nicht die individualistische Lösung befürworten könnte, obwohl er sie in diesem Zusammenhang für besser hält.

Dass diese politischen Richtungen nicht ganz passen, ist klar, denn die sind ja auch historisch gewachsen. Die Merkmale der einzelnen Ausrichtungen passen in dieser Zeit einfach nicht mehr. Man könnte allerhöchstens jetzt noch eine neue Achse „piratig <-> unpiratig“ einführen, aber das ändert nichts daran, dass es tatsächlich wohl unzählige Achsen gibt, die man berücksichtigen müsste wenn man es sauber machen will.

Es mag sein, dass es vielen schwer fällt zu wissen, was sie mit den PIRATEN anfangen sollen, wenn diese nicht bereit sind sich verorten zu lassen. Aber die würden auch nicht glücklich, wenn wir blind einfach irgendeine Richtung wählen, nur um dann festzustellen, dass wir doch nicht reinpassen. Es bleibt dabei, dass die PIRATEN eine Partei sind, über die man sich selbst ein Urteil bilden muss, abseits von Wahl-O-Maten, Political Compassen oder den Blogs ihrer Vorstände (was macht ihr also noch hier 😉 ). Schaut euch die Ziele an für die die PIRATEN stehen und sagt ob ihr sie gut findet. Politik ist einfach vielschichtig und lässt sich nicht mit zweidimensionalen Multiple-Choice-Systemen abarbeiten.

Aber wem es weiterhilft: Wir wurden einst als „klassische Bürgerrechtsbewegung“ bezeichnet und bisher finde ich diese Bezeichnung von allem was ich gehört habe, immer noch am besten. Denn wenn wir auch keine starre Ideologie haben, wir haben klare Werte und die stehen im Grundgesetz.

Werbung