Ich bin es ja gewöhnt, dass das Postfach überquillt wenn ich mal vier Tage nicht da bin (um genau zu sein, bin ich auch gewohnt, dass das Postfach überquillt, wenn ich da bin), aber diesmal krieg ich es gleich von Seiten der Presse ab. Denn wieder einmal ist es die Genderdebatte ausgebrochen. Ich habe meine Meinung dazu schon einmal kurz zum Ausdruck gebracht, aber ich erlaube mir es einfach nochmal zu tun, bevor ich noch einmal ein paar Worte an die beteiligten dieser Streiterei richten möchte.
Diskriminierung ist sicher kein einfaches Problem, auch heute nicht. Wenn Menschen aufgrund bestimmter Eigenschaften, das Geschlecht ist nur eine davon, benachteiligt werden, dann ist das nichts was man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Ich sehe es aber als das völlig falsche Mittel an Diskriminierung mit Diskriminierung zu bekämpfen. Und Quoten oder Sonderregelungen für eine bestimmte Personengruppe, auch wenn sie positiv gemeint sind, sind ebenfalls Diskriminierung. Denn sobald das Geschlecht einer Person eine Rolle spielt, ist ein Sachverhalt diskriminierend. Das muss übrigens nicht immer schlecht sein, manchmal ist Diskriminierung durchaus gewünscht, bei Toiletten zum Beispiel. Aber in der Politik ist sie fehl am Platz.
Ein Streitpunkt bei der Frage ist häufig, die Verwendung des generischen Maskulinums. Ich sag es gleich, ich bin dafür. Sprache ist etwas gewachsenes und in unserer gibt es eben ein generisches Maskulinum. Es auszugleichen führt entweder zu Diskriminierung („Piratinnen und Piraten“, das impliziert, dass es sich um unterschiedliche Personengruppen handelt) oder zu typographischen Todsünden wie Binnen-Kapitälchen, die Texte unleserlich machen. Ich halte es für erstrebenswert von „Piraten“ sprechen zu können, ohne dass auch nur eine Person denkt die Frauen wären damit nicht gemeint (ganz im Geiste dieser South Park Folge). Dieses Gusto vertritt auch der entsprechende Abschnitt in der Satzung, der übrigens nicht sagt, dass sich niemand als Piratin bezeichnen darf, „Ich bin eine Pirat“ klingt mindestens genauso bescheurt wie ein Binnen-Kapitälchen.
Der weitere Streitpunkt in dieser Frage, der Frauenanteil bei den Piraten, ist, zumindest in diesem Zusammenhang, eigentlich gar nicht der Erwähnung wert. Das Argument wir können Frauen nicht begeistern weil wir Genderfragen nicht besetzen, ist mir genauso egal wie wenn mir einer sagt, wir können Arbeitslose nicht begeistern weil in unserem Programm nichts zu Hartz IV steht. Und dass der Frauenanteil bei uns nur geschätzt werden kann hat auch nix damit zu tun, dass uns das irgendwie peinlich ist, sondern dass wir die Datensparsamkeit als Prinzip sehr hochhalten. Wir unterscheiden bei unseren Mitgliedern nichts nach diesem Merkmal und wir werden sicher nicht beginnen es zu erfassen, nur um die Neugier irgendwelcher Journalisten zu befriedigen.
Wir bei den PIRATEN haben den Vorteil, dass unsere Wurzeln in einem Medium liegen, in dem das Geschlecht einer Person im Allgemeinen unerkannt bleibt. An deinem Nickname erkennt niemand deine Chromosomenbestückung. Das Medium ist also in dieser Hinsicht tatsächlich weitgehend frei von Diskriminierung und das ist ein guter Zustand. Dieser Geist ist auch sehr weit verbreitet bei den PIRATEN. Ich sehe diese Form einer vollkommen selbstverständlichen Gleichberechtigung aber nicht nur als Sieg des Netzes, sondern natürlich auch der Frauenrechtsbewegung an sich, die ja auch schon etwas länger anhält. Ich sehe es deswegen und da sind übrigens viele Piratinnen meiner Meinung, als Ziel Politik für Menschen zu machen, nicht für eine bestimmte Gruppe wie etwa für Frauen.
Das ist jetzt meine Meinung und da kann man anderer sein, dass ist das schöne am Pluralismus. Es gibt auch Leute die sich mit Genderpolitik beschäftigen wollen und das kann man auch bei den PIRATEN. Es gibt die AG Gender, sowie die AG Frauen und die AG Männer. Jetzt gibt es also diese Gruppe namens „Piratinnen“, in der so wie ich das verstanden habe, wohl Lena Simon eine Schlüsselrolle gespielt hat und schon wird sich mal wieder mit harten Bandagen gezofft.
Nun vorweg will ich klipp und klar sagen, es ist ihr gutes Recht. Sie darf spielen mit wem sie will und keiner von euch hat das Recht es ihr zu verbieten oder sie dafür anzugreifen. Ich suche mir die Leute mit denen ich an bestimmten Projekten arbeite auch lieber selber aus, auch in der Piratenpartei. Man kann halt mit dem einen besser mit dem andern weniger gut und niemand muss sich von irgendwem bedrängen lassen. Wenn Lena also der Meinung ist, sie will sich nur mit Piratinnen austauschen, ohne dass wir Kerle da mitreden ist das vollkommen in Ordnung. Wenn ich mir eine rein männliche Piratengruppe aufbauen will um dort schweinische Witze abzulassen, werde ich mir das sicher auch von niemandem verbieten lassen.
Aber! Es gibt da doch einen kleinen aber feinen Unterschied, weshalb ich die Aktion mit den Piratinnen dennoch für falsch halte. Wenn ich innerhalb einer Gruppe bestimmte Interessen besetzen will, und sei es schweinische Witze zu reißen, dann bleibe ich dennoch ein Teil dieser Gruppe und fange nicht an mit Pressemitteilungen um mich zu schmeißen. Wer so nach außen auftritt wie die Piratinnen es gemacht haben, der separiert sich von der eigentlichen Gruppierung und wir sind bei weitem noch nicht so groß, dass wir die Ressourcen für sowas haben. Wenn jeder der in der Partei bestimmte politische Interessen inne hat selbst nach außen auftritt, dann zerstückeln wir uns selbst und werden uns kaputt machen.
Das alles ändert natürlich auch nichts an der Tatsache, dass wir uns selbst eigentlich als transparente Mitmachpartei verstehen und eine Gruppierung die bestimmte Person von vornherein ausschließt diesem Ideal natürlich zuwider läuft. Bisher hatte ich auch den Eindruck, dass sich alle Frauen in der Partei mit dem Zustand der Diskriminierungslosigkeit gut abfinden können. Dass es dennoch welche gibt, die eine Diskriminierung für so notwendig halten, dass sie sogar bereit sind wichtige Ideale unserer Partei aufzugeben, kann ich eigentlich nur bedauern. Aus diesem Grund hoffe ich auch, dass die Piratinnen sich darauf konzentrieren die Probleme die sie in der Partei sehen innerhalb dieser anzusprechen und nicht einfach nur versuchen mit Interessen, die sie innerhalb der Partei nicht durchsetzen können nach außen auf deren Welle zu reiten. Denn was wir sicher nicht brauchen ist ein Seeheimer Kreis bei den PIRATEN.
PS: Aus aktuellem Anlass fiel das Korrekturlesen kurz aus. Ich bitte Typos zu verzeihen oder mir per Jabber zu melden.
19 Kommentare
2010-03-02 um 10:49 am
Christian
Full ack
2010-03-02 um 10:51 am
wolfgangp
Danke für deine sachliche Bewertung. Mein Blogkommentar fiel wesentlich polemischer aus als deiner, aber als reiner Basispirat darf ich mir es erlauben ein weniger political correctness an den Tag zu legen.
Die gleichen Kritikpunkte, die du anwendest, habe ich auch versucht zu beleuchten, und in einer Gruppierung in der per Definition durch das Geschlecht pauschal bestimmt wird wer dazu geeignet ist und wer nicht, ist sicher nicht mit einer AG zu vergleichen, die versucht Leute ins Boot zu holen, die über ein zum Thema passendes Sachwissen verfügen. Nur das Kriterium Frau zu sein befähigt meiner Ansicht nach nicht vernünftige Genderpolitik zu machen. Der „Schutzraum“ von dem Lena spricht impliziert, dass sich piratige Frauen vor Männern schützen müssten. Und dazu möchte ich gerne Belege sehen, dass Frauen bei den Piraten aufgrund ihres Geschlechtes angegriffen oder in ihrer Meinung unterdrückt wurden. Es gibt sie nicht. Bestes Beispiel dazu sind 3 Landesverbände mit weiblichen Vorsitzenden, die einzig und allein mit ihrer politischen Arbeit und Engagement überzeugt haben, ohne dabei ihr Geschlecht in den Vordergrund zu stellen.
Das was Lena hier macht, ist einen Keil in die Gemeinschaft der Piraten (aller Piraten) zu treiben, und die Notwendigkeit einer Frauengrupe vorzutäuschen, die es wirklich nicht braucht.
2010-03-02 um 11:11 am
Lena und ihre Häkelgruppe « Wolfgang's Blog
[…] Update: Andere Blogs von Piraten zu diesem Thema <a href=" Update: Andere Blogs von Piraten zu diesem Thema http://silkepp.wordpress.com/2010/03/02/lena-was-ist-dein-problem/”>Sike und die Piratenpartei – Lena, was ist dein Problem? Andis Blog – Alle Jahre wieder, kommt der Genderstreit […]
2010-03-02 um 12:03 pm
Piraten, Frauen, die echte, und die falsche Genderdiskussion « 11k2
[…] Stimme der Piratenvernunft: Alle Jahre wieder, kommt der Genderstreit […]
2010-03-02 um 1:26 pm
CHR
Andi, ich muss jetzt doch etwas weiter ausholen, da ich mich als mit der Partei sympathisierend verstehe, mich allerdings derzeit nicht durchringen kann, in dieser Partei politisch aktiv zu werden. Viele Aspekte prägen meine Zurückhaltung, das, ich nenne es jetzt einmal so, recht unreflektierte politische Gleichheitsideal, wie es sich mir darstellt, ist dabei eines der prägenden Elemente. Gewiss gäbe es bessere – will heißen: allgemeinere und breitere – Stellen als Dein Blog, nun bin ich aber just über Deinen Post gestolpert und kann mich nicht mehr zurückhalten. Ich lasse also einigen angestauten Unmut an Dir aus, was aber nicht persönlich gemeint ist.
Ich fange mal mit dem nicht weiter klärungsbedürftigen Übereinstimmungen meiner mit Deiner Ansicht an: Das faktische Vorgehen Lenas, also vor allem die offiziöse ‚Pressemitteilung‘ und die Forderung nach einer hermetisch geschlossenen Frauengruppe, sind schlechter Stil im ersten Fall bzw. könnten im zweiten Fall schlicht kontraproduktiv sein. Ganz klar, was für Aaron König (Erklärt mir jemand bitte die Story um seinen Vornamen) gilt, muss auch hier gelten: Persönliche Meinung schön und gut, darf aber nicht Gefahr laufen, mit offizieller Parteihaltung verwechselt zu werden. Insofern herrschte zwischen uns also einträchtige Stimmung, wenn da aber nicht Deine Einstellung und vor allem die Begründung zum generischen Maskulinum wäre, die, so klein es zunächst erscheinen mag, für mich immer noch gewaltige gerechtigkeitstheoretische Probleme verursacht.
Du lieferst drei Argumente gegen die Kritik am generischen Maskulinum, die nach meiner Ansicht in der von Dir vorgebrachten Form nicht vernünftigerweise aufrecht erhalten werden können: (1) Ein ästhethetisches, (2) ein historisches und (3) ein politisch-gesellschaftliches Argument. Ich habe in dieser Reihe die Reihenfolge verändert, da ich mich einzeln mit diesen auseinander setzen will und dabei mit dem ’schwächsten‘ Argument beginnen möchte.
(1) Das ästhetische Argument kann nicht verfangen. Dies hat zwei Gründe, welche genauer bei den Punkten 2 und 3 deutlich werden, aber schon hier kann gesagt werden, dass ein ästhetisches Kriterium nicht als Einwand gegen ein politisch-soziales Argument oder eine solche Forderung angeführt werden kann. Sie spielen nicht im selben Stadion, nicht einmal in derselben Liga: Sprachliche Ästhetik ist mit Sicherheit dann ein wichtiges Kriterium, wenn es um künstlerischen Ausdruck und rhetorische Kunstgriffe geht (Das ist auch in der Politik zwar manches Mal der Fall, sollte aber nicht die erste Geige spielen.); allein nutzbringend im kommunikativen Sinne ist Ästhetik außerhalb der Kunst aber nicht. In der Genderdebatte geht es aber um eine politisch-soziale Funktion der Sprache, um einen über das ästhetische hinaus gehenden Nutzen. Die Ästhetik an dieser Stelle als schlagendes Kriterium anzuführen kommt einer Missachtung anderer – nach meiner Ansicht in diesem Fall bedeutsameren – Funktionen der Sprache als Kommunikationsmittel zu.
(2) Das historische Argument ist ein konservierendes Argument, das ich so nicht teilen kann. Es beruht auf einer positivistischen Annahme der Sprache, aus der geschlossen wird, dass Sprache einerseits tradiert wurde und so in seiner Entwicklung auch nicht rationalen Kriterien unterlag, andererseits wird diese Entwicklung als unumkehrbar, weil nun einmal abgeschlossen betrachtet. Diese Argumentation ist so richtig wie sie falsch ist. Du bezeichnest Sprachen als ‚Gewachsenes‘, was nicht falsch ist, allerdings jedoch verfälschend, denn es ist kein abgeschlossener Prozess. Sprache ist ‚Wachsendes‘, womit schon der wesentliche Unterschied erfasst ist: Nur weil sich etwas in einer spezifischen Weise entwickelte, heißt es nicht, dass wir, Du, ich, sie, er und andere nicht Einfluss darauf nehmen könnten.
Und auch hier sei zur Ästhetik kurz angemerkt: Sprachliche Ästhetik ist Teil der prozesshaften kommunikativen Normierung der Sprache an sich. Was sprachlich ästhetisch richtet sich zu einem Gutteil nach dem Relationsverhältnis der Anwender zur Norm, also der Sprechenden zur Sprache. Damit ist die Ästhetik wachsend wie die Sprache selbst, gleichwohl sie sprachlich-normative Universalität vorgaukelt. Es ist mit einiger Gewissheit davon auszugehen, dass etwa die Sprechenden erhebliche Schwierigkeiten hatten, die beiden großen Lautverschiebungen ästhetisch gutzuheißen, aber wir haben allemal keinerlei Probleme mehr damit, schlicht aus dem Grund, dass diese Lautverschiebungen nicht in unsere Lebenszeit fielen.
Was bleibt ist die Frage danach, wann durchaus tief greifende Veränderungen und Korrekturen vorgenommen werden sollten und welcher Begründung es dafür bedarf. Damit sind wir dann aber beim dritten Aspekt und das ist meines Erachtens der allein entscheidende, wenn es um den Komplex der Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache geht.
(3) Du argumentierst, dass eine nach geschlechtspezifischen Merkmalen differenzierende Sprache diskriminierend sei, da hiermit die Gruppenzugehörigkeit aufgeteilt wurde, aus einer also zwei spezifische Gruppen gemacht würden.
Man müsste noch einmal die linguistische Fachliteratur wälzen, jedoch bin ich mir sicher, dass man dieses Argument in der Form nicht aufrecht erhalten kann: Die geschlechtsspezifischen Suffixe, um die es in diesem Fall geht, sind erläuternd, heben aber den Sinnzusammenhang nicht gänzlich auf. ‚Briefträger‘ und ‚Briefträgerinnen‘ sind nicht per se zwei unterschiedliche Gruppen, sondern nach geschlechtsspezifischen Kriterien klassifizierte Untergruppen der noch immer bestehenden Hauptgruppe. Der Zusammenhang bleibt weiter bestehen, in diesem Fall wurde bloß eine für bedeutsam erachtete Unterscheidung in den Suffixen manifestiert, man könnte diese auch adjektivisch (‚männliche‘ und ‚weibliche Briefträg*‘ erfassen, allerdings (und hier kommt zugegebenermaßen ein historisches Argument) hat es sich herausgebildet, die Unterscheidung innerhalb der Deklination der Substantive vorzunehmen.
Nehmen wir mal an, diese Deklination sei unnütz, so wie Du es implizierst, da man die Gruppenzugehörigkeit keinesfalls durch Untergliederungen aufweichen sollte, da dies einer Diskriminierung gleichkäme. Gerechtigkeitstheoretisch wäre das zunächst machbar, hat aber einen entscheidenden Haken, den Du hier allerdings unter den Sprachteppich kehrst: Verfiele man dem Glauben, die Untergruppen adjektivisch zu erfassen bleibt es bei dem Problem, dass ‚männliche‘ und ‚weibliche Briefträger‘ unterschieden werden müssten. Der Missstand ist offenkundig, da sowohl die Adjektive als auch auch das Substantiv auf den sprachhistorisch präferierten maskulinen Genus hin dekliniert sind, was eine paradoxe Beschreibung ‚der weiblichen Briefträger‘ zur Folge hat.
Und an dieser Stelle entbrennt die Diskussion; nur hier darf sie gerechtigkeitstheoretisch entbrennen. Die Frage ist, ob es einen sprachlichen Normalfall geben sollte, der eine nachweislich große Teilmenge der zu bezeichnenden Gruppe sprachlich negiert. Dafür sollte es hinreichend gerechtigkeitstheoretische Ansätze geben, Deiner gehört allerdings nicht dazu, da er nach meinem Dafürhalten, das Problem schon vor der eigentlich problematischen Diskussion ausblendet, wenn es um die Argumente 1 und 2 geht. Nur Dein drittes Argument ist diffiziler und hält länger Stand, womit wir – endlich – bei der Position um die Haltung zur politischen Gleichheit kommen.
Politische Gleichheit ist eine normative Forderung, welche eine enorme und kurvenreiche Geschichte hinter und ebenso bedauerlicherweise auch noch vor sich hat – Einzelheiten können und müssen wir hier nicht klären. In diesem Zusammenhang ist erst einmal wichtig, dass man der politischen Gleichheit eine soziale Gleichheit gegenüber stellt. Die normative politische Gleichheit und die faktische soziale Gleichheit stehen sich zwar gegenüber, doch beschreibt die normative Gleichheit, welche Form die soziale gerechterweise haben sollte.
In Bezug auf die Sprache sieht die Konstellation so aus: Du nimmst an, dass in der heutigen Sprache die politische und soziale Gleichheit korrekt erfasst sind und Ungleichheit nicht an der Wirkung der Sprache zu erkennen seien, weshalb Unterscheidungen nur wieder zu einem Bruch zwischen politischer und sozialer Gleichheit führten. Das kann ich nachvollziehen, aber allemal nicht als korrekt bezeichnen.
Meines Erachtens ist die Sprache in diesem Fall signifikanter Ausdruck einer Ungleichgewichtung in der sozialen Gleichheit und wenn das nicht, dann gibt sie die Gleichgewichtung nicht korrekt wieder. Meine Position halte ich für tragfähiger aus dem einen Grund: Soziale Gleichheit drückt sich dadurch aus, dass Individuen sich frei entfalten können, gleichfalls aber politisch keinerlei Nachteile daraus erfahren dürfen. In sozialer Gleichheit gibt es und soll es signifikante individuelle und spezifische Unterschiede geben, welche politisch allerdings keinerlei Bevorzugung oder Benachteiligung einer der Gruppen haben sollten. Die gegenwärtige Sprache, wie Du sie bevorzugst, kaschiert allerdings die soziale Gleichheit, die sich in Indivdualität ausdrückt, indem sie die politische Gleichheitsforderung der der sozialen Gleichheit überstülpt. Also, die politische Gleichheit (politische Homogenität) ist zwar ein redliches Ziel, führt aber gerade dann zu Ungerechtigkeit (sozialer Gleichschaltung und Negation legitimer Unterscheidungen), wenn sie als Ziel definiert wird. Politische Gleichheit ist allerdings nicht das Ziel, sondern definiert die sozialen Ziele.
Nur dass wir uns richtig verstehen, ich werfe Dir nicht vor, dass Du nicht die Gleichheit vor Augen hättest, keineswegs, ich werfe Dir nichts vor, ich will lediglich darauf hinweisen, dass Du mit politischer Gleichheit nicht soziale Gleichheit festlegen kannst. Aber genau das machst Du, wenn Du annimmst, dass eine historisch gewachsene Sprache mit ihren erklärbaren, aber nicht dauerhaft zu rechtfertigenden Missständen die Verwirklichung der sozialen Gleichheit erziele. Genau das Gegenteil ist der Fall, Du könntest, wie ich finde, gerade die politische mit der sozialen Gleichheit verwechseln und dadurch die soziale Ungerechtigkeit perpetuieren, die Du bekämpfen willst.
Was aber sollte man tun? Die Vorschläge der feministische Linguistik könnten doch ebenso neue Schieflagen manifestieren (einigen Vertreterinnen kann man diese Forderungen auch ganz klar ablesen)? Wie stellt man fest, wer Recht hat, wer unterdrückt wird?
Ich habe mich immer gefragt, was denn dagegen spräche, der deutschen Sprache ein generisches Neutrum zu schenken. Sicherlich wäre es ein krasser Eingriff, allerdings wäre dieser gerechtigkeitstheoretisch fundierter und aus dieser Warte kaum noch anzugreifen. Jeder Mensch könnte in der Nutzung immer noch auf alte Mechanismen verweisen, was ich nicht für tragisch halte, das gälte dann als dialektale Beibehaltung alter diskriminierender Sprachelemente, mit der umgegangen werden kann wie mit jedem Dialekt auch: Es ist schön und traditionell, allerdings sollte auch die hochdeutsche Ausdrucksweise beherrscht oder zumindest verstanden werden. Ebenso würde damit ein Flickwerk der Sprache verhindert, da man rationale grammatische Normen zum Neutrum erschaffen könnte, metaphorisch gesprochen würde nicht gepatcht oder ein workaround eingeführt, sondern der Code neu aufgesetzt und geschliffen. Ästhetische wären unproblematischer, gleichwohl sie ohnehin in einer politisch-sozialen Auseinandersetzung keine Rolle spielen sollten; historisch ist es ein Eingriff, der allerdings aufgrund der Wirkung von Sprache erlaubt ist; politisch-sozial wäre dies die neutralste Kompromisslösung, die natürlich einer noch ausführlicheren als meiner Begründung bedürfte, allerdings fielen in diesem Fall auch viele der müden Gegenargumente weg.
2010-03-02 um 1:47 pm
Andi
Ich will jetzt hier keine Diskussion anzetteln, da das ganze hier ja noch lesbar sein soll, aber ich denke hier kann ich es darauf reduzieren, dass wir beide schlicht und ergreifend vollkommen unterschiedliche Auffassungen von Sprache haben 🙂
2010-03-02 um 2:40 pm
CHR
Wahr. Auch grundsätzlich nicht schlimm. In diesem Fall muss ich allerdings enttäuscht feststellen, dass in der Piraten-Partei zwar das Ideal der Wissenschaftlichkeit hoch gehalten wird, anscheinend aber auch nur gewisse Ingenieurs- und Informationswissenschaften reflexartig herangezogen werden. Deine Meinung ist Dir absolut gestattet und als solche auch berechtigt, nur liegt im Diskurs meiner Meinung nach die wissenschaftliche Latte eindeutig zu tief.
Sollte sich jemand eingehender für gewissen Mechanismen interessieren, wie Sprache erforscht wird und welche Schlüsse gezogen werden können, dann bleiben zunächst die für den Anfang tauglichen Einträge zu ‚Sprache‘, ‚Sprachwandel‘, ‚Historiolinguistik‘ und ‚Soziolinguistik‘ auf wikipedia (Ich habe sie überflogen und mit einigen Grundlagentexten in meiner Hausbibliothek abgeglichen. Die Literaturhinweise sind ebenfalls brauchbar). Weitere ausführlichere und wissenschaftlich ausführlichere Literatur findet sich etwa in dem einführenden Standard ‚Studienbuch Linguistik‘ von Linke/Nussbaumer/Portmann. Das sollte in jeder anständigen Unibibliothek verfügbar sein.
‚Gerechtigkeitstheorie‘ und ‚Gerechtigkeitsforschung‘ (also empirische Studien) sind in der wikipedia auch ordentlich, aber selbstverständlich nicht umfassend abgedeckt.
Mein Eindruck ist einfach, dass manche Anhänger (ich bin noch unentschlossen, ob ich das generisch oder geschlechtspezifisch meine) der Piraten das Problem in seiner Komplexität negieren wollen oder einer Mehrheitsentscheidung des leichter zugänglichen Bauchgefühls zuneigen – und hier meine ich explizit nicht Dich, Andi.
Aber ich nehme Deinen South-Park-Ausschnitt und erhöhe um die Szene aus dem SP-Film zur Operation ‚Menschlicher Schutzschild‘ (o.ä.).
2010-03-02 um 3:12 pm
Andi
Nun, ich bin ein Laie und ja ich bin auch aus der technischen Ecke. Aber mir wäre es halt einfach lieber, wenn die Gleichberechtigung in den Köpfen der Leute steckt und nicht in Worthülsen gepackt wird. Ein Chauvi wird nicht plötzlich zu Alice Schwarzer, nur weil er „PiratEnInnen“ schreibt. Das macht es nur unmöglich seinen Text zu lesen ^^
Ich denke wir sind von unseren Idealen gar nicht soweit auseinander, nur bei solchen Details muss gibt es halt ein grundsätzliches unterschiedliches Verständnis, was Sprache leisten muss.
2010-03-02 um 1:37 pm
EvilMachine
Sehr schön gesagt. Vor allem der South-Park-Schnipsel triff wirklich des Pudels Kern.
2010-03-03 um 2:27 pm
Mit piratigen Grüßen » Blog Archive » Piratinnen – persönliche An- & Einsichten
[…] Andi Popp […]
2010-03-04 um 9:46 pm
Das Piratengeschlecht: small dick meets biting vagina : Medienelite
[…] Andi Popp, Stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei beantwortet die Genderdebatte in nur einem Satz: “Der weitere Streitpunkt in dieser Frage, der Frauenanteil bei den Piraten, ist, zumindest in […]
2010-03-05 um 1:59 am
Yuri
Also soweit ich weiss, wird im CiviCRM doch das Geschlecht festgehalten [geht in Deutschland ja auch recht einfach, da man keine geschlechtsneutralen Vornamen vergeben darf]…?
2010-03-05 um 9:24 am
Andi
CiviCRM hat ein Feld für Geschlecht. Aber:
1.) geschlechtsneutrale Vornamen gibt es durchaus. Nicht zuletzt durch sprachliche Unterschiede. Andrea ist im italienischen z.B. ein männlicher Vorname und es gibt auch nicht wenige die keinen deutschen Vornamen haben, die sehr schwer zuzuteilen sind.
2.) Es ist ein vergleichsweise großer Aufwand das zu pflegen, insbesondere weil die meisten GenSek mit Batches arbeiten. Irgendwer müsste dann halt hingehen und stundenlang bei leuten buttons anklicken oder Tabellenkästchen ausfüllen. Soviel Zeit will keine für nix investieren
3.) Gehört es eben auch zur Datensparseimkeit nicht einfach aus vorhandenen Daten grundlos andere Daten abzuleiten.
2010-03-08 um 1:55 pm
Isi
Herr Popp, Sie schreiben:
„Ein Streitpunkt bei der Frage ist häufig, die Verwendung des generischen Maskulinums. Ich sag es gleich, ich bin dafür.“
Um aber das generische Makulinum anzuwenden, Herr Popp, bräuchte es ja erstmal eine weibliche Form, die dann grammatikalisch korrekt zum Maskulinum wird. Ein Satz wie „Ich bin Pirat!“ von einer Frau gesprochen, ist kein genMask, sondern grammatikalisch schlicht falsch. Auch „Wir sind Piraten!“ wäre nur dann richtig, wenn es eben nur Männer sind, sonst nicht. Anwendung fände „Piraten“ als Einschluß auf Frauen nur dann, wenn eben korrekt das genMansk angewendet würde, wie zBsp. in einem Satz „Frauen sind die klügeren Piraten.“ oder so, da es dann unsinnig wäre, die weibliche Form anzuwenden, wenn sowieso alle Frauen weiblich sind. Ein Satz wie „Frauen sind die klügeren Piratinnen.“ wäre eben vom Satzbau nicht besonders elegant. Was Sie für den genMask halten ist aber nur die Merhzahl des einfachen, männlich „Pirat“. Kurzum: Alle Frauen, die solchen Unsinn von sich geben wie „Ich bin Pirat!“sollte bitte noch einmal einen Grundkurs Deutsch belegen, um zu verstehen, dass ihre Befindlichkeit nicht die deutsche Grammatik überwindet!
MfG
Isi
2010-03-08 um 7:18 pm
Andi
Es handelt sich tatsächlich in beiden Fällen. also sowohl bei „Frauen sind die besseren Piraten“, als auch bei „Die Piraten haben über tolle Dinge abgestimmt“ um generische Maskulina (ist das überhaupt das korrekte Plural :D). Eine Frau darf wegen mir natürlich auch gerne „Ich bin Piratin“ sagen. Wie im Post erwähnt, hab ich da kein Problem mit.
2010-03-08 um 11:25 pm
Isi
Nein, das tut es nicht. Im Satz (leicht abgewandelt) „Die Piraten haben iel Dreck am Stecken” ist lediglich die Gesamtheit der Männer gemeint und die Frauen sind fein raus (was sie vielleicht auch sind). Das genMask wird immer dann gebildet, wenn es keinen Sinn macht, die sonst übliche weibliche Form (die es bei den Piraten ja nicht gibt) ausnahmsweise (!) nicht anzuwenden, weil es dann zu einer überflüssigen Dopplung käme. Ihr Satz, und jedenfalls so lange sie noch bekennende Frauen in ihrer Partei haben, ist einfach nur falsch, wenn sie denn alle Mitglieder meinen (w+m) oder aber Sie meinen wirklich nur die Männer. Ob Sie – ich danke für diese großzügige Geste – es einer Frau erlauben, sich als Mitglied der PP „Piratin“ zu nennen, täuscht aber nicht über die tatsache hinweg, dass ihre Rechte als Parteimitglied lt. Satzung jederzeit aberkannt werden können, denn die Satzung gilt ja nur für Männer. Und wissen Sie, sonst wäre das nur ein theoretisches Konstrukt, aber gerade in der PP kann ich mir durchaus vorstellen, dass es derartige Bestrebungen geben kann. Es geht also nicht nur darum, wie die Frauen sich nennen (und Sorry, ihnen Vorschriften zu machen, um dann großzügig auf die Einhaltung hinwegzusehen, ist nicht sehr sympathisch), sondern welche Rechte Ihnen in der Partei, deren Mitglied sie sind, zustehen! In einem Staat, in dem nur Bürger wählen dürfen, Herr Poop, haben Frauen kein Wahlrecht und so sieht es bei Ihnen eben auch aus. Was man den Frauen erlaubt, hängt bisher einzig vom Wohlwollen der Männer ab und so spielen Sie sich hier ja auch auf: Sie gestatten es den Frauen, sich zu nennen, wie sie wollen. Das ist ihr Recht und nur die PP nimmt es ihnen. Das muß ein Ende haben.
Wissen Sie, das Fatale an ihrer Haltung ist ja nicht mal, dass sie die eigenen Argumente nicht begreifen, sondern dass Sie auf Fehldeutungen begründet, soziale Normen und Konventionen zumindest in ihrem Machtbereich abschaffen: Die weibliche Schreibweise gibt es seit jeher (lange, lange vor dem Feminismus) und sie wird um so bedeutender, je mehr Frauen in die Öffentlichkeit treten. Die weibliche Form anzuwenden, wenn es sich um eine Frau handelt, ist weder neu noch feministisch und es besteht auch kein Anlaß (außer man will die Frauen in bisher unbekanntem Ausmaß aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängen), etwas daran zu ändern. Was Sie für Feminismus halten und darum verweigern, ist einfach nur angewandte Grammatik und ein Mindestmaß an Höflichkeit und Respekt und somit der Beweis, dass sie erfolgreich eine Schule beendet haben!
2010-03-09 um 12:31 am
Anonymous
http://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum
Wer lesen kann ist klar im Vorteil!
2010-03-09 um 7:52 pm
Isi
Und Sie können es nicht.
2010-03-10 um 7:58 am
Popp floppt (auch)! « Das Blögchen gegen virtuelle Unzumutbarkeiten!
[…] Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland“, wirkt ein wenig genervt über den „Genderstreit“, der angeblich „Alle Jahre wieder“ kommt. Dazu labert er dann ´ne ganze Menge […]