Nein, ich feiere immer noch nicht. Ich finde das gestrige Urteil immer noch viel zu schwach und werde weiter kämpfen bis die Vorratsdatenspeicherung endgültig und für immer in der Versenkung verschwindet. Aber die Reaktionen, die derzeit die Runde machen geben mir dennoch ein kleines Siegesgefühl. Insbesondere ein Artikel der Welt lässt mein Herz ein bisschen höher schlagen. Da beschwören diverse Herrschaften das Ende der Welt, wie es wohl selbst Roland Emmerich nie hätte kommen sehen. Da ist es mal wieder Zeit den Artikel zu filetieren.
Die Union ist natürlich an allererster Stelle wenn es um Weltuntergangsphantasien geht. Da fliegen wieder monatelang die rechtsfreien Räume und das Verfassungsgericht wird für die klaffenden Sicherheitslücken verantwortlich gemacht, die nun Mord- und Totschlag Tür und Tor geöffnet haben. Der Grund dafür ist ganz klar: Sie haben sich da schon als Sieger gesehen und sie wollen die Vorratsdatenspeicherung auch, nicht nur für die großen Verbrechen, sondern auch für die kleinen. Aber da steht ja jetzt ein Koalitionspartner, der beim Thema Bürgerrechte spätestens nach SWIFT mit dem Rücken zur Wand steht und auch sonst keine gute Figur macht. Mit dem eine neue Umsetzung zu bauen wird schwierig, da muss man gleich wieder große Töne spucken.
Die andern die jetzt Panik schieben, sind die Polizeigewerkschaften. Ok, sein wir mal ehrlich, die Polizeigewerkschaften sind schon ein komischer Haufen. Erst mal tauchen da immer drei verschiedene auf und zum andern sind die auch von ihrer Natur ganz verschieden. Während die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) tatsächlich meistens ihren Mund aufmacht, wenn es um die Arbeitsbedingungen von Polizeibeamten geht, sind der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) und vor allem die Gewerkschaft der Polizei (GdP) eigentlich nicht mehr wirklich Gewerkschaften. Gerade die GdP ist immer dann in den Schlagzeilen wenn es um staatliche Überwachungsmaßnahmen geht. Klar, wenn ich ein Bauarbeiter wäre würde ich auch gerne den größten Bagger haben um meine Arbeit schneller erledigen zu können, aber gerade bei der GdP muss ich langsam wirklich unterstellen, dass die sich nur die Polizisten mit Allmachtsphantasien zu ihren Funktionären wählen, damit sie eine tolle Lobby für die Überwachungsfanatiker in Deutschland stellen können.
Gerade im oben genannten Artikel hat die GdP nämlich mal wieder sämtliche Register der vorsätzlichen Desinformation und Volksverblödung gezogen (Man verzeihe mir die direkten Worte). Dirk hat in seinem Blog da schon ein paar Worte drüber verloren, die ich hier nochmal aufgreifen und erweitern will.
Freiberg verwies darauf, dass die Telefonverbindungsdaten etwa bei den Ermittlungen gegen die terroristische „Sauerland-Gruppe“ eine wichtige Rolle gespielt hätten.
Die sog. „Sauerland-Gruppe“ ist in der Tat ein sehr gutes Beispiel und zwar dafür dass wir die VDS nicht brauchen. Denn die Sauerland-Gruppe wurde im September 2007 festgenommen, die VDS wurde dagegen erst im November 2007 beschlossen, vom dem halbjährigen Umsetzungsmoratorium mal ganz abgesehen. Die Sauerland-Gruppe wurde also komplett ohne VDS ausgehoben. Und natürlich hat man damals auch damit geprahlt, dass bei der ganzen Aktion eine riesige Ermittlung vorausgegangen ist, mit 600 Polizeibeamten und 40 Gebäuden unter ständiger Überwachung. So gesehen ist die Abschaffung der VDS tatsächlich sogar ein Gewinn für unsere Sicherheit. Dann dürfen wir uns wieder über gut organisierte Ermittlungsaktionen freuen und IP-Listen-Rasenmäher-Fehlschläge wie die Operation Himmel (ja ich weiß, war auch vor der VDS), gehören dank datensparsamer Provider hoffentlich endgültig der Vergangenheit an.
Aber auch der BDK kriegt sein Fett weg:
Es wächst jedoch die Skepsis, ob es dazu kommen wird. In zwei von drei Fällen sei die Polizei bei ihren Ermittlungen inzwischen auf Vorratsdaten angewiesen. sagte Klaus Jansen.
Wir erinnern uns dran, dass die Vorratsdatenspeicherung nur für besonders schwere Fälle von Superkriminalität herhalten sollte? Heißt das jetzt zwei Drittel aller Vergehen in Deutschland sind Terrorakte, organisiertes Verbrechen, Menschenhandel und Kinderprostitution „im“ Internet? Aber Deutschland wäre ja nicht Deutschland, wenn wir da nicht über alles genaue Statistiken anfertigen würden. Werfen wir doch mal einen Blick in die Kriminalitätsstatistik des BKA und schubsen ein paar Zahlen. Da wird ersichtlich, dass es sich bei ca. 60% der Fälle um Taten der Kategorien „Diebstahl“ oder „Vermögens- und Fälschungsdelikte“ handelt. Und jetzt erzähl mir bitte keiner, dass das alles geldfälschende Terroristen sind. Aber hey, schauen wir doch mal in die ganz harten Kategorien. „Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit“, wozu Geschichten wie Kinderhandel gehören, machen immerhin noch fast 13% der Straftaten aus. Ok, der Großteil davon sind die guten alten Körperverletzungen, aber die Unterkategorie „Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ mit dem Kinderhandel macht immerhin noch 3% aus,… die fast ausschließlich aus Stalking, Bedrohung und Nötigung bestehen. (Kinderhandel gab es übrigens 11 Fälle).
Aber genug Zahlen verdreht. Langer Rede kurzer Sinn, entweder lügt uns Herr Jansen schamlos ins Gesicht oder die Vorratsdaten wurden seit geraumer Zeit massiv missbraucht. Meiner Erkenntnis nach ist es wohl von beiden etwas. In unseren Kreisen ist jedem klar, dass man Terroristen nicht mit Vorratsdaten fängt, von Autofahrern die auf der linken Spur drängeln ganz zu schweigen. Was wird da also überhaupt angefragt. Nun hier kann ich aus erster Hand folgendes berichten: Eine ganze Zeit lang stand meine Telefonnummer als Kontankt auf der Webseite des LV Bayern, dem ich ja mal vorsitzen durfte und da kamen öfters Anfragen wegen IP-Auskünften, da dort ja ein Anonymisierungsserver betrieben wird. Natürlich konnten wir keine Auskünfte geben, aber bei allen Anfragen, bei denen ich rausfinden konnte um welche Art von Vergehen es sich handelte, kam als Antwort: „ebay-Betrug“. Also liebe Leute, passt auf wem ihr bei ebay Geld überweist, ohne die VDS seid ihr da jetzt im rechtsfreien Raum.
1 Kommentar
2010-03-03 um 2:55 pm
Aus für Vorratsdatenspeicherung – Warnung vor Sicherheitsrisiken
[…] darauf hin, dass mittlerweile in zwei von drei Fällen die Polizei bei den Ermittlungen auf die Vorratsdatenspeicherung angewiesen ist. Aber auch die Europäische Kommission begrüßt das jüngste Urteil über die […]