Es hat sich ja schon angebahnt, dass Wikileaks etwas großes in der Pipeline hat. Und so wurde gestern auch etwas brisantes veröffentlicht, nämlich das Bordvideo eines Apache-Helikopters, der 2007 im Irak eine Gruppe von Journalisten angegriffen und getötet hat. Das Video hat zumindest im Netz für einigen Wirbel gesorgt, in den Holzmedien und im TV ist es leider nicht wirklich von Interesse gewesen.

Was mir bei aller Brisanz des Themas allerdings überhaupt nicht gefallen will, ist die Tatsache, wie mit den beteiligten hier umgesprungen wird. Versteht mich nicht falsch, die Tötung von Nichtkombattanten ist sicher alles andere als ein Pappenstiel, aber dennoch sollte man die Angelegenheit durchaus sachlich sehen. Ich habe mir gestern mehrmals das komplette Video angesehen ohne irgendwelche Kommentare zu lesen oder ähnliches. Danach dachte ich zuerst es geht primär um die zwei verletzen Kinder. Ich hab auf den Aufnahmen ehrlich gesagt zuerst genau das gesehen, was im Funkverkehr erzählt wurde. Natürlich liegt es daran, dass ich nicht wirklich etwas erkannte und meine Wahrnehmung den Rest aus dem Funkverkehr zusammengebraut hat. Erst als ich ein paar Kommentare und Blogs las und das kommentierte Video sah, verstand ich worum es ging.

Was will ich damit sagen? Obwohl ich gerne „Killerspiele“ zocke, Bücher von Tom Clancy lese und „Das dreckige Dutzend“ für einen tollen Film halte, verstehe ich mich selbst durchaus als (rationalen) Pazifisten. Aber Soldaten als Mörder zu bezeichnen finde ich nicht richtig. Klar, die Soldaten haben Fehler gemacht, keine Frage. Aber ich war noch nie in einer solchen Kriegssituation, ich habe keine Ahnung wie viel man aus einem fliegenden Apache erkennt, ich weiß nicht wie schnell man im Feld Entscheidungen treffen muss. Ich habe mir zuhause in alle Ruhe ein Youtube-Video angeschaut und ich empfinde mich dadurch in keinster Weise in der Lage über die Soldaten zu urteilen, völlig unabhängig davon für wie falsch ich die politischen Entscheidungen ihrer Regierung halte.

Sagen wir es also wie es ist: Wenn man Soldaten in einen Krieg schickt, dann töten sie Menschen und es sind nicht immer die „richtigen“, die sie treffen. Der Skandal ist also nicht, dass es einen Vorfall gab, den man lieber vermieden hätte, sondern die Tatsache, dass das Militär diesen Vorfall vertuscht hat. Als Reuters Aufklärung verlangte, wurde das jetzt von Wikileaks veröffentlichte Material unter Verschluss gehalten. Deswegen muss man Wikileaks hier großes Lob aussprechen. Natürlich wäre allerdings eine vorbehaltlose, zeitnahe Aufklärung notwendig gewesen, insbesondere um zu erkennen, wie man solche Vorfälle in Zukunft vermeidet.

Schuldzuweisungen sind in diesem Zusammenhang natürlich alles andere als produktiv. Leider ist es natürlich so, dass der Shitstorm, den die Leute, die jetzt sofort wieder von „Mord“ sprechen, hier lostreten, nicht wirklich dazu beiträgt die Gegenseite zur Transparenz zu motivieren. Wäre ich jetzt im Militär und nicht in einer Bürgerrechtspartei, würde ich es mir wohl auch drei mal überlegen ob ich eine öffentliche Debatte unterstützen will, wenn sie sowieso nur auf Flamewar-Niveau geführt wird. Auch ist es vollkommen sinnfrei, die politische Diskussion über Militäreinsätze jedes mal wieder aufzurollen, wenn Zivilisten sterben. Das heißt natürlich nicht, dass die Tatsache, dass Zivilisten sterben kein Argument in der Debatte sein kann, aber keiner braucht so tun als hätte er das nicht vorher gewusst.

Fazit: Staatliche Transparenz ist noch lange nicht auf dem Niveau auf dem sie sein müsste, deshalb spielen Whistleblower in diesem Zusammenhang auch heute noch eine entscheidende Rolle. Aber Mailinglistenpolemik bei der Diskussion brisanter Themen wirkt auf das Ziel mehr staatliche Transparenz durchzusetzen nur kontraproduktiv.

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