Wie wenig Ahnung manche Leute von den neuen Medien haben, wird immer wieder bei sinnlosen Forderungen deutlich. Ganz vorne spielt da immer wieder die ein oder andere Polizeigewerkschaft mit. Heute ist mal wieder der BDK dran, mit seiner Forderung nach einem Notrufknopf fürs Netz. Ok, ich will das Projekt um das es da geht gar nicht mal schlecht reden. Gegen Informationsportale und gut ausgebildete Polizisten habe ich nichts. Aber die Idee dieses Notrufknopfs ist vergleichsweise lächerlich.
Das Problem ist doch nicht, dass die Bürger nicht gewillt oder fähig wären Seiten mit illegalen Inhalten zu melden. Das Problem steckt dahinter in der Rechtslage und der Organisation der Polizei. Da bleibt schon allein die Frage der Zuständigkeit. Immer wieder wird davon berichtet, dass Personen verdächtige Seiten melden und niemand sich dafür zuständig fühlt. Aus diesem Grund möchte in an dieser Stelle zumindest einmal die Einrichtung einer Clearingstelle explizit begrüßen.
Leider macht der „Panic“-Button die Clearingstelle wieder ziemlich schnell obsolet. Eine gewisse Hürde bei der Meldung muss auf jeden Fall vorhanden sein. Die Clearingstelle hat keine Chance sich um die richtigen Probleme zu kümmern, wenn täglich 600 mal 4chan gemeldet wird, weil wieder jemand einen Gore-Thread aufgemacht oder eine flachbrüstige Pornodarstellerin mit Zöpfchen und Teddybär gepostet hat. Natürlich ist es wieder eine sehr gute Gelegenheit große Zahlen in die Presse zu schreien, frei nach dem Motto „täglich werden bei der Clearing-Stelle 2000 Webseiten mit illegalen Inhalten gemeldet“. Aber solche Intentionen hat sicher niemand mehr. Dass aus künstlich generierten Verdachtsfällen gleich mal ein 1000000%iger Anstieg der Fälle von Kinderpornographie gemacht wurde, war sicher ein Alleingang von Zensursula.
Und hier haben wir eines der nächsten Kernprobleme in diesem Zusammenhang. Die Ermittlungsbehörden und auch Vereine wie der BDK haben sich durch ihre ständige Überwachungspropaganda jegliches Vertrauen verspielt. Das letzte was ich tun würde, ist mir eine Software, die dann am besten vielleicht noch vom BKA herausgegeben wird, auf meinem Rechner zu installieren um dann per Knopfdruck irgendwelche Daten von meinem Rechner denen auf dem Silbertablett zu servieren. Insbesondere wenn ich tatsächlich einmal über die beschworenen Massen von Kinderpornographie, die durchs Netz geistern, stolpern sollte, wäre das letzte was ich tun würde den Button zu drücken, da ich mich nach deutschem Recht an dieser Stelle grundsätzlich bereits strafbar gemacht habe! Ab wann wird eigentlich der Bundestrojaner gleich mit der webpatrol-Software zusammen ausgeliefert? Microsoft und der Telekom-Konzern, die an dem Projekt mitarbeiten, sind übrigens auch keine Musterbeispiele für Vertrauenswürdigkeit.
Schließlich muss man auch noch mal in aller Deutlichkeit eines sagen: Was bringen Clearingstellen und Notrufknöpfe, wenn bei den Ermittlungsbehörden niemand einen Finger krumm macht? Was bringt es, Seiten mit Kinderpornographie zu melden, wenn das BKA sich weigert eine Takedown-Notice an den Hoster zu schreiben? Da ist es tausend mal intelligenter ich schreib den Hoster gleich selber an. An dieser Stelle möchte ich insbesondere darauf hinweisen, dass das BKA nach eigenen Aussagen über die Sperrlisten anderer EU-Staaten verfügt, es aber Alvar Freude war, der als erste die (veraltete!) dänische Sperrliste flächendeckend abgeräumt hat.
Fazit: Wir brauchen keine Buttons und keine Steuergelder die irgendwelchen Firmen für seltsame Projekte in den Rachen geschoben werden. Eine zuständige Clearing-Stelle mit einer Mailadresse und einem Webformular ist vollkommen ausreichend. Falls es Bedarf an Buttons oder sonst was gibt, schreibt sowieso jemand ein Firefox-Plugin. Das alles ist aber vollkommen nutzlos, wenn keiner was mit den Informationen, die gemeldet werden, anfangen kann oder will.
10 Kommentare
2010-04-07 um 9:54 am
piratsango
Clearingstelle klingt nach einer guten Idee, das sollten die Piraten vielleicht als Programmpunkt/Forderung übernehmen, man soll ja nicht sagen können wir würden nichts gegen illegale Sachen im Internet tun.
2010-04-07 um 10:15 am
Sabine Engelhardt
Wie toll sich die Polizei in der Praxis um die Anzeigen kümmert, habe ich vor wenigen Jahren erfahren: Man ließ eine Strafanzeige gegen einen Internet-Stalker einfach so lange liegen, bis auch garantiert keine IP-Adressen mehr beim Provider rückverfolgbar waren. Zwei Monate nach Einreichung der Anzeige holten die Beamten erstmals die Protokolle von meinem Server.
Und organisierte Kriminalität wie der Betrieb Abzockseiten incl. Spam-Versand und Telefonspam wird, ganz offiziell, gar nicht erst verfolgt. Ich vermute, weil die Abzocker ja immer noch Gewerbesteuer zahlen. Presseerklärung der Polizei NRW nach mehrfacher Meldung einer solchen Firma in Düsseldorf:
http://www1.polizei-nrw.de/presseportal/behoerden/alle-behoerden/article/meldung-080408-154731-51-172.html
Gruß, Frosch
2010-04-07 um 8:05 pm
Notrufknopf für Internetseiten « 11k2
[…] Notrufknopf für Internetseiten Konzepte aus dem (frühen) 20sten Jahrhundert, schlecht umgesetzt: Die rein populistische Idee, einen Notrufknopf für Internetseiten einzuführen, damit irritierte Bürger bei unverlangter Kinderpornografie (oder schlimmerem) die Polizei alarmieren können, gerät in die Analysemaschine von Pirat Andi Popp. Nein, natürlich bleibt keine physikalisch nachweisbare Substanz übrig. Nur heisse Luft. Gut geschrieben, lest selber: ( andipopp) […]
2010-04-08 um 7:08 am
rgb_freak
um amokläufe vorzubeugen, sofern diese bspw. über einen webchat verkündet werden, finde ich die idee mit dem notrofbutton eigentlich eine gute sache. zumindest besser als killerspiele zu verbieten!
wenn diese software opensource ist und man nachvollziehen kann, was genau übermittelt wird also somit die transparenz gewährleistet wäre, wäre ich dafür.
natürlich hast du vollkommen recht, das man der politik greifbare zahlen in die hand geben würde. und auch, das die erfassungsbehörde, wer auch immer dann die „anzeigen“ entgegennimmt, vermutlich hoffnungslos überlastet sind. dafür müsste man noch eine bessere lösung ausarbeiten.
2010-04-08 um 8:24 am
Andi
Schon möglich, aber was soll der Button da bringen? Übertrag ich damit nur die URL, dann kann die Clearingstelle damit gar nichts anfangen. Ich muss ja irgendwie die Chat-Inhalte mitübertragen, aber da wäre ich ehrlich gesagt sehr vorsichtig, wer weiß was ich vorher in vermeindlicher Anonymität oder Privatssphäre selber so alles gechattet habe. Dann selektier ich die Inhalte lieber selbst. In dringenden Fällen (wenn ein Chat-Teilnehmer glaubwürdig darstellt, dass er jetzt gleich in seiner Schule um sich schießen wird) würde ich sowieso direkt die 110 wählen.
2010-04-08 um 1:40 pm
rgb_freak
soweit ich da im bilde bin, sollte mit klick auf den button ein screenshot übertragen werden… wobei das natürlich bei einem längeren chat auch nicht viel helfen würde… ja ok. ich sehs ja ein.. so ein button ist kacke 🙂 ein hoch auf den 30.02.1984 ^^
2010-04-08 um 9:44 am
thebrainmaster
Hi Andi ich hoffe mal dein Panic Bild ist frei nutzbar… 😉
2010-04-08 um 1:36 pm
Andi
Ich habs ehrlich gesagt bei getdigital.de geklaut, aber nachdem die Jungs dort uns eigentlich sehr wohl gesonnen sind und ich nicht damit rechne, dass die mich ohne Vorwarnung abmahnen, hab ichs einfach mal ungefragt übernommen.
2010-04-08 um 5:27 pm
Philipp
Du hast Dir ja nicht mal die Mühe gemacht, den Dateinamen zu ändern 😉 Ist aber schon OK. Ne kleine Quellenangabe mit Link würde uns aber natürlich trotzdem freuen 🙂
2010-04-09 um 9:57 am
Andi
Bitteschön 🙂 Mich würd ja interessieren, ob die ganzen Leute die mich gefragt haben wo man den Button kaufen kann, auch alle brav bestellt haben. Ihr müsst mir auch keine Provision zahlen 😛