Heute mal ein erster Artikel in einer frisch eingerichteten Kategorie „Metaphern“. Metaphern sind in unserem politischen Bereich sehr weit verbreitet, schaut euch nur mal den Vortrag von Maha auf der re:publica an. Ich nutze Metaphern eigentlich selbst sehr gern, wenn auch etwas ausführlicher und begründeter und nicht so schlagwortartig. Aber nicht alles was hinkt ist ein Vergleich und das was das so von manchen Leuten kommt hinkt gewaltig. Aus diesem Grund will ich mir in dieser Kategorie hin und wieder ein oder zwei Metaphern herauspicken und ihnen auf den Zahn fühlen.
Heute sind zwei Metaphern aus der Kategorie der Verkehrsmetaphern an der Reihe.
Verkehrsregeln für das Netz
Ähnlich wie auf den Finanzmärkten brauche man mittelfristig „Verkehrsregeln im Internet“: „Sonst werden wir dort Scheußlichkeiten erleben, die jede Vorstellungskraft sprengen“, meinte de Maizière.
Thomas de Maizière, damals Kanzleramtsminister, heute Innenmister (Qulle: heise.de)
Was sind Verkehrsregeln? Im Straßenverkehr hat man ein einfaches Problem: Es wird schnell gefahren und es ist gefährlich. Aus diesem Grund ist der Sinn von Verkehrsregeln, dafür zu sorgen, dass die Verkehrsteilnehmer möglichst sicher dort ankommen wo sie hin wollen. Es gibt Regeln die das Belegen von Straßenabschnitten klären, wie Ampeln oder Einbahnstraßen, und Sicherheitsregeln die Kollisionen vermeiden oder ihre Auswirkungen begrenzen sollen, wie z.B. Geschwindigkeitsbegrenzungen. Am besten vergleichbar sind Verkehrsregeln im Internet eigentlich mit Netzwerkprotokollen und die gibt es schon sehr lange.
Was de Maizière und die meisten Leute die von „Verkehrsregeln“ sprechen eigentlich wollen, sind tatsächlich allerdings Inhaltsregeln. Die Metapher Verkehrsregeln soll lediglich die Akzeptanz für eben solche erhöhen. Wenn man allerdings versucht, Sachverhalte wie Websperren auf den Straßenverkehr zu übertragen, kommt man auf ganz krude Effekte. Es wäre als würde man ganze Städte absperren so dass keine mehr reinfahren darf (zumindest nicht über die Hauptstraße 😉 ). Wenn mans ein bisschen weiter spinnt, müsste man sich Vorschriften vorstellen, was man im Autoradio hören darf, welche Farbe das Auto haben muss, wen man mitnehmen darf oder welche Reifenmarke man nutzen muss um schneller fahren zu dürfen. Man sieht schon die Vorstellung von Inhaltsregeln auf den Straßenverkehr zu übertragen funktioniert nicht so richtig, aber sie sind sicher alles andere als Verkehrsregeln.IP
IP-Adressen als Nummernschilder im Netz
Ebenso technisch aber ist auch der Grund, warum überhaupt eine Diskussion um die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen geführt wird. Gibt es das Problem doch nur, weil der IP-Adressraum begrenzt ist, weil für jede Internetverbindung individuelle IP-Adressen neu vergeben werden, um das Maximum aus den zur Verfügung stehenden Zahlenkombinationen herauszuholen. Wäre jedem Computer eine eindeutige Identifikation zugeordnet, ein globales Nummernschild auf der internationalen Datenautobahn, gäbe es dieses Problem vermutlich nicht. Niemand käme auf die Idee, die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit und die Demokratie als gefährdet anzusehen, nur weil es Nummernschilder gibt. Und niemand würde in Zweifel ziehen, dass es Kontrollen und einen Sanktionsmechanismus für notorische Verkehrssünder geben muss.
Christian Sommer, GVU (Quelle: zeit.de)
Und hier eine weitere Verkehrsmetapher. Ja ist denn die IP-Adresse nicht das gleich wie ein Netznummernschild? Was ist der Sinn eines Nummernschildes? Ein Nummernschild dient zur Identifizierung des Fahrzeugs und eine IP-Adresse zur Identifizierung eines Hosts. Also ist es doch das gleiche, oder?
Der entscheidende Unterschied liegt darin wann und wie das Identifikationsmerkmal erfasst werden muss. Ein Nummernschild wird nur dann erfasst, wenn Regelverstoß auftritt (z.B. wenn man „geblitzt“ wird). Eine IP-Adresse hingegen ist primär eine Routing-Information. Es geht darum, dass die Pakete am richtigen Ort ankommen. Sie wäre wohl eher mit einer Haus- oder Telefonnummer vergleichbar als mit einem Nummernschild. Da die IP-Adresse für das Routing benötigt wird, muss sie natürlich bei jedem Hop vom Router erfasst werden. Dies ist von einer ganz anderen Qualität als ein Nummernschild. Ich hätte genauso ein Problem damit, wenn meine Adresse, der Absender, das Gewicht des Pakets und das Datum jedes Mal erfasst werden, wenn ich ein Paket kriege. Und da geht es überhaupt nicht um die Knappheit von Hausnummern.
Die flächendeckende Erfassung von KfZ-Kennzeichen sehe ich übrigens als genauso gefährlich an. Das Verfassungsgericht hat nicht umsonst eine anhaltslose Verkehrsüberwachung untersagt.