Bild: CC-BY-NC-ND corcordis.de

Da ist er rum, der 5. Bundesparteitag der Piratenpartei Deutschland. Mein Rücken bringt mich um, meine Stimme ist weg aber dafür habe ich jetzt wenigstens wieder acht Stunden am Stück geschlafen. Wird also Zeit mein Fazit des Bundesparteitags zu ziehen.

Zuerst möchte ich mich auch hier noch einmal für das Vertrauen bedanken, mich in meinem Posten im Bundesvorstand zu bestätigen. Ich hoffe ich werde dem trotz der supoptimalen Ausgangslage (mehr dazu unten) gerecht.

Im Großen und Ganzen haben wir ein paar ein paar Entscheidungen getroffen, die ich sehr begrüße, insbesondere die Ratifizierung des PPI-Beitritts und die Anerkennung der JuPis als offizielle Jugendorganisation der Partei. Ich will aber dieses Mal ausnahmsweise die negativen Aspekte in den Vordergrund rücken.

Die zunehmende Größe des Parteitags sorgt dafür, dass man zu immer weniger kommt. Das Motto lautete wie so oft: „Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.“ Es ist nichts neues, dass wir uns fast mehr darüber unterhalten wie wir tagen, anstatt tatsächlich zu tagen, aber so langsam erreicht es die kritische Masse, gerade am guten alten Samstagabend, wenn man sich eine Stunde darüber streitet, wie man die letzten 30 Minuten am besten nutzt. Hier sehe in zumindest den Bedarf, die GO so auszuarbeiten, dass die Versammlungsleitung die Möglichkeit hat den Ablauf zu glätten und den der Missbrauch von GO-Anträgen zu sanktionieren (z.B. durch Entzug des GO-Antragsrechts). Dazu müssen natürlich auch die sonstigen Anträge so gegliedert und vorausgewählt werden, dass man sie nicht erst per GO-Antrag dahin holen muss, wo sie hin sollen (z.B. durch Einführung einer Art Ablaufantrag). Hier haben wir sicher noch eine Menge Verbesserungsbedarf.

Nun aber weg vom Ablauf, hin zu den Ergebnissen des Parteitags. Zwei Punkte haben mich an dieser Stelle besonders getroffen. Der erste ist die Zusammensetzung des Bundesvorstands. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich habe kein Problem mit den gewählten Personen, das sind alles gute Leute sonst hätten sie sicher nicht so viele Stimmen hinter sich gebracht. Aber das aller erste, was wir festgestellt haben, war eine massive Überschneidung der Kompetenzen der Gewählten und das Fehlen von anderen. So ist auch dieses Mal wieder niemand im Vorstand, der sich um die Verwaltung kümmern möchte und ihr müsst wieder mit mir Vorlieb nehmen, der sich aber eben leider nur halbherzig um die Sache kümmern kann. Ich kann und werde natürlich versuchen zu delegieren, aber es ersetzt eben leider nicht den guten alten Bundesgeneralsekretär.

Und was ist der Grund? Auf die Frage nach meinem größten Fail, müsste ich nun wohl antworten, dass ich den Satzungsänderungsantrag durchgebracht habe, der diese generischen Beisitzer einführt. Denn wie sich nun zum zweiten Male heraus stellte, scheint es dem Bundesparteitag wichtiger zu sein, möglichst wenig Abstimmungen zu machen, anstatt sich wirklich um die sinnvolle Zusammensetzung des Vorstands zu bemühen. „Lasst den Bundesvorstand es halt unter sich ausmachen“ ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Für die Arbeit im Bundesvorstand braucht man gewisse Erfahrung über die Strukturen denen man sich innerhalb der Partei annehmen will. Und als Vorstand fühlt man sich halt ins kalte Wasser geworfen, wenn drei Leute das gleiche machen wollen und sich zwei davon nun plötzlich mit etwas völlig anderem beschäftigen müssen. Ich glaube, dass wir das hinkriegen werden, wir haben es letztes Jahr schließlich auch geschaft, aber die Voraussetzung sind wirklich alles andere als optimal.

Das zweite was mich ehrlich gesagt etwas niedergeschlagen hat war, dass mein Programmtrennungsantrag so knapp an der 2/3-Mehrheit scheiterte. Ich glaube, dass es unsere programmatische Arbeit massiv zurückwirft. Es bringt nichts über Inhalte zu diskutieren, wenn wir uns nicht einmal einig sind, wo der grundsätzliche Weg hingeht. Dennoch scheine ich die Mehrheiten wohl falsch eingeschätzt zu haben. Ca. 450 zu 250 Stimmen ist zwar eine dicke Mehrheit, aber sie reicht eben (zum Glück) nicht aus um unser Grundsatzprogramm zu ändern. Die Frage die ich mir nun stellen muss ist: Ist das Thema damit passé? Es war zumindest eine sehr klare Mehrheit der Anwesenden, die diesem Antrag zustimmten. Ich habe bei dem einen oder anderen Einzelgespräch versucht, die Intention der Leute, die dagegen gestimmt hatten, zu erfahren. Ich habe dabei im Wesentlichen drei Gründe heraushören können:

  • Es gibt Leute, die grundsätzlich gegen eine Erweiterung des Grundsatzprogramms sind und eine Programmtrennung deshalb für nicht zielgerichtet halten. Diese werden wir nicht überzeugen können.
  • Es gibt Leute, die zwar für die Programmtrennung sind, aber Probleme mit der Präambel haben. Im Vorfeld hatten sich leider nicht viele Leute in der Antragsfabrik an der Ausarbeitung der Präambel beteiligt und ich dachte nicht, dass diese wirklich für irgendwen wahlentscheidend ist. Ich schätze diese Menge auch als sehr klein ein, aber die Entscheidung war denkbar knapp. Ich hoffe die Präambel demnächst in Liquid Feedback ausarbeiten zu können.
  • Andere sind für eine Erweiterung des Grundsatzprogramms, wollen aber, dass alle Themen gleichrangig sind.

Ich glaube, letztere sind diejenige, die es zu überzeugen gilt. Einige schienen zwar bereits am Ende des Parteitags überzeugt, aber wer weiß wer das nächste Mal anreist. Der Effekt ist nämlich, dass fehlende Kompromissbereitschaft hier den Stillstand auslöst. Anstatt gleichberechtigte, neue Themen im Grundsatzprogramm, haben wir nun halt keine. Dies würde mich zwar grundsätzlich nicht stören, da meine wichtigsten politischen Interessen bei den PIRATEN bereits jetzt zu 95% gedeckt sind, aber ich glaube es löst bei vielen anderen Frust aus, da die Mehrheit wohl tatsächlich auch politische „Standard-Themen“ beackern möchte.

Ich glaube die meisten haben gesehen, dass es eigentlich viel zu früh ist, die Frage nach den Inhalten einer Erweiterung zu stellen, sondern dass wir zuerst ein grundlegendes Konzept brauchen. Ich will nicht sagen, dass es meines sein soll. Ich würde gerne auch andere Konzepte sehen. Aber mit dem Status Quo treten wir nun auf der Stelle.

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