Ich werde immer noch nicht wirklich schlau aus unseren Polizeigewerkschaften. Irgendwann mal dachte ich, endlich durchblickt zu haben, welcher dieser Vereine welche Ziele verfolgt, da kommt wieder alles anders. Während die GdP sich in der Vergangenheit als Überwachungslobby outete und unbedingt die Vorratsdatenspeicherung zurück haben wollte, ist es diesmal die DPolG die einen Internetpranger haben will und die GdP bringt es wiederum genau auf den Punkt, dass Pranger ein Phänomen des Mittelalters bleiben sollten. Doch schauen wir uns das Problem noch einmal im Detail an.
Die Frage entzündet sich an der notwendigen Neuregelung der Sicherungsverwahrung in Deutschland, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung gekippt hatte. Was macht man nun also mit Straftätern, deren Haft verbüßt ist, von denen aber noch ernsthafte Gefahr ausgeht? Auch wenn das viele meiner Stammleser jetzt vielleicht nicht gerne hören, aber die Frage ist durchaus berechtigt.
Die Ideen lassen sich grob folgendermaßen zusammenfassen: Die Union scheint an der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festzuhalten und das Urteil gekonnt umschiffen zu wollen. Unsere liberale Justizministerin scheint dagegen auf elektronische Fußfesseln zu setzen und die DPolG meldet sich nun mit der Idee des Internetprangers zu Wort.
Bei der ganzen Debatte sollte man allerdings Bedenken, auch Straftäter sind Menschen und haben entsprechend Menschen- und Bürgerrechte. Hier gilt allerdings natürlich der Freiheitsgrundsatz »Die Freiheit des einen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt«. Wer sich also schon einmal eines schweren Verbrechens schuldig gemacht hat, muss sich die Einschränkung seiner Recht gefallen lassen.
Wichtig ist dabei als aller erstes, dass man den Punkt des »schweren Verbrechens« genau definiert. Hier haben wir schon einmal die erste Schieflage. Häufig wird von »Sexualstraftätern« gesprochen, woran man sieht, dass sich hier die Sex-Offender-Datenbank der USA zum Vorbild genommen wird. Dies sollte man allerdings schnell wieder verwerfen. Diese Datenbank macht nichts anderes als die Hysterie zu bedienen, die bei einigen Amerikanern durch die Verschmelzung ihrer beinahe krankhaften Prüderie mit der nicht ganz so unnachvollziehbaren Angst Opfer einer Straftat zu werden, gewachsen ist. Den Titel des Sex Offenders verdient man sich in den USA heute bereits schon für einfaches Sexting, was dazu führt, dass sich diesen Titel in den USA jetzt primär Minderjährige einfangen.
Gehen wir also davon aus, wir hätten eine sinnvolle Definition dessen, was also schweres Verbrechen gilt, schauen wir uns also die oben aufgeführten Vorschläge an.
Die Sicherungsverwahrung an sich ist ja nicht einmal die schlechteste Maßnahme, sie hat in Deutschland nur Auswüchse angenommen, welche jenseits von Gut und Böse anzusiedeln sind. Thomas Darnstädt kommentiert bei SPON eigentlich sehr passend, wo das Problem liegt. Der Sinn der Haft ist nicht (allein) der Schutz der Öffentlichkeit vor Straftätern. Jeder Straftäter verdient nach der Verbüßung seiner Haft eine neue Chance, denn die Resozialisierung von Straftätern ist in unserer Gesellschaft explizit gewünscht. Die Sicherungsverwahrung darf nur dann angewendet werden, wenn stichhaltige Fakten schließen lassen, dass von der Person eine Gefahr ausgeht. Nur dann darf der Staat auch in seiner als Gefahrenabwender tätig werden, so sieht es auch die Europäische Menschenrechtskonvention vor. Keinesfalls darf der Staat präventiv strafen oder präventiv Grundrechte zur Gefahrenabwehr aushebeln, nur weil von einer Person eventuell (noch) eine Gefahr ausgehen könnte.
Der nun von der DPolG und von Unionspolitikern geforderte Internetpranger geht einen anderen weg. Wenn man die Straftäter schon nicht komplett aus der Gesellschaft entfernen kann, so will man wenigstens, dass die braven Bürger wissen, was für ein gefährlicher Mensch jetzt in ihre Gegend gezogen ist. Diese Maßnahme macht aber nichts anderes als Hysterie zu schüren. In der Bundesrepublik kann dies sowieso keinen Sicherheitsgewinn bringen. In den USA spielt man vielleicht immer noch mit dem Gedanken, dass jeder Bürger seine Familie mit seinem kompletten Waffenarsenal beschützen soll, aber hier in Deutschland gilt das Gewaltmonopol des Staates. Wenn also von einer Person nachweisbar eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht, so hat mich die Polizei vor ihm zu schützen, wenn nicht, so hat sie ihn in Ruhe zu lassen.
Unsere Frau Ministerin versucht mit ihrer Fußfessel den Mittelweg zu gehen, aber das ist ein fauler Kompromiss. Der Verbrecher wird zwar freigelassen, befindet sich dennoch weiter in Überwachung, nur halt nicht durch die Öffentlichkeit, sondern durch die Behörden. Auf den ersten Blick vielleicht eine gerechtfertigte Einschränkung seiner Grundrechte, auf den zweiten Blick aber ein Placebo. Wenn von der betreffenden Person tatsächlich eine Gefahr ausgeht, so ist die Überwachung nicht in der Lage eine Straftat zu verhindern, genauso wenig wie Kameras. Für eine wirkunsglose Maßnahme dürfen aber Grundrechte aus Prinzip nicht eingeschränkt werden.
Von diesen drei Maßnahmen ist also nur eine angemessen. Die Sicherungsverwahrung für Personen von denen unzweifelhaft Gefahr ausgeht. Einige werden jetzt sagen, dass bringt doch nichts, denn wir haben ja schon gesehen, dass Kinderschändern denen Heilung bescheinigt wurde, wieder rückfällig wurden. Vielleicht hilft es, wenn man sich einfach mal die Frage stellt, ob es wirklich weniger schlimm ist, wenn ein bisher unaufälliger Mensch ein Kind tötet. Denn klar muss sein: Die totale Sicherheit gibt es nicht, nicht einmal in einem goldenen Käfig.
5 Kommentare
2010-08-09 um 4:04 pm
korbinian
Die Sicherungsverwahrung wie sie bisher gehandhabt wurde ist vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gekippt worden, sie kann in dieser Form zumindest (zum Glück) nicht mehr durchgeführt werden. Mir ist völlig schleierhaft wie du eine PreCrime Inhaftierung unterstützen kannst. Die anderen Vorschläge mit Fußfesseln und Pranger gehen für mich auch gar nicht, v.a. weil Überwachung nicht für erhöhte Sicherheit sorgt. Der in meinen Augen sinnvollste Vorschlag kommt erstaunlicherweise von de Misère, der statt der präventiven Inhaftierung eine Unterbringung in geschlossenen Heimen fordert. Solange diese nicht allzusehr einem Knast ähneln geht das auch konform mit dem Urteil und würde auch Mehrheiten in der FDP finden. Vielleicht habe Ich dich nur falsch verstanden, und du meinst genau das.
solidarische Grüße, Korbinian
2010-08-09 um 5:24 pm
Andi
Man muss IMHO sehr deutlich zwischen präventiver Inhaftierung und Gefahrenabwehr unterscheiden. Präventive Inhaftierung ist ein absolutes NoGo, wie ich bereits geschrieben habe.
Klar taugen geschlossene Heime für psychisch kranke und ob die Sicherungsverwahrung jetzt im Heim oder im Knast statt findet ist ein Detail, aber im Kern handelt es sich um einen Freiheitsentzug und den scheinst du ja auch für gut zu heißen.
Man darf aber eben nicht vergessen, dass es noch ganz andere Personen gibt, von denen Gefahr ausgeht bei denen es nicht um Theraphie geht. Zwar werden hier ständig Sexualstraftäter angeführt, aber das darf eben nicht der Kern des Problems.
Aber wahrscheinlich hast du recht, dass man zwischen Haft und Gefahrenabwehr auch institutionell klar unterscheiden muss, da ja beide Maßnahmen nicht zusammenfallen dürfen.
2010-08-09 um 4:19 pm
Urban Pirate
@Korbinian copy that.
Ich halte Andis Vorschlag auch für alles andere als piratentauglich.
Klar muss es hier einen Kompromiss geben. Und da es hierbei auch tatsächlich in den meisten Fällen um tribegesteuerte Taten geht, die betroffen sind, bzw. dienentsprechenden Täter, ist doch das erste Ziel, diesen zu helfen. Betreute Heime, in denen sie vor sich selbst geschützt sind, könnten dem Abhilfe schaffen. Aber eben auch immer mit der Option, vielleicht doch irgendwann entlassen zu werden.
Der nicht-gefängnisartige Charakter dieser Heime muss betont werden denn nur weil man an einer scweren psychischen oder emotionalen Störung leidet, geht man seiner Menschenrechte nicht verlustig.
Aloha
2010-08-09 um 4:28 pm
Apropos Internetpranger
Wenn Piraten einen Internetpranger errichten, dann sieht das so aus:
http://onlinerache.de
Da kann man dann, mehr oder weniger anonymisiert, Geschichten über eine „Dorfmatraze“, eine “Zigeuner-Hure” oder „Menschenscheisse“ lesen.
Onlinerache.de ist eins der widerwärtigsten Portale, die ich kenne, errichtet von einem Piraten, als legitim und harmlos verteidigt von Piraten.
Damit will ich die Polizeigewerkschaften nicht verteidigen. Die sind schlimm, das stimmt. Aber die Piratenpartei muss erst mal die eigenen Probleme in den Griff bekommen, bevor sie Probleme bei anderen beklagt. Alles andere ist unglaubwürdig.
2010-08-10 um 7:38 pm
derda
„Onlinerache.de ist eins der widerwärtigsten Portale, die ich kenne, errichtet von einem Piraten, als legitim und harmlos verteidigt von Piraten.“
Ok, nur was können wir dafür?