Der „programmatische Parteitag“ kommt auf uns zu. Beim letzten Mal als wir so etwas anberaumt haben, kam die Katastrophe von Bielefeld dabei raus. Dieses Mal habe ich diese Befürchtungen nicht, aber dafür stehen wir immer noch vor einem anderen Problem. Es fehlt meines Erachtens immer noch einer Struktur für unser Parteiprogramm, die eine Erweiterung auf eine breite Basis stellt. In Hamburg beschlossen wir das Konzept der Programmtrennung, dessen Umsetzung in Bingen leider knapp an der 2/3-Mehrheit scheiterte (ca. 450 zu 250). Dies führte dazu, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Parteitagsteilnehmer am Sonntag achmittag bei den meisten Programmanträgen auf »Autoablehnung« geschaltet haben (um mal mit Liquid-Feedback-Termen zu sprechen). Das Problem besteht natürlich weiterhin. Derzeit gibt es in Liquid-Feedback zwei Initiativen, die ihm Herr werden wollen.

Die erste ist meine Initiative zur Neuauflage des Programmtrennungsantrags. Hierbei geht es explizit darum, die strittigen Punkte des alten Antrags zu beseitigen. Ich hoffe weiterhin auf die Mitarbeit aller, insbesondere im Bereich »Anregungen«.

Der zweite Antrag, der mit diesem Anspruch ins Rennen geht, ist von Sebastian Nerz. Er beschäftigt sich insbesondere mit der Fristigkeit und Flexibilität unseres Programms und zeigt dabei einige sehr interessante Probleme auf. Ein Grundsatzprogramm muss auf lange Frist angelegt sein und stabil bleiben, es kann nicht ständig geändert werden. Dagegen muss man sich als Partei auch mit politischen Alltagsfragen befassen, auch wenn keine Wahlen anstehen. Wie schafft man das?

Die eigentliche Frage, nach dem Verhältnis von Kernthemen und erweiterten Themen sehe ich durch Sebastians Vorschlag allerdings immer noch nicht beantwortet. Die Idee ist ja, dass das Grundsatzprogramm quasi das »Kernprogramm« darstellt und das fortlaufende Programme quasi das »Erweiterte Programm«. Ich denke dies wird beiden Seiten nicht gerecht. Die Befürworter erweiterter Themen werden nicht gewillt sein, darauf zu verzichten auch Grundsatzfragen zu klären und müssen es meiner Meinung nach auch gar nicht. Die Kernthemen wiederum brauchen auch eine fortlaufende Bearbeitung und sollten deshalb auch im fortlaufenden Programm enthalten sein.

Die große Schwierigkeit sieht man in der Frage des Wahlprogramms. Mit diesem präsentieren wir uns dem Wähler. Das Verhältnis von Kernthemen und Erweiterten Themen ist darin allerdings immer noch nicht geklärt. Wir müssen uns klar machen: Je mehr Forderungen wir im Wahlprogramm umsetzen wollen umso größer wird der Anteil der Abstriche sein, den wir machen müssen wenn es hart auf hart kommt. Wollen wir wirklich wie die FDP hergehen und ein enorm breites Wahlprogramm aufstellen, die Wähler zu ködern und diesen dann mit »unser gesamtes Wahlprogramm ist verhandelbar« in den Rücken fallen? Wir stehen für Transparenz und sollten dem Wähler deswegen klar machen, wo unserer Prioritäten liegen. Oder gibt es wirklich Piraten die bereit sind, der Vorratsdatenspeicherung zuzustimmen um kürzer Laufzeiten für Atomkraftwerke zu erreichen?

Bisher sehe ich also die Programmtrennung als einzig sinnvolle Lösung. Das Schöne an den beiden Anträgen ist aber meiner Meinung nach: Sie sind vollkommen kompatibel ohne von einander abzuhängen. Ich kann immer noch das Grundsatzprogramm immer noch anders gliedern, auch wenn Sebastians Antrag durchkommt und wir plötzlich auch andere Programme haben. Und ich kann immer noch unterschiedlich flexible Programme aufbauen, ohne das Grundsatzprogramm umzugliedern. Deswegen haben auch beide Initiativen meine (potentielle) Unterstützung.