Ich habs doch getan. Ich hab mir die erste Folge von „Tatort Internet“ angeschaut. Es war schlimmer als ich dachte. Die Effekthascherei mit Schauspielern, die sich zu extrem suggestiv betonten vorgelesenen Chatzeilen vor dem Computer selbst über die Brust streicheln und symbolischen 12-jährigen, die vor der Webcam ihre Bluse aufreißen, löste bei mir schon beinahe einen Brechreiz aus. Die vollständig aus der Luft gegriffenen Behauptungen von Steffi zu Guttenberg und die Schadenfreude der sog. Journalisten, deren Erregung, wenn sie sich die Motive des Täters zusammenfantasieren, mit der Hand zu greifen war, fielen da schon fast nicht mehr ins Gewicht. Dennoch bin ich an einer Stelle hellhörig geworden, nämlich als Bismarcks Urenkelin ihre Forderungen präsentierte.

Als Udo Nagel traurig feststellte, dass die Ermittlungsbehörden keinen Anfangsverdacht aus dem Material, das aus Kraft-Schönings Schmierenkomödien gewonnen wurde, herauslesen konnten, musste ich grübeln. Stand Cyber-Grooming nicht unter Strafe? Ein Blick ins StGB half mir weiter:

Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

[…]

3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll, oder

4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.

Nun, das sieht doch ganz so aus als hätte ich doch recht, es ist strafbar. Warum fordert Stephanie zu Gutenberg also eine Änderung des Strafrechts. Ich nahm all meinen juristischen Laienverstand zusammen und ich glaube ich bin der Gattin unseres Verteidigungsministers ganz schön auf den Leim gegangen.

Explizit forderte sie nämlich, dass der Versuch sich an Kinder über das Netz ranzumachen strafbar werden muss. Wie wohl die meisten Zuschauer interpretierte ich dort hinein, dass also bereits das Cyber-Grooming, also der Versuch mit einem Kind sexuelle Handlungen anzubahnen, strafbar werden soll. Darauf stehen aber bereits bis zu fünf Jahren Haft. Klar, wenn es nach Frau von Weiler geht, sollte man fleißig mit der Höchststrafe Exempel statuieren, aber zum Glück haben wir noch einen Rechtsstaat. Wenn sie das Cyber-Grooming also nicht mehr unter Strafe stellen müssen, was will Innocence in Danger eigentlich dann?

Und hier schließt sich der Kreis zu Udo Nagels Feststellung von oben. Will Stephanie zu Guttenberg vielleicht gar nicht das Cyber-Grooming als versuchte Anbahnung des Kindesmissbrauchs unter Strafe stellen, sondern den Versuch zum Cyber-Groomings an sich? Kann es sein, dass durch die Strafbarkeit des Versuchs, die Handlung auch dann unter Strafe gestellt wird, wenn der Versuch vom Täter unter falschen Annahmen oder Vorraussetzungen durchgeführt wird? Sprich: Wird durch die Strafbarkeit des Versuchs plötzlich das Cyber-Grooming bei einer volljährigen Person, die sich für ein Kind ausgibt auch strafbar? Fordert sie vielleicht einfach nur eine rechtliche Grundlage für genau das, was wir in „Tatort Internet“ sehen? Hier würde ich gern mal ein paar Einschätzungen von Fachjuristen hören.

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