Gestern schlug ich (neben zahlreichen anderen Piraten) im Maximilianeum bei einer Diskussionsrunde über die Kulturflatrate auf, die von der Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag ausgerichtet wurde. Ich stieß auf die Idee einer Kulturflatrate (nicht unbedingt unter diesem Namen) zum ersten Mal nach der Abschaltung von Napster. Die Idee fand in diversen Foren, Communities und was es sonst noch so gab großen Anklang. Ich kam auf das Thema, erneut Mitte 2007, als ich mich dem Gedanken spielte, bei den Piratn einzutreten. Das Bild dass sich damals zeigte, war schon deutlich anders. Die Skepsis war über die Jahre gewachsen. Das Zwangsabgabenmodell sah sich heftiger Kritik ausgesetzt. Viele erkannten, dass der Grundgedanke lediglichg war: Was nicht mehr auf dem Markt verkauft werden kann, das muss der Staat allen per Gesetz verkaufen. Die Idee der Kulturflatrate starb.
Nicht jedoch bei den Grünen. Die bringen das Thema seit einiger Zeit immer wieder ins Gespräch. Die Presse über den Netzpolitischen Kongress berichtete erst wieder von der „goldenen Lösung“ der Kulturflatrate, was bei mir eher Stirnrunzeln auslöste. Nicht zuletzt deswegen machte ich mich also auf den Weg nach München um zu sehen, wie es bei Grünen um die Kulturflatrate tatsächlich bestellt ist.
Das Podium war gut besetzt:
- Ulrike Gote, MdL, Medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag
- Dr. Gerd Hansen, Jurist, hatte sich bereits in seiner Dissertation intensiv mit Urheberrecht auseiander gesetzt
- Dr. Konstantin von Notz. MdB, Sprecher für Netzpolitik der Grünen
- Dr. Helga Trüpel, MdEP, die schon beim ersten Gutachten der Grünen zur Kulturflatrate involviert war
Man konnte also gespannt sein, welch geistes Kind die Grünen nun im Urheberrecht eigentlich sind. Es ging los mit einem Impulsreferat von Herrn Hansen, der aus juristischer Sicht kein gutes Haar an der Kulturflatrate lies. Es ging aus meiner Sicht zwar am Kern des (politischen) Problems vorbei, dennoch aber zumindest mal ein klarer Gegner des Modells. Frau Gote brachte auch ziemlich schnell auf den Punkt, dass sie damit nichts anfangen kann.
Bleiben also noch die beiden Diskutanten die mittig saßen. Hier ergab sich ein faszinierendes Bild. Frau Trüpel erklärte, dass sie nach anfänglicher Unterstützung das Modell nun ablehnt. Sie führt allerdings eher handwerkliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung als Problem an. Im Kern benutzt sie viel Vokabular der Content-Lobby. „Geistiges Eigentum“ und „Enteignung“ fällt in ihren Ausführungen mehrfach. Dagegen sprach sich von Notz als einziger auf dem Podium tatsächlich, wenn auch vorsichtig, für eine Kulturflatrate aus. Faszinierenderweise relativierte er diese Meinung den ganzen Abend und brachte nur Argumente dagegen. Die hätte ich kaum besser ausführen können. Auf meine (zugegebenermaßen etwas verwundene) Nachfrage, wer auf dem Podium denn nun für eine gesetzliche Kulturflatrate ist, bekam ich leider keine Antwort von von Notz.
Ich kann meinen Eindruck folgendermaßen zusammenfassen: Die Grünen scheinen gespalten zwischen Verfechtern des alten Copyright-Paradigmas und denjenigen, die eigentlich was dieses Thema angeht genauso gut bei den Piraten sein könnten. Die Frage ist: Wer setzt sicht auf Dauer durch? Die Kulturflatrate scheint aber keiner so richtig zu wollen. Wenigstens dort, scheint unsere Aufklärungsarbeit langsam Früchte zu tragen.
3 Kommentare
2010-11-17 um 9:19 pm
Slash
Und doch haben wir sie…
in Form der Urheberrechtspauschale… quo vadis, Gegenleistung ?
2010-11-18 um 1:16 pm
Podiumsdiskussion über Kulturflatrate der Grünen im Bayerischen Landtag | Under Skull and Bones
[…] Am Mittwoch luden die bayerischen Grünen zur einer Podiumsdiskussion zum Thema “Kulturflatrate” in den Landtag. Gefolgt sind diesem Ruf ungefähr 40 Gäste, darunter eine Handvoll Piraten, unter anderem Andreas Popp, der bereits von der Veranstaltung berichtete. […]
2010-11-18 um 2:25 pm
Julian Mehnle
Lieber Andreas, bei aller Liebe zu euren Positionen, die leider innergrün oft falsch verstanden und pauschal abgetan werden, muss ich doch anmerken, dass es nicht so sehr die Aufklärungsarbeit *der Piraten* ist, die zur Entwicklung sinnvoller urheberrechtlicher (und allgemein netzpolitischer) Positionen bei Grüns führt. Es gab in den letzten zwei Jahren hinter den Kulissen erhebliche Anstrengungen einer ganzen Reihe grüner Parteimitglieder, grüne Abgeordnete auf allen Ebenen zu sensibilisieren und aufzuklären. Dies ist nicht immer leicht gefallen, und euer 2%-Wahlerfolg bei der letzten Bundestagswahl hat uns auch erheblich dabei geholfen, bei unseren eigenen Leuten Gehör zu finden, aber es ist nicht so, dass die wirksame Aufklärungsarbeit vor allem von außerhalb Grüns käme.
Dass Konstantin von Notz an jenem Abend oberflächlich für die Kulturflatrate gestritten (und substanziell dagegen argumentiert) hat, hatte vor allem dramaturgische Gründe. Der (ungenannte) grüne Hauptverfechter einer gesetzlichen „Kulturflatrate“ nahm nunmal an der Veranstaltung nicht teil. 😉