Wo man hinsieht, gibt es Missstände. Diese Missstände sind im besten Fall uanppetitlich, im schlimmsten Fall tödlich. Der einzige Schutz sind Menschen, die auf diese Missstände hinweisen, sog. »Whistleblower«. Dies wird eindrucksvoll in einem Beitrag von Monitor [1] dargestellt. Die Frage die dort gestellt wird ist allerdings: Was passiert mit den Whistleblowern, wenn sie ausgewhiselt haben. Es wird der Fall des LKW-Fahrers geschildert, der den Gammelfleisch-Skandal aufdeckte. Er fühlte sich gemobbt und wurde schlussendlich entlassen. So sollte die Sache nicht laufen. Doch wie geht man mit Whistleblowern um?
Auch hierzu schwingt im Beitrag von Monitor eine Lösung mit. In Großbritannien gibt es ein Whistleblower-Gesetz, dass vor Kündigung oder anderen Repressionen schützen soll. Ich muss gestehen, ich kenne das Gesetz nicht, aber laut der Redaktion hätte es bedeutet, dass der Arbeitgeber unseres LKW-Fahrers hätte nachweisen müssen, dass die Kündigung nichts mit dem Whistleblowing zu tun hatte.
Viele Leser meines Blogs finden diese Regelung bestimmt gut und ich werde mir jetzt wahrscheinlich keine Freunde machen, wenn ich sage, dass ich sie bescheuert finde. Sie erinnert mich ein bisschen an das Fließtexteverstümmelungs… äh… das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Auch dort soll man dann irgendwie nachweisen, dass etwa die Ablehnung einer Bewerbung für eine Arbeitsstelle nicht wegen Geschlecht, Alter, Religion oder einem der anderen Kataloggründe ergangen ist. Ein solcher Nachweis ist nie brauchbar zu führen. Genauso wenig wie dass AGG verhindert, dass ein rassistischer Chef keine Ausländer einstellt, kann ein Whistleblower-Gesetz das Arbeitsklima zwischen Whistleblower und Arbeitgeber wiederherstellen.
Seien wir ehrlich, die Taten der Whistleblower sind lobens- und unterstützenswert. Aber man kann nicht erwarten, dass man in einem Betrieb, in dem man Misstände aufgedeckt hat, noch irgendwie glücklich wird, solange die Verantwortlichen – die im schlimmsten Fall die Eigner sind – noch im Sessel sitzen. Zumindest nicht wenn man diese Missstände von Talkshow zu Talkshow trägt.
Möchte ich als Whistleblower noch was von meinem Arbeitsplatz haben, so muss ich anders vorgehen. Lediglich die Anonymität schützt mich davor, Opfer von Repression zu werden. Was Wikileaks im Großen vor macht, gilt auch im Kleinen. Nur solange niemand weiß, dass ich es war, der die Missstände angeprangert hat, kann ich sicher sein, dass das Verhalten meines Vorgesetzten davon nicht beeinflusst wird. Und dieser Schutz ist genau das, was der Staat gewährleisten und unterstützen muss. Dass er genau das Gegenteil tut, indem wir jetzt z. B. wieder eine Vorratsdatenspeicherung bekommen und dazu lustigen Blödsinn wie zivilrechtlichen Auskunftsanspruch haben, ist das eigentliche Problem. Solange das nicht gelöst ist, ist ein Schutzgesetz nur ein kratzendes Feigenblatt.
[1] Ich hoffe wenigstens das PDF überlebt die Depublikation, mal schauen.
4 Kommentare
2011-01-17 um 6:38 pm
Parat
Ich stimme zu. Teilweise. Denn ich bin mir in den meisten Fällen nicht sicher, wie ich verhindern könnte, dass die Chef-Etage mitkriegt, wer der „Whisteblower“ ist.
Natürlich ist es andererseits klar, dass ein Gesetz wie dieses theoretisch viel effektiver ist, als es in der Praxis jemals sein könnte.
Dennoch bin ich der Meinung, dass ein solches Gesetz zum Schutz der „Whisteblower“ besser ist als gar nichts, weil es zumindest die (sehr geringe) Chance bietet sich gegen die meist korrupten bzw. verbrecherisch handelnden Individuen zu stellen.
2011-01-18 um 9:54 am
Andi
Besser als gar nichts natürlich (ich hab auch die Petition gezeichnet), die Reichweite ist dennoch sehr gering. Sicherung der Anonymität sollte das vordergründige Ziel der Befürworter von Whistleblowing sein.
2011-01-18 um 8:58 am
Guido Strack
Anonymität mag in manchen Bereichen eine Möglichkeit sein, in vielen ist sie dies aber nicht (insbesondere wenn es nur Zeugen aber keine Papierbelege für einen Vorfall gibt oder wenn – wie meistens – nur ein kleiner Personenkreis die Informationen hat und sofort klar wäre von wem es kommt).
Gesetzliche Regelungen sind auch kein Allheilmittel, da gebe ich Dir völlig recht. Was wirklich nötig ist ist ein kultureller Wandel, wir alle müssen unsere Einstellung zum Umgang mit Kritik und Fehlerhinweisen ändern! Um diesen zu erreichen ist ein klares Signal des Gesetzgebers pro Whistleblowerschutz und sogar pro Whistleblowingförderung aber sehr hilfreich und vielleicht sogar nötig.
Wer mehr über das Thema erfahren will sollte einmal bei http://whistleblower-net.de vorbeischauen.
Ach ja und aktuell gibt es auch eine E-Petition im Bundestag um deren Unterstützung ich bitte: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=15699
2011-01-18 um 9:25 am
lokielie
Schon allein die Logik zeigt doch, dass sich ein Arbeitsklima nicht gestzlich regeln lässt, wenn sie sich doch nicht mehr „mögen“ wollen.
Die gesetzlich garantierte und praktisch realisierte Wahrung der Anonymität sehe ich als einzige Möglichkeit.