Hätte man mich letzte Woche gefragt, wer das beliebteste Kabinettsmitglied im Netz ist, so hätte ich wohl ohne Unschweife geantwortet: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Doch diesen Titel kann sich die gute Frau wohl seit heute abschminken. Während sich die Justizministerin bisher noch strikt weigerte das Thema Vorratsdatenspeicherung überhaupt anzugehen, bevor feststeht was aus der EU-Richtlinie wird, prescht sie plötzlich mit einem eigenen Vorschlag vor. Das neue Eckpunktepapier zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Justizministerium geistert umher und was da drin steht, geht auf keine Kuhhaut.

Was sie dazu bewogen hat weiß niemand. Vertreter von Behörden und Überwachungsfanatiker aus der Union prangern schon seit langem eine Schutzlücke an, die eigentlich gar keine ist. Das was jetzt passiert, erinnert ein wenig an die Zeit vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Damals hatte man uns als Gegner immer gefragt, welche Alternativen wir vorschlagen würden. Thorsten Wirt hatte in Karlsruhe einem Pressevertreter damals sehr schön direkt geantwortet: »Die Alternative ist keine Vorratsdatenspeicherung.« Ein Rechtsstaat muss auch hinnehmen können, dass das Leben in der Gesellschaft sich nicht an potentiellen Strafermittlungen ausrichtet.

Eine Vorratsdatenspeicherung ist also genauso wenig eine undausweichliche Notwendigkeit, wie alle ihre Alternativen. Dennoch wird seit Beginn der Debatte der sog. »Quick Freeze« gerne als Alternative erwähnt. Dies bedeutet, dass bei begründetem Anfangsverdacht, die Verbindungs- und Bestandsdaten einer Person gespeichert werden können. Unter entsprechend hohen rechtsstaatlichen Hürden versteht sich. Das Justizministerium behauptet nun, eine solche Regelung etablieren zu wollen.  Dazu werden zwei Maßnahmen vorgeschlagen, die hier kurz betrachtet werden sollen.

Zum einen ist da die Bestandssicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten. Hier ist erst einmal ein Pluspunkt, dass nur auf solche Daten zugegriffen werden soll, die bereits anfallen. Die Erhebung zusätzlicher Daten wird also nicht angeordnet. Es soll lediglich eine Möglichkeit etabliert werden, diese Daten vor der Löschung zu »retten«. Dennoch muss man sich natürlich fragen, ob eine Sicherung von Daten die eigentlich gelöscht werden soll, soviel besser ist, als die Erhebung von neuen Daten. Aber immerhin handelt es sich ja nur um einen Quick Freeze, oder? Auch hier muss man leider widersprechen. Das Problem ist hier, die Unterscheidung in Datenspeicherung und Datenzugriff. Während letztere der rechtsstaatlichen Hürde eines Richtervorbehalts unterliegt, kann erstere von den Ermittlungsbehörden direkt angeordnet werden. Eine obskure Lächerlichkeit, die Polizei darf einem ja auch nicht die Bude einrennen, alles einsacken und sich dann einen richterlichen Beschluss für die Auswertung holen. Gerade die Justizministerin sollte wissen, dass sehr wohl die Speicherung das Problem ist und nicht etwa allein der Zugriff.

Ein anderer Punkt, der derzeit völlig unter dem Radar fliegt, ist das Anwendungsgebiet der Regelung. Erinnern wir uns zurück an die Diskussion zur Vorratsdatenspeicherung. Damals hieß es, sie wird ausschließlich zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingesetzt. Dass sie danach natürlich für jede Wald- und Wiesenermittlung genutzt wurde, ist kein Geheimnis. Doch dass jetzt schon die Justizministerin keinen Hehl draus macht, dass auch so schlimme Straftaten wie Steuerhinterziehung und Straftaten gegen den Wettbewerb ja eh schon zur Telefonüberwachung rechtfertigen und gleich mit in den Topf kommen können, ist schon beängstigend.

Nun gibt es neben dem Pseudo-Quickfreeze aber noch einen zweiten Absatz und der hat es in sich. Er trägt die schöne Überschrift »Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet« und ist – wie der Name schon vermuten lässt – eine Vorratsdatenspeicherung der IP-Bestandsdaten. Mit Quickfreeze hat das nichts mehr zu tun. Der einzige nennenswerte Unterschied zur alten VDS ist die Frist. Statt sechs Monaten stehen hier nun sieben Tage. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied und dürfte wohl dem ein oder anderen auch schon genügen. Dennoch geht es natürlich komplett am Problem vorbei. Die Unschuldsvermutung wird bei sieben Tagen genauso mit Füßen getreten, wie bei sechs Monaten. Der Überwachunsgdruck ist immer noch gegeben. Würde ich etwas zu Wikileaks hochladen, wenn ich Angst haben müsste schon morgen identifiziert zu sein? Die Argumente, die gegen die alte Vorratsdatenspeicherung sprechen, sind genauso auf die FDP-Version anzuwenden.

Wenn das umgesetzt wird, was in diesem Eckpunktepapier vorgeschlagen wird, sind wir zurück am Anfang. Das einzige was die kurze Speicherfrist ändert, ist, dass es schwieriger wird die Öffentlichkeit dagegen zu mobilisieren. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat die Bürgerrechtler damit eiskalt auflaufen lassen. Wenn selbst sie so einen Müll in die politische Diskussion wirft, muss man sich von der Bürgerrechtspartei FDP wohl endgültig verabschieden. Der einzige Lichtblick ist, dass man dies wohl am Ende der Legislaturperiode sowieso kann.

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