Ein skurilles Schauspiel hat sich heute morgen ereignet. Das beliebte Blog nerdcore.de war heute früh nicht mehr erreichbar, dafür twitterte sich René unter @nerdcoreblog in Rage. Was genau passiert ist, war eine zeitlang wohl ein Rätsel, aber Netzpolitik hat gerade ein Update gepostet. Wie es aussieht hat Euroweb – ein wohl reichlich kritisiertes Unternehmen – die Domain gepfändet, weil René ihre Abmahnung in den Wind geschrieben hat. Hier muss ich feststellen, dass ich durchaus aus allen Wolken falle. Es gibt in Deutschland Regelungen für alles mögliche, was nicht beschlagnahmt werden darf, darunter archaische Unterhaltungselektronik wie Fernseher und Radio. Aber anscheinend kann man eine Domain einfach so beschlagnahmen.
Und ich muss sagen, dass geht mir tierisch gegen den Strich. Die Altpolitik hat bisher schon erkannt, dass Domains mit Namens- und Markenrecht kollidieren. Aber sie haben es nicht geschafft mal über Beschlagnahme nachzudenken? René hat sich mit nerdcore eine Identität aufgebaut. Die Domain nerdcore.de wird immer mit seiner Person verbunden sein. Hier wurde ihm ein Teil seiner Persönlichkeit geraubt. Da ist eindeutig politischer Handlungsbedarf.
Funfact: Als ich mich fragte was Euroweb eigentlich so macht, habe ich irgendwo auf deren Webseite den Slogan »Wir bringen den Mittelstand ins Internet« gefunden. Unter anderem produzieren sie nach eigener Aussage auch Imagefilme. Das klingt schon lustig, wenn man sich etwas durchklickt und sieht, wie sie bisher ihr Image bei einigen Bloggern schon sehr stark strapaziert haben. Aber wenn man so einen Bock schießt wie den von heute, dann muss man allen (potentiellen) Kunden raten einen großen Bogen um dieses Unternehmen zu machen. Natürlich nur meine persönliche Meinung versteht sich.
Das Spiel bleibt auf jeden Fall spannend. Warten wir ab was noch so passiert.
Update: Wie die FAZ schreibt, ist wohl gegen René nicht nur eine Abmahung, sondern auch eine gerichtliche Verfügung ergangen. Da drauf nicht zu reagieren ist wohl sicher nicht das optimale Vorgehen, aber mir kommt schon leicht die Galle dabei hoch, wie die FAZ die Sache jetzt runterspielt. Nur weil man ein Gericht ignoriert, muss man sich nicht alles Gefallen lassen. Dem Kläger das Recht einzuräumen einem die Domain abzugreifen und den Blog abzuschießen ist eindeutig weit hinter der Schmerzgrenze.
7 Kommentare
2011-01-18 um 11:49 am
. . nutzloses zeug . . » Post Topic » nerdcore offline?! – [update3]
[…] René hat sich mit nerdcore eine Identität aufgebaut. Die Domain nerdcore.de wird immer mit seiner Person verbunden sein. Hier wurde ihm ein Teil seiner Persönlichkeit geraubt. [via andis blog] […]
2011-01-18 um 1:39 pm
NetAndroid
Nun ganz so einfach wie Du es hier darstellst ist es nicht. Es klingt nach Deiner Aussage für mich fast so, als wäre eine Domainpfändung mit einem Fingerschnipp erledigt. Dem ist nich so.
Als erstes muss, damit überhaupt gepfändet werden kann, ein titulierter Anspruch in Form eines Urteils, Vollstreckungsbescheides o.ä. vorliegen. Erst dann kann ein Pfändungsbeschluss erlassen werden. Die Pfändung der Domain arrestiert dann lediglich die Möglichkeiten des Domainhabers über die Domain zu verfügen, eine Abschaltung ist damit nämlich noch gar nicht möglich. Weiterhin erwirkt die Pfändung nicht die Umschreibung der Domain auf den Gläubiger – dazu braucht es einen Verwertungsbeschluss eines Gerichts. Weitere Informationen findet man auch im Urteil des BGH VII ZB 5/05
Abschließend sei noch angemerkt, dass man jederzeit die Möglichkeit hat auch gegen eine Vollstreckung Schutzmittel einzurichten, nutzt man diese nicht braucht man sich nicht wundern wenn die Domain gepfändet wird.
Anders verhält es sich bei Abtretungsangelegenheiten… – Ob das Verhalten das hier an den Tag gelegt wird richtig oder falsch ist bewerte ich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht.
2011-01-18 um 3:02 pm
Andi
Du hast sicher mehr Einblick darin, was da an Bürokratie abläuft und wie gut das schützt. Aber ob nun einfach oder schwer, jemandem ohne dessen Einwilligung die Domain zu entziehen empfinde ich als Persönlichkeitsrechtsverletzung. Selbst die Denic drückt einem eher einen überteuerten Domain-Management-Service auf, als einfach so die Domain freizugeben und ich finde das gut.
2011-01-18 um 10:11 pm
NetAndroid
Bei einer Internerdomain handelt es sich nach vorherrschender Rechtsmeinung um einen sonstigen Vermögensgegenstand. Im Zuge der Zwangsvollstreckung ist dieser also grundsätzlich pfändbar. Die Frage die sich mir hier stellt ist, welchen Stellenwert Du einer Domain zumisst. Man könnte dann auch fragen in wie weit die Wegnahme von beweglichem Vermögen im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein Eingriff wäre. Für mich gilt aber, dass sich es jeder selbst zu zumessen hat, wenn er in einem Zwangsvollstreckungsverfahren mit möglichen Rechtsmitteln, einfach nichts macht.
Hinsichtlich des Transit Status der DENIC ist das aus meiner Sicht zum Schutze der Rechte an der Domain noch viel zu wenig. Ein Provider kann ohne weitere Kenntnis des materiell Berechtigen die Domain jederzeit verändern. Der Domaininhaber hat das Nachsehen, denn er muss es a) mitbekommen und b) muss dann rechtliche Mittel ergreifen um seine Domain zu schützen.
Hier sähe ich es weitaus lieber wenn die DENIC sich wie die EuRID verhalten würde, bei der jede Aktion vom Domaininhaber genehmigt werden muss. Nur so kann der Domaininhaber über unerlaubte Handlungen an seiner Domain überhaupt Kenntnis erlangen.
2011-01-19 um 11:23 am
Andi
Dein Fabel für juristische Verfahrensfeinheiten in allen Ehren, aber ja, ich messe einer Domain einen entsprechenden Wert zu. Gerade in so einem Fall wie Nerdcore. Das Verhalten ist in meinen Augen nicht viel besser, als würde man jemanden aus seiner Wohnung schmeißen und auf die Straße setzen, weil man aus einem Vollstreckungstitel 8,90€ bekommt. Da kann ich auch nicht einfach das Schloss auswechseln und sagen „Du hast deine Post net gelesen, schau wo du bleibst.“ Die Zustimmungsregelung begrüße ich ausdrücklich.
2011-01-19 um 5:20 pm
looony
Ich habe an deiner in dem Blogeintrag und in den Kommentaren vertretenen Ansicht zwei Kritikpunkte:
Zum einen: Alle Gegenstände haben für eine Person einen gewissen Wert. Es ist das Wesen der Zwangsvollstreckung, dass in Rechte einer Person eingegriffen wird und er nachher weniger hat als vorher. Würde man immer die Behauptung „dieser Gegenstand ist mir aber persönlich besonders wichtig“ als Ausschlussgrund für eine Pfändung sehen, wäre der Gläuber quasi rechtlos, man könnte sich die ganze Zwangsvollstreckung und eigentlich das gesamte Zivilrecht sparen, denn man müsste Schulden nicht mehr bezahlen. Man mag dies für eine Übertreibung halten, aber ich denke im Grundsatz stimmt es schon.
Vielmehr bedarf es einer objektiven Betrachtung, was persönlich nicht verzichtbar ist und was schon.
Für den Betreiber von Nerdcore mag dieser Domainname eine besondere persönliche Bedeutung haben, für andere ist er wohl einfach mit einem Markennamen vergleichbar. Hinter Marken stehen auch immer Persönlichkeiten, die diese geprägt haben(und ich denke es spielt dabei eine untergeordnete Rolle ob eine Produkt/eine Marke von einer Person oder mehreren entwickelt wurde). Trotzdem nimmt man hier doch auch einfach einen „normalen“ Vermögensgegenstand an.
Ein noch deutlicheres Beispiel: Das Bild eines Künstlers. Klar hat er da vielleicht einen Teil seiner Persönlichkeit verarbeitet. Trotzdem ist es ein Vermögensgegenstand.
Auch aus Sicht von Euroweb ist die Wahl der Domain nachvollziehbar: Bei einer Zwangsvollstreckung ist es dem Gläubiger wohl kaum zuzumuten, erst das komplette Vermögen des Schuldners zu erforschen und deshalb verständlich, wenn dieser auf ihm Bekannte Vermögenswerte, wie hier z.B. auf die Domain, zurückgreift.
Insbesondere ist Gerechtigkeit aber auch fast immer eine zweiseitige Geschichte: Den Interessen des Bloggers stehen hier die Interessen seines Gläubigers gegenüber. Und das führt mich zu meinem zweiten Kritikpunkt:
Die Interessen des Gläubigers und die Abwehrmöglichkeiten des Schuldners lässt du bei deiner Betrachtung imo außer Acht:
Zum einen hat der Betreiber von Nerdcore Schulden gemacht. Diese hätte er ganz einfach(so wie es sich imo auch gehört) bezahlen können.
Zudem hatte er jede Menge Abwehrmöglichkeiten. In den Kommentaren tust das ganze als Bürokratie und juristische Verfahrensfeinheiten ab. Nur leider verlieren solche Gesichtspunkte ihr Gewicht nicht dadurch, dass man sie in irgendwelche Schubladen packt:
a) Schon bei der Entstehung der Schulden hätte sich der Betreiber von Nerdcore wehren können. Darauf hat er bewusst verzichtet. Ich denke es ist rechtsstaatlich nicht zubeanstanden, nein im Gegenteil sogar Voraussetzung für einen Rechtsstaat, dass man dem, der keine Hilfe will, keine zukommen lässt(Ausnahmen sind freilich möglich, man denke an Geisteskrankheiten u.ä).
b) Es kam zum Prozess und wenn das, was ich gehört habe stimmt, hat er da ein Versäumnisurteil kassiert: Er ist nicht einfach nicht erschienen. Auch hier gilt also oben gesagtes.
c) Gegen ein Versäumnisurteil kann man vorgehen: Auch hier nicht geschehen. Was soll man da sagen außer „selbst schuld“?
d) Als das ganze Gerichtlich gelaufen war hätte er die entstandenen Kosten einfach bezahlen können. Auch das hat er nicht getan. Was hat er denn erwartet? Dass er sagt „bäh, ich zahl einfach nicht“ und Euroweb dann sagt „Oh wie schade, da ärgern wir uns und machen sonst nix“???
Es muss doch klar gewesen sein, dass Euroweb Zwangsvollstreckung betreiben wird.
e) Und auch die gegen diese bestehenden Abwehrmöglickeiten hat er nicht genutzt.
Daher: Der Freiheit in einem Rechtsstaat steht die Eigenverantwortung gegenüber. Wer sich um seine Rechte nicht kümmert, ist nicht schutzwürdig. Vor allem im Zivilrecht, wo sich Bürger und Bürger als gleichberechtigte Konkurrenten gegenüberstehen.
Die Pfändung der Domain mag zwar eine schwere Beinträchtigung darstellen, als Gegengewicht(um mal das klassische Bild der Wage zu bemühen) steht aber alles, was er nicht getan um diese zu behalten.
Grüße, looony
2011-01-20 um 11:15 am
Andi
Frei zitiert aus einem Kommentar bei Stadler: »Dass der Gerichtsvollzieher vorbeikommt ist normal. Dass der Gerichtsvollzieher vorbeikommt und dein Haus abreist, passiert nur wenn er denkt, dass wohnen nur ein Hobby von dir ist.«
Natürlich kommt es drauf an welchen Wert man gewissen Dingen zumisst, keine Frage. Deswegen gibt es bei einigen Sachen auch Pfändungsschutz. Für mich als »Digital Resident« ist das sicher anders als bei dir z.B. Aber dennoch seher ich hier Bedarf für politischen Diskurs.