Mithilfe seines Anwalts Dominik Boecker ist es René Walter gelungen die Domain »nerdcore.de« wieder auf sich übertragen zu lassen. Dabei hatte die Denic sich Boeckers Ausführungen angeschlossen und so »nerdcore.de« vor der drohenden Versteigerung auf ebay gerettet. Dabei hat sich die Denic der Begründung Boeckers angeschlossen und den Pfändungsbescheid als unbegründet gesehen, wodurch es zum Rücktransit kam. Ein kühner Weg. Euroweb sagt, die Denic würde sich zum Richter aufspielen. Das war zu erwarten, denn sie haben sich alle Mühe gegeben, die »Optionen des Rechtssytems auszuschöpfen«. Doch auch Thomas Stadler – als quasi neutraler Beobachter – sieht die Tatsache, dass die Denic sich über einen gerichtlichen Bescheid hinwegsetzt, ziemlich kritisch und meint, es gibt »keinen Grund dafür, zu diesem Rechtsbruch der DENIC Beifall zu klatschen«. Ich tue es dennoch und ich will auch erläutern wieso.
Man muss Stadler zugute halten, dass er Jurist ist und man diesen Beruf wohl nicht ohne felsenfestes Vertrauen in das deutsche Rechtssystem ausüben kann. Dass dieses Vertrauen nicht immer angebracht ist, sieht man oft genug. Am besten finde ich immer noch Hausdursuchungen, die von Gerichten Monate danach für illegal erklärt werden, ohne dass es dem illegal Durchsuchten, der z.B. diese Monate ohne seine persönliche IT-Infrastruktur zubringen musste, irgendwie von Nutzen wäre. Man kann in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht immer von einem Bürger erwarten, dass er sich falschem Verhalten der Staatsgewalt anschließt, auch nicht der Judikative. Ein Extrembeispiel: Ich bin Verantwortlicher eines Stromnetzbetreibers und jemand gibt mir einen Gerichtsbeschluss, der mich anweist einem Krankenhaus voller auf medizinische Geräte angwiesener Patienten den Strom abzustellen. Natürlich kann ich den Pontius Pilatus machen, meine Hände in Unschuld waschen und dem Gericht die Schuld geben. Ich kann aber auch zivilen Ungehorsam leisten.
Jetzt geht es bei einer Domain natürlich um alles andere als Leib und Leben, aber auch hier ist ein Verantwortlicher nicht nur ein Instrument des Staates. Die Denic hat sich der Auffassung angeschlossen, dass einem ihrer »Kunden« hier grobes Unrecht widerfahren ist, das im Falle einer Versteigerung kaum noch durch die deutsche Gerichtsbarkeit wieder gut zu machen wäre. Diesen Schaden abzuwenden ist in meinen Augen nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht der Denic. Die Tatsache, dass sie die Domain im Transit hält, zeugt von einer genauen und sehr vernünftigen Bewertung der Sachlage.
Auch weiterhin muss ich Thomas Stadler widersprechen, dass die Denic hier eine Machtposition ausspielen würde. Jeder der für bestimmte Dinge die Verantwortung trägt, hat eine Position inne, die sich ähnlich zur Denic gestaltet. Einen Gerichtsbeschluss einfach nicht umzusetzen, weil man es kann, bedeutet noch lange keine Machtposition. Der Staat hat immer noch das Gewaltmonopol und kann zu härteren Mitteln greifen um seine Interessen durchzusetzen. Erst wenn der Einsatz solcher Mittel für den Staat nachteilig bis unmöglich wird – wie es z.B. beim Großbürgertum im Zeitalter des Laissez-Faire-Liberalismus der Fall war – kann man wirklich von einer Machtposition sprechen.
Und Euroweb? Nun, deren Reaktion ist an Bockigkeit von keinem Dreijährigen zu überbieten. Zuerst mit voller Dreistigkeit eine Domain, von der sie dank Versteigerungsabsichten wohl eindeutig wussten, dass sie einen hohen Wert besitzt, bei einem Gericht mit 100€ anzusetzen und dann wundern, dass dem technisch Verantwortlichen dabei die Galle hochkommt, ist mehr als lächerlich.
Die Denic hingegen hat Rückgrat bewiesen, wie man es in Deutschland schon lange nicht mehr gesehen hat. Ich verneige mich vor den Verantwortlichen und klatsche Beifall.
8 Kommentare
2011-01-24 um 4:12 pm
Marc
Schön gesagt Andi. Bin ganz deiner Meinung!
Gruß!
Marc
2011-01-24 um 4:16 pm
Musikpirat
Denic ist Monopolist für .de-Domains. Damit haben sie eine ziemlich Marktmacht für Domains. Im Zeitalter verteilter Datenhaltung ist dieses Monopol vollkommen unangemessen.
Und nerdcore? Nunja, René hat so ziemlich alles falsch gemacht, was er konnte. Bis es ihm dann plötzlich wirklich weh getan hat und die Domain weg war. Plötzlich war ihm der Rechtsweg nicht mehr zuwider. War das der große Shitstorm?
Rückgrat sehe ich bei Denic auch nicht. Die hatten wahrscheinlich einfach nur keinen Bock, in die Schlammschlacht reingezogen zu werden.
2011-01-24 um 6:04 pm
Benjamin Stöcker
Sorry, aber Ziviler ungehorsam? Na, da sind wir doch etwas von entfernt, DENIC ist nämlich keine Person.
Ich finde es schon Rechtstaatlich bedenklich wenn die DENIC das macht und du noch Applaus klatscht. Die Beschlagnahmung der Domain war ja Rechtens und wer auf Briefe von Anwälten und Gerichten nicht reagiert ist selber schuld
2011-01-24 um 6:29 pm
fasel
man sollte erstmal die DENIC anhören bevor man ihr etwas in die eine oder andere Richtung unterstellt. Die Übertragung war nämlich lt. deren Aussage schlicht formal nicht korrekt:
»Und da sah Welzel einige Ungereimtheiten. „Zunächst einmal ist überhaupt zweifelhaft, ob dieser Pfändungsbeschluss wirksam ist, denn die Adressen stimmten nicht mit den uns vorliegenden Daten überein.“ Außerdem bezieht sich der Pfändungsbeschluss nur auf die Third-Level-Domain http://www.nerdcore.de, und dafür ist die Denic nicht zuständig. „Offensichtlich“, sagt Welzel, „hat Euroweb etwas anderes erwirkt, als sie erwirken wollten.“«
Quelle: http://www.taz.de/1/netz/netzoekonomie/artikel/1/denic-stellt-sich-gegen-euroweb/
2011-01-25 um 2:30 pm
michaeleriksson
Ich kenne die Details in diesem Falle nicht, jedoch bin ich prinzipiell etwas skeptisch dazu, ob Gerichte überhaupt Domaintransfers beschließen dürfen sollten: Es geht eigentlich um eine interne Regulierungssache, wo (in Deutschland) DENIC die Entscheidungen zu fällen hätten.
Man kann zwar z.B. basierend auf Warenmarken o.ä. argumentieren: Wenn ich meine eigene Softdrinks nicht unter dem Namen Coca-Cola verkaufen darf, dann darf ich mich auch nicht als http://www.coca-cola.de präsentieren. Dies wäre zum Teil schlüßig, doch kann schon dies zum Teil diskutiert werden (so lange nur der Domainname benutzt wird, und keine Behauptung aufgestellt wird, ich wäre Coca-Cola). Wenn es aber vermehrt dazu kommt, dass unterschiedliche Firmen gegen einander oder Privatpersonen klagen, um Domains zu bekommen, weil sie die größere oder
bekanntere Firma wäre, dann ist die Situation nicht mehr angemessen.
Nebenbei: Es wäre gut, wenn Du die Möglichkeit, Benachrichtigungen über neue Kommentare zu erhalten, freischalten würdest. So ist es ungleich leichter zu wissen, wo man eventuell zurückkommen muss.
2011-01-25 um 4:04 pm
Andi
Done. Hoff ich 😀
2011-01-27 um 8:36 am
BlackPirate
Hallo Andi,
mal wieder ein Fall piratischer Doppelmoral:
– Wenn dem Pirat die juristische Lage passt, dann ist man glühender Verfechter des Rechtsstaat
– Passt dem Pirat die Rechtssituation oder eine juristische Entscheidung nicht, wird zu „zivilem Ungehorsam“ und Boykott aufgerufen.
Das kennen wir ja auch aus anderen Situationen
Fall 1:
– Möchte der Pirat seine politische Meinung den Bürgern zugänglich machen, dann reklamiert man Meinungsfreiheit für seine Veranstaltung
– Veranstaltet der politische Mitkonkurrent eine Wahlveranstaltung, geht der Pirat hin und stört die Veranstaltung per Flashmob etc.
Fall 2:
– Betreibt der Pirat einen Blog und sucht die politische Diskussion, ist das gut solange man sich gegenseitig auf die Schulter klopft wie gut man einer Meinung ist
– Kommt ein Andersdenkender und bringt eine andere Position in die Diskussion, verschwindet der Eintrag direkt aus dem Blog…
2011-01-27 um 9:50 am
Andi
Die meisten deiner Einträge verschwinden nur, weil 90% davon Trollerei gegen mich oder die Piraten sind, die nichts mit dem Thema des Posts zu tun haben. Wie dieser hier zum Beispiel. Dass du Prinzipien wie Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit nicht verstehen willst, ist mir nicht neu. Und ja, jeder weitere deiner Posts in dieser Diskussion wird gelöscht. Deutschland ist eine Demokratie, mein Blog ist eine Diktatur, leb damit.