»Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.« Dieser alten Regel konnte sich auch Dorothee Bär nicht entziehen, als sie ankündigte, dass es einen netzpolitischen Kongress der CSU geben würde. Aus Sicht der Digital Residents klingt das, als würde die Tierschutzpartei zum gemeinsamen Jagdausflug laden. Dabei muss ich gestehen, hält sich Dorothee Bär ganz gut. Als Netzpolitiker in der CSU muss man sich eigentlich fühlen wie ein Kommunist in der FDP. Aber genug mit Metaphern und Vergleichen. Der CSU-Netzrat um Frau Bär hat ein Papier für den besagten Kongress herausgebracht und das wollen wir uns doch einmal genauer anschauen.

Das Papier, von dem man erwartet hätte, dass es breit belächelt werden würde, hat durchaus unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Man kann dem CSU-Netzrat vielleicht einiges unterstellen, aber handwerklich ist es sauber gearbeitet. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein reichhaltig gedeckter Tisch an piratigen Leckerbissen, der so gar nicht zum Bild der verkalkten CSU passen will. Das Problem ist, dass unter den kleinen Schmankerln – wie der Ablehnung der Netzzensur und des Abmahnmissbrauchs – große Bissen voller Glassplitter sind.

Wer dazu mehr wissen will, dem empfehle ich die umfassende Analyse des Papiers von Ben. Ich möchte mir hier nur auf ein paar für Piraten besonders interessante Inhalte eingehen.

Zum einen ist da der Abschnitt zum Urheberrecht. Wie schon erwähnt, prangert der CSU-Netzrat zwar den Abmahnwahn an und erkennt darüber hinaus auch die Innovationskraft des Netzes in der Content-Vermarktung, man klammert sich aber immer noch an das Konzept des »geistigen Eigentums« (sic!), was eine Reform des Kopierrechts für das Informationszeitalter absolut unmöglich macht.

Den Absatz zum Jugendschutz im Internet kann ich hingegen schon fast direkt unterschreiben. »Bildung und Aufklärung statt Verbote« ist quasi eine direkte Kopie der Position der Piraten. Ich hätte mir nur eine klarere Absage an Mumpitz wie Internetsendezeiten und dem anderen Quark aus dem JMStV gewünscht.

Während der Text bis dahin zwar immer wieder dieses seltsame Gefühl von Überraschung und gleichzeitig flauem Magengrummeln auslöst, wirds bei der Kriminalitätsbekämpfung im Internet richtig fies. Die Erkenntnis, dass der Staat Kriminalität nunmal nicht vollständig ausrotten kann, ist zwar sehr erfreulich, aber das hier führte bei mir zu spontanem Würgereflex:

Neben der permanenten Wachsamkeit der Gemeinschaft gegenüber Bedrohungssignalen, der behutsamen Anwendung der verfassungskonformen Ermittlungsinstrumente und einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit könnte die Entwicklung neuer freiheitsschonender Technologien zur Früherkennung krimineller Bedrohungen einen Beitrag zur Balance von Freiheit und Sicherheit im Internet bieten.

Schon durch den ersten Abschnitt des Papiers zieht sich der Begriff »freiheitssichernd«, der sich die ganze Zeit schon wie ein Euphemismus für »sichertssichernd« liest, aber die Vermischung eines Begriffs wie »freiheitsschonend« mit »Früherkennung« klingt irgendwie nach »1984«. Liest man das Papier mit dieser Erkenntnis erneut, sieht man überall versteckte Zugeständnisse an einen starken Staat und die Freiheitsliebe kommt einem plötzlich ganz anders vor.

Im Großen und Ganzen kann man das Papier so zusammenfassen: Der CSU-Netzrat gibt sich alle Mühe die Fühler in die Gemüter im Netz zu stecken und die Themen aufzugreifen, über die man dort schon lange spricht. Doch es wirkt alles dennoch sehr stark nach Augenwischerei, Fleischbrocken die man hinwirft, nicht als ob man die Problematik tatsächlich durchdrungen hätte. Ein bisschen hat man bei einigen Reaktion auch den Eindruck als bestünde für einige die Netzpolitik immer noch ausschließlich aus Kinderporno-Sperren. Darüber hinaus scheint es allerdings auch nicht nur mir so zu gehen, als stünde das was uns vielleicht nicht so schmeckt zwischen den Zeilen.

Am Ende des Tages ist das Papier sicher alles andere als ein Meilenstein. Zu sehr hat man in vorrauseilendem Gehormsam versucht die Altkonservativen nicht zu verprellen und stößt dennoch direkt auf Ablehnung. Der Lichblick ist, dass mit Dorothee Bär und ihrem Netzrat sicher eine sinnvollere und sachlichere Diskussion zu führen ist, als mit Dinosauriern wie Uhl und Herrmann. Hoffen wir, dass wir dabei nicht nur – symbolisch gesprochen – Schäuble gegen de Meziére tauschen.

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