In Bayern kann man derzeit ein lustiges Schauspiel miterleben. Die BLM soll einen neuen Häuptling kriegen, was zu allerlei Jux und Tollerei mit unseren lieben Freunden von der CSU geführt hat. Ben hat die Details schön zusammengetragen. Kurz zusammengefasst: Ex-Kultus- und Nun-Staatskanzleiminister Schneider sollte den gut bezahlten Posten als gemütliche Altersstelle bekommen (und Seehofer sein Landtagsmandat), aber die Opposition schickt die Landshuter Professorin Gabriele Goderbauer-Marchner ins Rennen. Letztere ist übrigens Mitglied der CSU, was dort zu einem spontanen Antrag auf Parteiausschluss führte. Ich war zuerst recht begeistert, dass sie den schwarzen Filz etwas von innen heraus ankratzt, aber seit ich ihren Blog gefunden habe, bin ich eher entgeistert.
Sie erzählt dort von den Herausforderungen der Medienlandschaft und konzentriert sich – wie sollte es in einem Blog auch anders sein – auf das Internet. Die Ausführungen hören sich so verstaubt an, die hätte Schneider auch hinbekommen. Wir wollen uns mal zwei Filetstücke zu Gemüte führen.
Die Mediennutzer haben auch ein Anrecht auf Qualität im Internet.
Nennt mich anarchistisch, aber was ist das bitte? Wer entscheidet was Qualität ist? Ich halte es ja schon im Bezug auf das Fernsehen für recht fragwürdig, solche Gedanken zu spinnen. Klar, ich halte DSDS und Dschungelcamp auch für alles andere als qualitätshaltig, aber ich würde mir nicht anmaßen, das zu entscheiden.
Im Bezug auf das Internet ist diese Aussage aber nochmal eine Nummer härter, hier gelten nicht mal die physischen Beschränkungen des Rundfunks. Es ist ein neutrales Medium, das Datenpakete unabhängig vom Inhalt übeträgt und das muss auch so bleiben, das hat selbst der CSU-Netzrat erkannt (Stichwort: Netzneutralität).
Also was soll dieser Satz? Wenn man den Absatz weiter liest, betont Goderbauer-Marchner, dass sie als Journalistin stets auf Qualität geachtet habe. Man fühlt sich unweigerlich an die suggestive Broschüre der Verlagslobby für den »Internetführerschein« an bayerischen Schulen erinnert. Die Holzpresse ist gut, die Blogger nicht. Funfact: Der Internetführerschein ist auf dem Mist von Goderbauer-Marchners Konkurrenten Schneider gewachsen.
Der dritte Absatz hat es so in sich, den muss ich einfach in voller Länge zitieren (Hervorhebungen von mir):
Von hoher Aktualität ist nach wie vor auch die Frage einer Regulierung des Internets. Bei dieser soll nicht das große demokratische Potential dieses neuen Mediums verkannt werden. Andererseits gilt es auch hier wiederum die Menschen zu schützen. Von daher ist es sicherlich nicht falsch, darüber nachzudenken, ob der beim klassischen Rundfunk/Fernsehen allgemein akzeptierte rechtliche Rahmen auch bei entsprechenden Angeboten im Internet wirksam werden muss. Da denke ich an gewaltverherrlichende Darstellungen ebenso wie an Pornografie. Wir müssen die rechtlichen Möglichkeiten konsequent nutzen. Dabei ist es wichtig, mit den Betreibern im Netz im ständigen Kontakt zu sein.
Hier offenbart sich, wie altbacken die gute Frau tatsächlich ist. Ich lese das wie ein Plädoyer für Internetsendezeiten. Wie lange müssen wir predigen, dass das Internet kein Fernseher ist, bis es endlich bei solch ewig gestrigen Menschen ankommt? Es tut mir leid liebe Frau Goderbauer-Marchner, aber darüber nachzudenken im Internet die Regeln des klassischen Rundfunks anzuwenden, ist so falsch wie darüber nachzudenken bei der Raumfahrt die Regeln des Straßenverkehrs anzuwenden.
Am besten gefällt mir aber die Formulierung, dass die Menschen geschützt werden müssen. Also mal ehrlich, über Jugendschutz lässt sich ja reden, aber Menschen per se vor Informationen schützen zu wollen, ist ein Euphemismus für Zensur. Hoffen wir, dass das eher ein Stolperer in der Wortwahl war.
Alles in allem, kann ich über diese Alternative zu Schneider nur meine Enttäuschung zum Ausdruck bringen. Vielleicht kriegen wir den Filz etwas gestutzt, aber Kompetenz sieht anders aus.
6 Kommentare
2011-02-09 um 10:15 am
Tweets that mention Die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub « Andis Blog -- Topsy.com
[…] This post was mentioned on Twitter by Aleks A., P-Mond Exquisit and Benjamin Stöcker, Andreas Popp. Andreas Popp said: Die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub http://wp.me/pzNnf-kJ […]
2011-02-09 um 11:07 am
Die Posse um die BLM – Teil 3 | Under Skull and Bones
[…] jetzt – wie die Piraten – innerliche Schmerzen leidet: Sie ist wenigstens gesprächsbereit, was man von Schneider […]
2011-02-09 um 1:28 pm
derda
Wir können ja sagen, dass wir für den Alternativkandidaten sind, aber nicht für die Inhalte der Frau Professorin. Wenns zwei schlecht Kandidaten gibt, nimmt man halt den besseren 😀
2011-02-09 um 10:46 pm
Gabriele Goderbauer-Marchner
Lieber Andi,
danke für die Infos – in vielem sind wir doch gar nicht soweit auseinander – und – ich bin für einen offenen Dialog, also – packen wir´an.
Apropos – Qualität ist doch nicht zopfig – dein Blog hat sie ja auch.
Lieben Gruß, Gabriele Goderbauer-Marchner
2011-02-10 um 10:05 am
Andi
Liebe Gabriele,
also ich sehe da schon ein paar grundlegenende Unterschiede, aber ich reagiere auch sehr allergisch auf bestimmte Textinhalte.
Qualität ist tatsächlich so ein Wort. So muss ich wohl – bei bestem Dank für die Blumen – davon ausgehen, dass viele meinen Blog für alles andere als qualitativ halten. Und die Kriterien sind höchst subjektiv. Während ich z.B. bei einem technischen Produkt, noch einigermaßen objektive Qualitätsmaßstäbe habe (z.B. Reklamationsrate), gibt es sowas bei Inhalten nicht. Ein Begriff wie Qualität, führt zur Trennung der Inhalte in gute und schlechte und genau das ist, was ich nicht will.
Also sehe ich da schon durchaus sehr unterschiedlich Blickwinkel auf die Sache. Aber ich muss zugeben, Schneider hat sich bisher ja nicht wirklich profiliert. Also viel Erfolg bei der Kandidatur, ich lass mich dann gerne eines besseren belehren 😉
2011-02-12 um 2:42 pm
Gabriele Goderbauer-Marchner
Lass´ uns einfach intensiver über Qualität nachdenken, auch wenn du recht hast, manche Kriterien sind subjektiv, aber dennoch. Und – nimm mein Bemühen ehrlich an, dass ich offen bin für einen kreativen Dialog. Und lernfähig!
Dein Blog ist übrigens sehr wohl ein guter (auch wenn das jetzt eine, meine subjektive Meinung ist).
Lieben Gruß, Go.