Ich muss glaube ich niemandem hier erklären, dass unser gut gegelter Verteidigungsminister ein größeres Fettnäpfchen gefunden hat. Jetzt meinen viele, wir Piraten müssten ihn doch dafür jetzt bejubeln. Das ist allerdings hausgemachter Unsinn. Aus diesem Grund möchte ich hier ein paar Worte darüber verlieren, warum Guttenberg kein Pirat ist.

Der feine Möchtegern-Baron hat also in seiner Dissertation dicke abgeschrieben (abschreiben lassen?). Das ganze hat tatsächlich eine urheberrechtliche Komponente. Zeitungsartikel und Lehrbücher sind urheberrechtlich geschützte Werke, da gibt es derzeit nichts dran zu rütteln. Ohne Zitation hat sich Guttenberg einer Urheberrechtsverletzung schuldig gemacht. Da wir Piraten das Urheberrecht ja eh blöd finden, sollten wir Guttenbergs Aktion dann nicht gut finden?

Die Antwort lautet hier: Nein! Auch wenn es uns aus manchen ignoranten Kreisen immer noch vorgeworfen wird, wir wollen das Urheberrecht nicht über Board werfen, wir wollen es reformieren. Sich öffentlich mit fremden Federn zu schmücken, ist sicher nicht im Sinne der Piraten (inwieweit es sanktionswürdig ist, sei dahingestellt). Es ist auch nicht vergleichbar mit unseren zentralen Forderungen, z.B. nach Freigabe der Privatkopie, was Filesharing mit einbezieht. Heruntergeladene Inhalte sind noch kein Plagiat. Ich zieh mir auch als Pirat kein Lied auf die Platte, press es auf eine CD und verkauf es als mein Werk weiter.

Viel gewichtiger ist allerdings, dass der Sachverhalt noch eine viel verwerflichere Komponente hat, nämlich den Verstoß gegen die akademischen Sitten. Das klingt für den ein oder anderen jetzt vielleicht seltsam, aber lasst es mich erklären. In einer Dissertation muss der Doktorand zeigen, dass er in der Lage ist, selbständig wissenschaftliche Forschung zu leisten.

Auf der einen Seite ist es die Natur der Forschung, dass sie zum größten Teil daraus besteht, die Arbeit anderer aufzuwälzen. Ohne diese Interaktion würde Wissenschaft deutlich schlechter funktionieren. Deswegen stellt das Urheberrecht tatsächlich häufig eine massive Forschungsbremse dar, etwa wenn man nicht an Werke andere Autoren heran kommt. Dennoch besteht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Arbeiten anderer nicht im bloßen Abschreiben, sondern im Reproduzieren, Kritisieren, Reflektieren und Aufbauen. Aus diesem Grund darf man quasi alles benutzen, solange man kenntlich macht, woher man es hat. Deswegen ist korrektes Zitieren ein Kern der wissenschaftlichen Arbeit.

Auf der andern Seite, ist es der wissenschaftlichen Forschung nicht zuträglich, wenn bestehenden Inhalte einfach nur widergegeben werden (dafür gibts die Lehre), weswegen ein Forscher immer einen Mehrwert durch Eigenleistung liefern muss, auch wenn dieser noch so klein scheint. Auch das klappt nicht immer. Die Fülle an wissenschaftlichem Material kann kein Mensch überblicken. Häufig findet man erst spät in der Dissertation heraus, dass andere schon zu den selben Schlüssen gekommen sind, nicht selten weil man es erst dann versteht. Aber selbst dann kann man noch sagen, man hat den Sachverhalt noch nach bestem Wissen und Gewissen aus dem eigenen Blickwinkel aufgearbeitet.

Das was Guttenberg hier veranstaltet hat, geht – trotz seiner Beteuerung – weit über bestes Wissen und Gewissen hinaus. Er hat andere Inhalte als von ihm erarbeitete wissenschaftliche Ergebnisse ausgegeben und sich dafür auch noch die entsprechende akademische Würde verleihen lassen (lacht nicht, viele forschen wirklich für diese Anerkennung, nehme mich selbst da gar nicht aus). Das was Guttenberg hier getan hat, hat nichts mit Filesharing zu tun und auch nichts mit dem gewünschten akademischen »Remix«, es ist schlicht und ergreifend Betrug. Jetzt muss ich mir nur noch einig werden, was mich mehr bestürzt: Dass er seinen Titel mit einem solchen Plagiat erschlichen hat oder dass ich ihn eigentlich nicht für dummdreist genug halte, sich einen solchen Fauxpas selbst zu leisten.

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