Es ist ein Trauerspiel, das der Verteidigungsminister hier aufführt. Als er mit dem Vorwurf des Plagiats konfrontiert wird, heißt es zuerst dieser sei abstrus, danach will er betont vorübergehend seinen Titel nicht mehr führen, nur um ihn dann kurz darauf doch nicht mehr haben zu wollen. Doch wer meint, der Lügenbaron sei jetzt wieder unter die Wahrheitsliebenden zurückgekehrt, der irrt. Guttenberg steht an der Wand, aber er scheint sein Rückzugsgefecht immer noch nicht aufgeben zu wollen. Wie eine Eidechse den Schwanz, wirft er den Doktortitel ab, in der Hoffnung mit dem Rest seiner Glaubwürdigkeit davon zu kommen.
Das Ausmaß der Unentschuldigung wird an folgendem Zitat aus Guttenbergs Erklärung deutlich:
Ich habe diese Fehler nicht bewusst gemacht, ich habe auch nicht bewusst oder absichtlich in irgendeiner Form getäuscht.
Danach muss er sich zusammenreißen um noch irgendwie zu erklären, er hätte einfach nur den Überblick über die Quellen verloren. Doch in diesem kleinen Zitat, steckt die Ungeheuerlichkeit. Guttenberg kommt im Büßergewand daher, aber er bereut nicht. Statt dessen stellt er es weiterhin als einen dummen, aber unabsichtlichen Fehler dar. Die Fakten sprechen aber schon längst gegen diese Behauptung.
Führen wir uns das Ganze nochmal vor Augen. Allein der Umfang des Plagiatsanteils ist so gewaltig, dass man eigentlich schon lange nicht mehr von einem Versehen ausgehen kann. Der Zwischenbericht des Guttenplag-Wikis kommt auf über 20% abgekupferten Textes und zieht ebenfalls den eindeutigen Schluss, dass es sich um eine bewusste Täuschung handelt. Die dreistesten Fundstücke finden sich auf einer gesonderten Seite.
Zur Illustration möchte ich den geneigten Leser bitten, sich den folgenden Sachverhalt bildlich vorzustellen. Guttenberg (wir gehen mal davon aus, dass er es ist) sitzt vor seinem Computer und schreibt an seiner Dissertation. Da stolpert er über einen Artikel von Oliver Burkhardt in der Zeit. Der angehende Doktor kopiert einen großen Batzen (es werden später fünf komplette Seiten) davon in seine Arbeit. An dieser Stelle – so weiß bereits jeder Student – hat er etwas getan, das wissenschaftlich inakzeptabel ist. Er hat jetzt zwei Möglichkeiten. Er könnte es als wörtliches Zitat markieren, dies würde aber bei diesem Umfang dazu führen, dass er den Doktorgrad vergessen kann. Statt dessen stellt er hier und da ein paar Worte um und lässt die Quelle unter den Tisch fallen. An dieser Stelle wird aus schlechter Wissenschaft eiskalter Betrug. Und genau solches Verhalten fand nicht nur ein- oder zweimal statt, sondern es zieht sich systematisch durch die ganze Arbeit.
Wieso kämpft Guttenberg an dieser Stelle überhaupt noch weiter? Eine Intention kann man sich denken. Selbst wenn er den Doktorgrad eigentlich gar nicht freiwillig zurückgeben kann, sieht es natürlich besser aus, wenn er den Verzicht erklärt, bevor die Universität ihm selbigen abnimmt. Vielleicht hofft er, seine Alma Mater würde Milde walten lassen und das vermeintliche Angebot des gebeutelten Ministers annehmen. Doch wenn die Universität Bayreuth irgendetwas auf sich hält, darf sie Guttenbergs Dissertation nicht einfach als fehlerhaft kassieren, sondern muss sie als das anprangern was sie ist: ein dreistes und bewusstes Plagiat.
12 Kommentare
2011-02-22 um 9:15 am
Tweets that mention Herr Guttenberg, was soll das Theater? « Andis Blog -- Topsy.com
[…] This post was mentioned on Twitter by P-Mond Exquisit, Thomas and Sebastian Jabbusch, Andreas Popp. Andreas Popp said: Herr Guttenberg, was soll das Theater? http://wp.me/pzNnf-lb […]
2011-02-22 um 9:53 am
Acepoint
»Statt dessen stellt er hier und da ein paar Worte um und lässt die Quelle unter den Tisch fallen. An dieser Stelle wird aus schlechter Wissenschaft eiskalter Betrug.«
Das ist mir schon bei den ersten Fundstellen in der vergangenen Woche aufgefallen. Mich wundert, dass es anscheinend absolut keinen der mittlerweile zahlreichen Bewunderer, Unterstützer und Parteifreunde interessiert. Guttenberg ist wohl alternativlos.
2011-02-22 um 10:50 am
Helmut Seidel
Guttenberg verhält sich fraglos wie ein skrupelloser Karrierist. Sehr besorgniserregend ist die Haltung von Personen in Regierung und Parteien, die Guttenberg noch immer „den Rücken stärken“ und als Minister halten wollen. Diese Personen sehen offensichtlich Betrüger als besonders gut geeignet an, in der Politik eine herausragende Rolle zu spielen, vor allem dann, wenn es ihnen gelingt, durch raffiniertes Auftreten einen Teil der Bevölkerung erfolgreich über ihren wahren Charakter zu täuschen. Dieser Vorgang ist symptomatisch für die moralische Verkommenheit in den Führungsgremien unserer Gesellschaft, die nunmehr ein kaum noch vorstellbares Ausmaß erreicht hat. Betrug ist ja noch der geringste Vorwurf, den man Guttenberg machen kann. Für mich gibt es nur eine Schlussfolgerung – Parteien, deren Führungsgremien ein derartiges Verhalten unterstützen, kann man nicht mehr wählen, da sie jedes Vertrauen verspielt haben.
2011-02-22 um 12:47 pm
Dr. Christian Weilmeier
Vor Jahren wurde Merkel zum neuen Bismarck ausgerufen. Guttenberg ist jetzt der neue Kennedy, der Künder einer neuen Epoche der bürgerlichen Werte, von Fleiß und Ehrlichkeit und Demut und Standhaftigkeit. Er ist der König des Boulevards, der Liebling der Parteifunktionäre, die Hoffnung aller Bürger die gerne vom Sofa aus ihrem Helden zujubeln.
http://citizenseurope.wordpress.com/2011/02/22/merkel-ist-bismarck-guttenberg-ist-kennedy-eine-deutsche-legende/
2011-02-22 um 1:31 pm
lokielie
Es ist vermutlich wie schon so oft, die Kleinen hängt man, die Großen…laufen eben weiter. Da es nun auch noch ein politischer Teil in diesem ganzen Gekrampfe ist, wird es noch interessanter. Schließlich steht und fällt mit Herrn G. auch vieles mit und hinter ihm. Ziemlich brisant.
Ach ja, ich erinnere mich an Beispiele in der Musikindustrie. Da hat irgendein XYZ 3 Noten in Folge, wie schon ABC gesetzt und einen Hit gelandet (oder auch nicht) und schon hängen ihm duzende Anwälte an den Versen und prozessieren auf Teufel komm raus.
Wenn ich etwas wissenschaftliches schaffe, eine super Note dafür erhalte, dann … sollte es auch nur von mir sein. Abkupfern kann jeder, erwischt werden viele noch nicht. Ihn hat es vermutlich. Bin nur gespannt, was die Kommission nun macht, denn er ist ja nicht irgendwer und in einer international beachteten Stelle. Au weia!
2011-02-22 um 4:46 pm
Respekt, Herr Guttenberg, dass sie sich das trauen « Kissaki Blog
[…] mit so einem Umfang an Plagiat hatte ich ja auch nicht […]
2011-02-22 um 5:50 pm
suchenwi
Typo im 5. Absatz: „… das Ganza…“ Ansonsten summa cum laude 😀
2011-02-22 um 8:07 pm
Andi
Das ist gar kein Fehler das ist abstrus…
Vielleicht sind Fehler im Absatz, aber über jeden bin ich selbst am unglücklichsten…
Ok, es sind Fehler passiert, peinliche Fehler ich werde den Text korrigieren
(Danke btw 😉 )
2011-02-22 um 7:30 pm
feliksdzerzhinsky
Vielen Dank! Wir haben aus gegebenem Anlass das Verfahren hier mal übersichtlich dargestellt:
Grundlagen wissenschaftlichen Zitierens
2011-02-22 um 9:28 pm
Tams
Es gibt neue Vorwürfe gegen zu Guttenberg.
Die Berliner Zeitung berichtet, dass Strafanzeige gestellt wurde wegen des Verdachts des Titelmissbrauchs. Zu Guttenberg habe den Doktortitel verwendet bevor er durch Bestehen der Promotion dazu berechtigt gewesen wäre:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/politik/332436/332437.php
2011-02-22 um 9:53 pm
Flo
Ab in die Südsee mit dem Baron:
2011-02-25 um 2:37 pm
Die akademische und politische Dimension der Glaubwürdigkeit « Andis Blog
[…] der nachweislich bei seiner Dissertation abgeschrieben und betrogen hat, kommt damit durch, dass er von handwerklichen Fehlern spricht und den Titel zurückgibt. Die unrühmlichste Rolle spielt dabei die Universität Bayreuth, die brav bei Fuß gelaufen ist […]