»Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten«, so beginnt der Artikel 5 unseres Grundgesetzes und damit wird uns Deutschen die Meinungsfreiheit garantiert. Mit der Meinungsfreiheit war es in Deutschland aber bisher tatsächlich gar nicht so weit bestellt. Während man etwa in den USA die »Freedom of Speech« ziemlich großzügig auslegt, wird bei uns schon im Grundgesetz angedeutet, dass man sich da auf dicke Einschnitte einstellen muss. Denn »Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.« Auf den Aspekt des Jugendschutzes werde ich ein ander Mal noch gesondert eingehen, dafür gehen wir heute mal besonders die persönliche Ehre an.

Als jemand der von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen will, hat man es in Deutschland nicht leicht. Gerade wenn man keine allzu hohe Meinung von einer anderen Person hat. Denn eine solche Meinung ist gar nicht so frei. Hier wird man in Deutschland üblicherweise postwendend erst mal vor den Kadi gezerrt. Und anstatt dass unser überlastetes Rechtsystem hier sagen würde »Nervt mich doch nicht mit einem solchen Blödsinn, ihr seid doch erwachsene Menschen und könnt solche Kinkerlitzchen selbst lösen«, wird einem Blogger schonmal die Domain gepfändet, weil man eine Firma als »Arschgeigen« betitelt hat.

Man sieht also, dass die Grenze zwischen erlaubter und verbotener Meinungsäußerung ist in Deutschland sehr porös ist. Es wird eigentlich kein Hehl aus der einhelligen Meinung der Juristerei gemacht, dass der Passus »eine Zensur findet nicht statt« ja nur die Vorzensur verbietet. Geschwärzte Stellen in bereits veröffentlichten Büchern? Kein Ding. Die deutsche Unart einen Menschen, der gegen einen gemeckert hat vor Gericht zu zerren, erinnert mich an mittelalterliche Geschichten, in denen ein Ritter einem anderen den Fehdehandschuh um die Ohren haut, weil dieser gemeint hat, die Frau des ersten wäre fett wie ein Rindvieh.

Nun gibt es dank dem Internet jetzt die Möglichkeit seine Meinung anonym zu äußern. Das ist ein wichtiges Instrument, denn nur wer keinerlei Repressionen fürchten muss, der traut sich wirklich seine Meinung unverblümt zu sagen, ohne die Schere im Kopf. Diese Situation ist ein Gewinn für die ganze Menschheit, sollte man zumindest meinen. Schaut man sich allerdings ein bisschen um, so scheint zumindest den Deutschen die Übung mit der Meinungsfreiheit noch ein bisschen zu fehlen. So beklagt sich das Landgericht Mannheim tatsächlich in der Begründung zum Kachelmann-Urteil darüber, dass irgendwelche Leute ihre unqualifizierte Meinung zum Fall im Netz zum Besten geben mussten. Das ist mir vollkommen unverständlich. Die Arbeit der Richter wird nicht dadurch beeinflusst, dass irgendwer irgendwo seine eigene Meinung zum Besten gibt und sei sie noch so sehr an den Haaren herbeigezogen. Wieso macht das einen Unterschied ob das jemand auf dem Stammtisch in der Dorfwirtschaft macht oder in einem Internetforum?

Auch die Prozessbeteiligten waren dank Kachelmanns Prominenz in der Schusslinie. Aber nicht nur Prominente kriegen bei uns Meinungen ab: Ärzte, Handwerker, Lehrer und dank isharegossip nun auch Schüler. Alle kriegen viel und an manchen Stellen auch richtig derbe. Dank der Anonymität des Netzes kann nun kaum mehr ein Richter gegen den Meinenden vorgehen. Frei nach dem Motto, erwischt man den Absender nicht, dann muss halt der Bote dran glauben, geht man deswegen gegen die Plattformen vor, die solche Meinungsäußerungen zulassen. Entweder sie reihen sich in der staatlichen Zensurmaschine ein oder man erlässt halt Haftbefehl gegen die Betreiber dieser Plattformen. Doch ist das wirklich was wir wollen?

Ja, werden einige sagen. Wenn die Richter die Schranken der Meinungsfreiheit nicht durchsetzen, dann können wir auch ganz darauf verzichten und den zweiten Absatz des Art. 5 GG abschaffen. Das ist aber viel zu kurz gedacht. Den Kindern, die physischem Mobbing auf dem Schulhof ausgesetzt sind, bringen wir bei, dass sie sich nicht provozieren lassen sollen. Wenn aber das Mobbing über das Netz kommt, sei es nun isharegossip oder Facebook, dann muss der Staat eingreifen. Dabei funktioniert die erste Variante gar nicht so schlecht. Ich fühlte mich an die S.P.O.N.-Kolumne von Sasha Lobo erinnert. Der fand nicht nur bereits den Meinungsterror und den unqualifizierten Blödsinn, der die Mannheimer Richter so stört, sondern er hat sich auch bereits für eine Beleidigungskultur ausgesprochen.

Wenn ich mich nicht mehr darüber definiere, wie irgendwelche Gestalten im Netz über mich denken, dann habe ich die Schranke bereits selbst gesetzt. Wie oft wurde ich auf Mailinglisten, in Foren oder hier in diesem Blog schon mit anonymen Beleidigungen überzogen? Ich hab es nicht gezählt, ich hab es ignoriert. Wenn ich mich nicht mehr davon beeindrucken lasse, dann bleibt nur noch mein Umfeld. Was tue ich dagegen, dass andere irgendwelche haltlosen Behauptungen über mich Glauben schenken, wenn ich diese nicht per Gerichtsbeschluss aus den Köpfen der Menschen verbannen kann? Da würde ich dagegen fragen: Wie machst du es bei Gerüchten, die sich über Mundpropaganda verbreiten? Wir allen wissen, dass man Gerüchten keinen großen Glauben schenken soll, das haben wir früh gelernt. Und wenn man Opfer von Gerüchten ist, dann zieht man sie ins lächerliche, spielt mit ihnen bis sie keiner mehr ernst nimmt. All dies funktioniert genauso bei isharegossip.

Man sieht also, wir haben als Gesellschaft mehr als genug Möglichkeiten die Schranken der Meinungsfreiheit alleine durchzusetzen, ohne die Hilfe der Staatsgewalt. Klar, es hat niemand gesagt, dass es einfach wird. Aber wenn wir die neuen Freiheiten durch die technische Entwicklung nutzen wollen – und diese Chance dürfen wir keinesfalls verpassen – dann muss auch jeder einzelne von uns bereit sein mehr Verantwortung zu tragen.

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