Der Vollständigkeit halber hier nochmal der Artikel der gestern auch als Gastbeitrag auf piratenpartei.de erschienen ist.
Kino.to ist weg und wie geht es nun weiter? Die Alternativen sind zahlreich und bis auf einen kurzen Medienhype ist nichts gewesen. Wenn die Content-Industrie das Problem wirklich angehen will, muss sie selbst in diese Marktlücke vorstoßen. Dabei will ich gar nicht so weit gehen, dass man unbedingt das kostenlose Konzept von hulu.com kopieren muss. Kino.to hatte nicht nur Serien wie hulu.com, sondern auch Kinofilme im Angebot, die wohl andere Verwertungsansprüche haben. Dennoch, ein lizensiertes Angebot muss her, von mir aus kostenpflichtig.
Ein gutes Muster für ein solches Angebot ist das Streaming-Portal Crunchyroll. Für eine durchaus bezahlbare Gebühr kriegt man dort brandheiß die aktuellsten Folgen einer Vielzahl von Animes oder man wartet eine Woche und schaut sich das Ganze dann mit Werbung an. Als alter Anime-Fan war ich kurz davor mir ein Abo zu kaufen. Dann merkte ich allerdings: Ich bin gar kein Streaming-Fan, eine Ausnahmeerscheinung in meiner Anime-Fan-Clique. Ich habe den Fall in letzter Zeit vor allem in Zusammenhang mit kino.to ein paar Mal durchdiskutiert. Am Ende standen sechs Anforderungen, die ich an eine lizensierte Alternative zu kino.to stellen möchte.
1. Ich möchte Mehrwert
Es ist schon lange ein einfacher Schluss, dass kostenpflichtiger Content sinnlos ist, wenn er nicht mal den Nutzen dessen erreicht, was man in gängigen Tauschbörsen findet. Die Musikbranche kann ein Lied davon singen. Die Kunden ließen sich auch dort keinen DRM-verseuchten Blödsinn andrehen, wenn sie an DRM-freien Content kommen.
Ich möchte einen Schritt weiter gehen: Ich will nicht nur den selben Wert, ich will Mehrwert. Ich will ansprechende Features zum Produkt, z.B. Apps für meine mobilen Geräte oder eine Community, auf der ich meine Serien und Filme sortieren und bewerten kann. Ich möchte, dass es einfach und sicher ist. Kein langes Suchen und kein mühseliges Zusammenklicken. Überrascht mich liebe Content-Industrie, haut mich vom Hocker.
2. Ich möchte den Content in meinem Wunschformat
Die einen mögen Streaming, die anderen wollen lieber Downloads. Die einen schauen am liebsten im Heimkino, die anderen vertreiben sich mit dem Content lieber die Zeit im Zug oder in der Badewanne. Die einen nutzen PCs und Laptops, die andern nutzen PSP und Tablet. Die einen schwören auf XviD, die andern auf h264. Die einen möchten fette HD-Auflösung, die andern möchten kompakte Dateien für unterwegs. Dazu kommt, dass kein Kunde monolithisch nur in eine dieser Schubladen zu stecken ist, sondern mal das eine mal das andere möchte.
Eine echte Alternative muss jedem gerecht werden, am besten indem alle diese unterschiedlichen Produkte fix und fertig und gut sortiert zur Verfügung stehen. Mindestens muss es möglich sein, dass ich mir mein Wunschformat aus dem Produkt selbst bauen kann.
3. Ich möchte die Freiheit den Content zu nutzen
Die Geschäftsmodelle der Content-Industrie sind ein Paradebeispiel für schlechtes Marketing. Anstatt sich daran zu orientieren, was die Kunden wollen und wofür sie bereit sind Geld zu bezahlen, ist die einzige Zielgröße, der Industrie die Kontrolle über den Content zu erhalten, von der Produktion bis zum Abspielen beim Kunden.
Das muss aufhören. Ich bin ein freier Mensch und ich möchte die Kontrolle über meinen gekauften Content. Ich möchte kein DRM und keine Wasserzeichen. Ich möchte meinem Kumpel auch mal einen Film brennen dürfen, genauso wie ich ihm eine DVD leihen kann. Wenn ich Lust drauf habe, will ich meinen eigenen Untertitel einspielen oder mein eigenes Opening davor bauen. Und es geht niemanden was an, ob ich das tue oder nicht. Die Rolle der Content-Industrie hat mit dem Kauf zu enden.
4. Ich möchte eine gute Auswahl an Produkten mit attraktiver Preis- und Werbungspolitik
Es gibt Serien, bei denen kann ich kaum warten bis die aktuelle Folge da ist. Es gibt Filmklassiker, die ich in einem Nostalgie-Flash unbedingt nochmal sehen will. Es gibt Serien da will ich nur mal eine einzelne Folge sehen. Es kann Portale geben, wo mir nur vereinzelte Filme gefallen und es kann Portale geben die ein Genre bedienen, bei dem ich alles verschlinge was da kommt.
Für alles brauche ich unterschiedliche Produkte, Abos, Einzel-Downloads, Bundle-Downloads, Streams. Bei manchen nehm ich einen kurzen Werbebblock hin, bei manchen vielleicht noch ein kurze Sponsor-Einblendung, bei manchen gar nichts. Die Preispolitik für die Produkte muss übersichtlich und gleichzeitig ansprechend sein. Dies ist eine Herausforderung, aber ich bin der Kunde und ich kann das verlangen.
5. Ich will nicht warten
Ich will die Möglichkeit haben, den Content in meinem Wunschformat dann zu bekommen, wenn er veröffentlicht wird. Insbesondere will ich nicht warten, bis der Film im Kino durch ist. Wenn ich keine Lust auf überteuerte Softdrinks und viele Leute habe, will ich meinen Film auch daheim auf dem Sofa in der Unterhose mit Fertigpizza anschauen können.
Ich will auch nicht warten, bis der Content in meine Landessprache übersetzt ist. Wenn ich der Originalsprache mächtig bin, dann will ich es gleich bekommen können. Die alte Verwertungskette, bei der ein Film zuerst in den USA ins Kino kommt, dann in Deutschland und dann vielleicht irgendwann mal auf DVD ist anachronistisch und muss weg. Das bringt mich insbesondere zu meiner letzten Forderung:
6. Ich will keine Grenzen
Nicht nur will ich verfügbaren Content zur selben Zeit wie Japaner oder US-Amerikaner, ich will auch auf nichts verzichten müssen. Ich will keine geschnittenen Versionen oder erst recht keine Meldungen nach dem Motto: „Dieser Content ist in ihrem Land nicht verfügbar.“ Wir leben im Zeitalter des Internets, die Content-Industrie muss dort endlich ankommen.
Fazit
Die Anforderungen an ein anständiges Angebot im Netz sind sehr hoch und bedürfen sicher einiger Weiterentwicklung der Content-Industrie. Doch sie hatte dafür genug Zeit, sie hat sich nur entschieden sie damit zu verschwenden irgendwelche alten Modelle zu verteidigen.
Doch die Menschen sind nicht mehr gezwungen nur stumpfe Konsumenten zu sein. Wenn sie nicht kriegen was sie wollen, machen sie es selbst. Die einzige Option der Industrie ist es sich weiterzuentwickeln und zwar schneller als bisher. Viel schneller.
9 Kommentare
2011-06-18 um 3:34 pm
Sechs Anforderungen an eine kostenpflichtige Alternative zu kino.to (via Andis Blog) | toumai`s banana-blog
[…] Sechs Anforderungen an eine kostenpflichtige Alternative zu kino.to (via Andis Blog) Erstellt am 18. Juni 2011 von toumai1470 Der Vollständigkeit halber hier nochmal der Artikel der gestern auch als Gastbeitrag auf piratenpartei.de erschienen ist. Kino.to ist weg und wie geht es nun weiter? Die Alternativen sind zahlreich und bis auf einen kurzen Medienhype ist nichts gewesen. Wenn die Content-Industrie das Problem wirklich angehen will, muss sie selbst in diese Marktlücke vorstoßen. Dabei will ich gar nicht so weit gehen, dass man unbedingt das kostenlose Konzept von h … Read More […]
2011-06-18 um 3:50 pm
Anonymous
Eins sollte man vielleicht nochmals besonders betonen. Bei der Contentindustrie wird der Kunde nicht als der Nutzer gesehen der Geld bezahlt um dafür Waren und / oder Dienstleistungen zu erhalten. Sondern als manchmal störendes Element das sich „erdreistet“ auch noch Ansprüche zu stellen. Die Vermarkter sollten endlich mal von ihrem hohen Ross herunterkommen, bevor sie von neuen zukunftsträchtigen Marketingformen überrollt werden. Sonst wird es ihnen so ergehen wie den damaligen Herstellern der Dampfmaschinen, wer sich nicht dem aufkommenden Markt der Elektromotoren angepasst hat wurde hinweg gefegt.
2011-06-18 um 4:24 pm
Christian
Etwas zu wollen ist immer einfach. Du klingst ein wenig wie ein trotziges Kind, das sich hinstellt und so lange schmollt, bis es sei Eis bekommt.
Einerseits ist das natürlich dein gutes Recht. Als Kunde kannst du entscheiden, wem du dein Geld gibst – oder auch nicht. Aber für einen Inhalt einfach nicht zu zahlen, weil dir die Bedingungen nicht passen und ihn dann trotzdem zu konsumieren, das halte ich für keinen guten Weg. Oder kaufst du jeden Inhalt, sobald er dann hier im Ländle verfügbar ist?
Sei doch einfach so konsequent und nutze nur die Inhalte, bei denen sie dir von den Künstlern in der von dir genehmen Form zur Verfügung gestellt werden. Suche den Kontakt zu Künstlern und sprich mit ihnen über deine Vorstellungen, statt hier im Blog zu ranten. Anders wird das Problemfeld „Urheberrecht“ nicht zu entschärfen sein. Dialog statt Konfrontation ist imho der einzige Ausweg.
Alternativ könntest du natürlich auch selber kreativ werden oder als Mäzen Künstler fördern… 🙂
2011-06-18 um 7:47 pm
Schecki
Man muss sich das einmal durch den Kopf gehen lassen:
Laut der GVU haben die Betreiber von kino.to Millionenumsätze gemacht. Und kino.to war von der Qualität her anscheinend wohl nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Wenn man als Filmindustrie eine gemeinsame Plattform anbietet, wo man das ganze – von mir aus auch mit viel Werbung am Seitenrand – ordentlich und in guter Qualität anbietet, müsste man da ja Milliarden dran verdienen.
2011-06-19 um 5:12 pm
Boris Turovskiy
Ahoi Andi,
die Punkte sind sehr vernünftig, ich würde sie aber aus einer etwas anderen Perspektive betrachten, nämlich als Anregungen für die Filmindustrie weniger als Forderungen. Wenn sie dann ihre Energie darauf anwenden, diese Anregungen umzusetzen, anstatt die bösen Raubmordkopierer zu bekämpfen, könnte auch unsere Forderung nach legalem nichtkommerziellen Filesharing ganz unproblematisch über den Tisch gehen;)
Grüße,
Boris
2011-06-21 um 10:03 pm
Manfred
wow! Ich bin durch Zufall auf diesen Artikel gestoßen und muss dir absolut recht geben. „Dieser Content ist in ihrem Land nicht verfügbar.“ Genau dass nervt mich total! Überall wo ich etwas anschauen will, sei es myvideo.de oder youtube oder hulu immer kommt diese Meldung. Wie gesagt Top Artikel. Mach weiter so!
Eine gute Alternative zu kino.to habe ich allerdings auch gefunden: http://www.online-schauen.com Ich glaube dass ist sogar legal.
2011-06-21 um 10:45 pm
Boris Turovskiy
Bezüglich dem „Content nicht verfügbar“-Mist scheint die Situation etwas komplizierter zu sein als wir es uns vorgestellt haben:) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,768816,00.html
2011-07-06 um 5:00 am
Die Content-Industrie | seblog.org
[…] Andi Popp schrieb in seinem Blog sechs Anforderungen an die Content-Industrie die ich übernehme, weil ich sie nicht besser formulieren kann: […]
2011-07-13 um 8:57 pm
Kino.to ist tot. Lang lebe Kinox.to? « Andis Blog
[…] höchstens in der Lage die Existenzberechtigung der GVU irgendwie zu erhalten. Am Bedürfnis der Kunden ausgerichtete Angebote sind die einzige […]