Mit dem 3. Korb der Urheberrechtsnovelle soll es kommen: das Leistungsschutzgeld (vulgo: Leistungsschutzrecht). Wer immer noch nichts davon gehört hat, hier die Kurzfassung: Im Netz werden immer wieder kurze Ausschnitte aus journalistischen Artikeln gepostet (sog. Snippets), die es dem Leser erleichtern sollen, für ihn interessante Artikel anzuklicken. Besonders bei News-Aggregatoren wie etwa Google News ist sowas höchst praktisch. Nun gefällt das den Verlagen nicht und sie halten das Urheberrecht für nicht ausreichend um sich zu wehren. Deswegen sollen die Presseverleger jetzt nach Willen der Koalition ein neues Schutzrecht bekommen, das Ihnen das alleinige Recht auf Verbreitung selbst kleinster Schnipsel ihrer Artikel gibt, welches sie natürlich entsprechend gegen Entgelt anderen einräumen können.
Warum wollen die Verlage so ein Recht? Der Grund sind die besagten News-Aggregatoren, in denen Besucher sich zu bestimmten Themen Artikel-Snippets anzeigen lassen und sich bei Bedarf auf die Webseite des jeweiligen Angebots durchklicken können. Über solche News-Aggregatoren kommt ein guter Batzen Besucher auf die Seiten der Verlage. Wieso sieht man die jetzt als Problem?
Der Streit reduziert sich im Endeffekt auf ein einzelnes News-Aggregator-Angebot, nämlich das besagte Google News. Die Verlage mögen Google nicht, denn Google schafft das, was sie seit Jahren verzweifelt versuchen: Google verdient mit diesem bösen Internet richtig Geld. Google hat ein Angebot, das auf die Leistung der Verlage zurück greift, Google verdient Geld, also muss Google zahlen, deswegen braucht man ein Leistungsschutzrecht. Das klingt aberwitzig und keiner hat bisher so deutliche Worte gefunden um das zu beschreiben wie Sixtus. Keiner bestreitet, dass zwischen den Verlagsangeboten und Google News eine Synthese besteht, aber die ist keineswegs so einseitig, wie es die Verlage darstellen wollen. Was wäre denn, wenn Google einfach alle Inhalte der Verlage entfernt, wären sie damit wirklich glücklicher?
Ein solches Beispiel sieht man derzeit in Belgien. Die Verleger haben dort vor Gericht durchgesetzt, dass Google ihre Inhalte nicht ohne Erlaubnis bzw. Entgelt auf Google News posten darf. Google nahm das Gerichtsurteil wörtlich und entfernte die Inhalte, jetzt beschwert sich die erste Zeitung, sie werde boykottiert. Ab hier wirkt es schizophren. Dem aufmerksamen Leser wird jetzt nicht entgangen sein, dass der Aufschrei deswegen kommt, weil Google die Seite nicht nur von Google News, sondern auch aus der Google-Websuche entfernt hat. Es sei notwendig, zwischen den beiden Diensten zu unterscheiden, sagt die belgische Zeitschrift La Libre. Ist es das wirklich?
Sowohl Google News als auch die Google-Websuche sind von der Vorgehensweise ziemlich gleich. Beide klappern Webseiten ab und katalogisieren sie nach bestimmten Kriterien. Der Kreis von der Google News indizierten Seiten ist nur deutlich kleiner und die Aufbereitung der Suchergebnisse unterschiedlich. Wo sie sich übrigens nicht unterscheiden, ist die Verwendung von Snippets. La Libre selbst ist ein gutes Beispiel. Möchte ein geneigter französisch sprechender Leser z.B. wissen, wie das iPad den Markt verändert hat und gibt in der Google-Suche etwa „iPad change le marché“ ein, so wird als erstes der Artikel „iPad, ce „machin“ qui change le marché “ angezeigt (zumindest für mich als deutschen User), natürlich mit Snippet. Wenn also die Verwendung von Snippets so schlimm ist, wieso dann der Aufschrei? Ein noch schöneres Detail ist die Tatsache, dass im Gegensatz zu Google News in der Google Suche tatsächlich Anzeigen eingeblendet werden, die Haupteinnahmequelle von Google. Keine weiteren Fragen Euer Ehren.
Das Beispiel zeigt ganz deutlich wie plump und lächerlich die Forderung der Verlage ist. Ob es nun ihre Unfähigkeit ist, ein brauchbares Geschäftsmodell zu entwickeln oder ob sie einfach so anachronistisch sind, dass sie eh keiner mehr braucht, weiß ich nicht. Aber der Weg einfach per Lobbyismus und Gesetz wahllos anderer Unternehmen ihrer Gewinne zu berauben, ist einfach nur widerlich.
5 Kommentare
2011-07-19 um 8:44 am
Jens
Wenigstens wird dann das Vorlesen aus Blogs und Tweets im TV aufhören – denn damit würde man ja das Leistungsschutzrecht der Blogger und Twitterer verletzten.
Btw, wer generiert eigentlich bei einem Pingback den Schnipsel? Der Verlinkende oder der Verlinkte?
2011-07-19 um 8:59 am
Joachim S. Müller
Gälte dieses „Recht“ eigentlich auch andersrum? Also wenn Zeitungen bei Bloggern oder bei Flickr wildern?
2011-07-19 um 9:11 am
Armin Fasold
Schöner Artikel, aber du hast ein kleines Detail vergessen. Im Gerichtsurteil (Auszug: http://www.chillingeffects.org/notice.cgi?sID=2160) steht explizit drin, dass aus allen Seiten von Google die Daten zu entfernen sind.
Neu ist übrigens jetzt, dass es eine Vereinbarung zwischen einen belgischen Verleger und Google gibt und dessen Zeitung nun wieder im Suchindex auftaucht. http://www.physorg.com/news/2011-07-google-belgian-papers.html
2011-07-19 um 2:13 pm
Kusanowsky
Das Problem um das Leistungssschutzrecht wird noch längere Zeit diskutiert werden; und wie immer entschieden wird, man wird nicht glauben können, dass die nächste Entscheidung, wie immer sie lauten wird, die letzte und endgültige in der Sache sein wird. Das kommt daher, dass das Problem eben doch komplexer ist als die Streitenden es kommunizieren möchten. Das gilt erst recht für die Annahme, man könnte die Problemsituation auf juristische Differenzen reduzieren. Aber das Problem, um das es gesellschaftlich geht, lässt sich weder mit juristischen Entscheidungen noch mit Geschäftsmodellen lösen. Anders als in dem Artikel hier behauptet, liegt das Problem der Verlage nämlich nicht in einer mangelnden Fantasie über ein brauchbares Geschäftsmodell begründet. Tatsächlich haben wir es damit zutun, dass die Kommunikation in der Gesellschaft kein Geschäftsmodell ist, aber diese Einsicht konnte bislang immer wieder verschoben werden. Denn Kommunikation über Zeitschriften- und Zeitungsartikel hat es schon immer gegeben und musste es immer geben, in Kneipen, in Büros, in den Unversitäten, überall sorgte das „Geschwätz der Leute“ (Gabriel Tarde) dafür, dass die Werbung irgendwen erreichen konnte, aber dieses „Geschwätz“ war bislang nirgendwo dokumentiert. Es ereignete sich und verschwand wieder. Nunmehr, da diese Gespräche durch Internet dokumentierbar sind, entsteht plötzlich eine Einsicht in diese bislang uninformierte Situation: eine jede Zeitung (was für anderen Waren jeder Art genauso gilt) ist darauf angewiesen, dass möglichst viele Leute möglichst viel darüber mitteilen und erfahren, weil nur so gewusst werden kann, was man den von diesem oder jenem Produkt halten kann. Woher wissen wir denn über die Qualitätsunterschiede zwischen BILD und FAZ? Doch nicht aus der Lektüre dieser Zeitungen selbst, denn woher wissen wir von diesen Zeitungen?
Kommunikation ist kein Geschäftsmodell. Und genau das gilt auch für Google, ein Unternehmen, das jetzt in eine vergleichbare Position kommt wie ehedem die Verlage: man profitiert von der Kommunikation der anderen, aber dieser Profit ist nur möglich, solange noch keine weiteren Möglichkeiten in Aussicht stehen, von diesen Profiten wiederum zu profitieren. Durch ihren imperialen Ausbreitungsdrang können sich Google und Facebook dieser Einsicht entziehen, aber sie lassen sich prinzipiell auf das gleiche Problem wieder ein: die Kommunikationen der anderen, hier die der Internetuser, sorgen dafür, dass sich Google und Facebook imperial verbreiten können. Das „Geschwätz der Leute“ verlagert sich in seiner Bedeutung nunmehr vom gesprochenen Wort, das ja auch in Zukunft nicht wegfällt, auf dokumentierbare und durch einen Algorithmus auswertbare Gespräche in den „social networks“. Wir haben es mit der Situation zu tun, in der eine jede Kuh eine andere melkt und ein jede Kuh dabei übersieht, dass sie dies nur kann, wenn sie von einer anderen gemelkt wird. Und jedes Mal, wenn eine Kuh eben dies heraus findet, wie gegenwärtig die Verlage und in Zukunft Google selbst, schreit sie auf und beharrt auf ihr Vorrecht, das empirisch, also in der gesellschaftlichen Realität des Vollzugs von Kommunikation, gar nicht gegeben ist.
Daher ist es unangebracht, diese aktuelle Brüllerei mit Geringschätzung zu betrachten, weil diese Geringsätzung ihren Teil dazu beiträgt, über Situation keine Klarheit zu gewinnen.
2011-07-19 um 2:21 pm
Kommunikation ist kein Geschäftsmodell #leistungsschutzrecht « Differentia
[…] juristischen Entscheidungen noch mit Geschäftsmodellen lösen. Anders als in dem Artikel „Eine Realsatire zum Leistungsschutzgeld“ behauptet, liegt das Problem der Verlage nämlich nicht in einer mangelnden Fantasie über […]