Der Abend geht, der Morgen kommt und wird eigentlich schon wieder zum Mittag. Die Euphorie steckt mir noch immer in den Knochen. Als vor kurzem in den Tagesthemen die Piratenpartei zum ersten mal einen orangen Balken mit 6,5% bekam, da war die Stimmung bei mir bereits gelöst. Das Wahlergebnis hat mich endgültig aus der Realität gerissen.

Als wir Anfang 2008 noch mit zwei Mann Unterstützerunterschriften sammelten, um einen Wahlvorschlag für die Landtagswahl einreichen zu können (der Versuch scheiterte schließlich), da wettete ich im alten Piratenforum: „Wenn ich noch erlebe, wie die Piratenpartei in ein Berufsparlament einzieht und wenn ich unter den ersten bin, die dort miteinziehen, dann komm ich zur ersten Sitzung mit Hawaii-Hemd und Augenklappe“. (Danke an die Berliner Kandidaten, dass ich das nicht einlösen muss. Komme lieber im Nerd-Shirt 😉 ). Ich habe die PIRATEN anfangs als 20-Jahres-Projekt gesehen.

Der Sommer 2009 brachte die erste Wachstumswelle. Die Mitgliederzahlen gingen senkrecht nach oben. Im LV Bayern haben wir im Prinzip wochenlang nur Mitgliedsanträge bearbeitet. Doch nach der Bundestagswahl ebbte alles ab. Der schnöde politische Alltag einer jungen, schnellgewachsenen Partei ging los. Und er zerrte an den Nerven. Ich stellte mich erneut auf eine lange Aufbauzeit ein.

Im März war meine Vorwahlanalyse für Berlin noch: Alles über 3% ist ein Sieg, alles über 4% ein Spitzenergebnis, alles über 5% eine Sensation. Wie ich heute schon einem Vertreter der Lokalpresse sagte, gehen mir gerade die Worte aus um den Wahlerfolg zu beschreiben. Sicher, die Vorraussetzungen in Berlin waren denkbar günstig, aber so ein Abräumen hab ich mir in den künsten Träumen nicht vorgestellt.

Irgendwie geht alles verdammt schnell. Zu schnell? Jeder der mich kennt weiß, dass ich für alles bereit war und bin. Doch während der eine Teil meines Gehirns weiter fleißig Endorphine ausschüttet, fragt sich der andere was jetzt kommen wird.

Werden die Piraten der Verantwortung gerecht? Schaffen gerade die neu gewählten Abgeordneten den Spagat zwischen Authenzität und Seriösität? Was ändert sich nun in der Partei? Da steckt noch viel Arbeit drin. Was heißt der Erfolg in Berlin für den Rest der Bundesrepublik? Die Situation in Berlin ist ganz anders als in den Flächenstaaten. Von uns wird aber wohl dennoch erwartet, an den Berliner Erfolg anzuknüpfen.

Dazu steht noch ne Menge Arbeit vor uns. Die finanziellen Mittel sind immer noch verhältnismäßig knapp und irgendwie weiß man auch noch nicht so genau, wie es mit der Parteienfinanzierung im nächsten Jahr aussieht. Kommen jetzt neue Mitglieder und kriegen wir die richtig integriert? Kriegen wir unsere Kernthemen noch richtig rüber oder landen wir einfach nur im „Chic“?

Ihr seht, bei mir im Kopf geht gerade alles drunter und drüber und wahrscheinlich liest sich alles grausig. Dennoch muss ich dieses Gefühl gerade irgendwie festhalten, also verzeiht mir einmal diese wirren Worte. So oder so, ich werde jetzt noch ein bisschen versuchen diesen grandiosen Erfolg zu realisieren und mir noch ein paar mal Orden Ogan und Mad Cranium reinziehen. Vielen Dank an die Berliner Piraten und alle andern, die diesen Quantensprung möglich gemacht haben. Nächster Hafen: Bundestag.

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