Ein Gespenst geistert durch die Schlagzeilen. Eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums hat ermittelt, dass eine halbe Million Deutsche internetsüchtig sind. Müssen wir uns Gedanken machen? Kommt die nächste große Droge auf uns zu?

Wir Piraten sind ja immer etwas vorschnell dabei Sucht im Zusammenhang mit neuen Medien als Blödsinn abzutun. Doch wer schon einmal World of Warcraft gespielt hat, sieht sehr schnell, dass da gar nicht so viel falsch dran ist.

Während die Pressemitteilung der Drogenbeauftragten immer wieder in etwas abgewandelter Form zitiert wird, geht eigentlich kaum jemand auf die Studie selbst ein. Mich interessierte allerdings, was einen Internetsüchtigen ausmacht, also habe ich mir mal die Mühe gemacht den Bericht zu überfliegen. Ich muss gestehen einen Teil der Methodik nicht zu verstehen, also kann ich das aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht kritisieren. Faszinierend fand ich allerdings die Fragen, die bei der Erhebung gestellt wurden:

    1. Wie häufig finden Sie es schwierig, mit dem Internetgebrauch aufzuhören, wenn Sie online sind?
    2. Wie häufig setzen Sie Ihren Internetgebrauch fort, obwohl Sie eigentlich aufhören wollten?
    3. Wie häufig sagen Ihnen andere Menschen, z.B. Ihr Partner, Kinder, Eltern oder Freunde, dass Sie das Internet weniger nutzen sollten?
    4. Wie häufig bevorzugen Sie das Internet statt Zeit mit anderen zu verbringen, z.B. mit Ihrem Partner, Kindern, Eltern, Freunden?
    5. Wie häufig schlafen Sie zu wenig wegen des Internets?
    6. Wie häufig denken Sie an das Internet, auch wenn Sie gerade nicht online sind?
    7. Wie oft freuen Sie sich bereits auf Ihre nächste Internetsitzung?
    8. Wie häufig denken Sie darüber nach, dass Sie weniger Zeit im Internet verbringen sollten?
    9. Wie häufig haben Sie erfolglos versucht, weniger Zeit im Internet zu verbringen?
    10. Wie häufig erledigen Sie Ihre Aufgaben zu Hause hastig, damit Sie früher ins Internet können?
    11. Wie häufig vernachlässigen Sie Ihre Alltagsverpflichtungen (Arbeit, Schule, Familienleben), weil Sie lieber ins Internet gehen?
    12. Wie häufig gehen Sie ins Internet, wenn Sie sich niedergeschlagen fühlen?
    13. Wie häufig nutzen Sie das Internet, um Ihren Sorgen zu entkommen oder um sich von einer negativen Stimmung zu entlasten?
    14. Wie häufig fühlen Sie sich unruhig, frustriert oder gereizt, wenn Sie das Internet nicht nutzen können?

Hätte man bei mir angerufen, dann hätte ich wohl immer mit »Ich verstehe die Frage nicht« antworten müssen. Die Fragen sehen das Internet als etwas, dass man tatsächlich in einem abgeschlossenem Zeitraum konsumiert, wie eine Flasche Bier. Für viele Digital Visitors ist das sicher so, aber bei Digital Residents ist diese Sichtweise vollkommen falsch.

Ich höre mit dem Internetgebrauch niemals auf, ich habe ein Endgerät typischerweise immer griffbereit. Ich schlafe nicht wegen »dem Internet« zu wenig, sondern weil ich darüber mit meiner Freundin bis in die Nacht skype. Ich benutze das Internet nicht in Sitzungen und ich verwende es während meiner Aufgaben im Haus (Beim Abspülen stelle ich z.B. mein Tablet in den Hängeschrank und schau mir den Stream von „The Daily Show“ an). Meine Alltagsverpflichtungen, kann ich sowieso schon gar nicht mehr ohne das Netz erledigen und wenn mir ein Digital Visitor (z.B. aus dem Rest meine Familie) erzählt ich verbringe zu viel Zeit mit den Internet, dann kann ich da eh nur müde lächeln.

Mein Fazit ist, dass die Studie nicht wirklich belastbar ist, weil allein die Vorstellung von der Nutzung des Netzes hier an der Lebensrealität vieler Menschen genauso vorbei geht, wie die Radiergummipolitik. Die Forschung muss hier feinkörniger werden und die Suchtfrage an anderen Punkten festmachen. So allgemein gefragt hätten sie mich eigentlich genauso fragen können, ob ich trinkwassersüchtig bin.

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