Die Europäische Union ist ein Hort von Filz und Vetternwirtschaft. Wer dafür noch Beweise braucht, der sollte sich mal die Nachricht des Tages ansehen: Guttenberg wird Berater der EU-Kommission in Sachen Internetfreiheit. Er soll beraten, wie man in autoritären Regimen die Cyberaktivisten unterstützt. Wer dabei denkt, er sei eine gute Wahl, der irrt gewaltig.

Ausnahmsweise geht es dabei nicht um seine abgekupferte Dissertation. EU-Kommissarin Neelie Kroes sagte selbst, sie suche Talente und keine Heiligen. Sie scheint also jemanden zu brauchen, der auf dem Gebiet Kompetenz mitbringt. Was also hat Guttenberg zu bieten?

Was man ihm zugutehalten muss ist, dass er schon immer ein Außen- und Sicherheitspolitiker war. Die Berufung zum Wirtschaftsminister war nicht fundiert, aber die Zeit, die er beim Nichtverfassen seiner Dissertation hatte, hat er passend für seinen späteren Job als Verteidigungsminister investiert. Wie erfolgreich er dabei war, lassen wir hier mal dahingestellt.

Nun gibt es viele Außen- und Sicherheitspolitiker in der EU, doch die Stellenbeschreibung ist doch sehr speziell. Hat Guttenberg besondere Erfahrung im Bereich Hacktivismus? Nennt mich blind, aber derartiges habe ich nicht mitbekommen. Denn während Hacktivisten wie Telecomix voll mit dabei sind, die demokratischen Revolutionen in der arabischen Welt (und darüber hinaus) zu unterstützen, wirkt Guttenberg in Sachen IT eher weniger kompetent.

Das einzige mal, dass er mit dem Thema in Berührung kam, war die Zensursula-Debatte und in der stand er auf der anderen Seite. In »seinem« Wirtschaftsministerium wurde der Gesetzentwurf zum Zensurgesetz nämlich aus der Schublade gezogen und auf den Weg gebracht. Ob es darin liegt, dass seine Frau Stephanie Chefin von »Innocence in Danger« – eine der gefühlt am vehementesten agierenden Anti-Internet-Lobbys – ist, weiß man nicht.

Was also reitet die EU-Kommission diesen Mann zu berufen, während die besten Kandidaten für solche Posten schon ständig in der Presse auftauchen? Liegt es daran, dass man schon soweit von der Realität entfernt ist, dass die eigene Betriebsblindheit gar nicht mehr zulässt, sich außerhalb von bekannten Politikern nach Personal umzuschauen? Oder hat man einfach einem alten Freund einen Posten zugeschanzt?

Dann wiederum passt eigentlich alles ins Konzept. Wahrscheinlich ist die ganze Aktion nur ein bisschen Whitewashing. Denn während sich die europäische Politik außenpolitisch immer ganz vorne in den Kampf gegen Zensur und Überwachung stellt, will man innenpolitisch eigentlich viel lieber in die Richtung der Bekämpften. Oder hat schon jemand vergessen, dass es die EU ist, die INDECT finanziert?

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