Der Offenbacher Parteitag schlägt weiter hohe Wellen. Weiterhin im Zentrum des Sturms steht der Beschluss zur Umsetzung des BGE. Einige Parteimitglieder – auch in prominenterer Position – kritisieren den Beschluss, andere werfen Ihnen fehlendes Demokratieverständnis vor. Hier bricht ein lange schwelender Konflikt im Selbstverständnis der Piraten aus.

Der Parteitag hat etwas beschlossen. Die Frage ob es knapp war oder nicht lassen wir mal dahingestellt, da gibt es keine eindeutige Antwort. Bisher war bei den Piraten alles im Wesentlichen im Lot. Man hat sich organisiert, weil man das Urheberrecht lockern, Überwachung bekämpfen und Zensur verhindern wollte. Hier war man sich bei allem zumindest grundsätzlich einig.

Schon bei der alten „Kernis vs. Vollis“-Debatte wurde darauf hingewiesen, dass sich das bei einer Erweiterung des Programms ändern wird. Nun hat sich der Vollprogrammansatz quasi durchgesetzt und wir sehen, dass es nun einige Beschlüsse gibt, die durchaus umstritten sind und die einige nicht mehr mittragen können oder wollen. Wie sollen sich die jetzt verhalten?

Eine Option ist natürlich immer der Austritt. Aber wenn jedes mal alle, die einen Beschluss nicht aus eigener Überzeugung unterstützen können, austreten, dann wird die Piratenpartei recht schnell zusammenschrumpfen. Das Ziel der Programmausweitung wird damit konterkariert, weil zum Schluss kaum noch Menschen da sind, welche die Ziele vertreten.

Einige sehen den Parteitag als Ultima Ratio, er schafft Fakten wie einst der absolute Herrscher, nur dass es jetzt ein basisdemokratisches (sic!) Gremium ist, dass die Entscheidung trifft. Alle Mitglieder – insbesondere natürlich die Amtsträger – haben jetzt diese Meinung zu vertreten, zumindest nach außen. Das ist im Prinzip das System der Fraktionsdisziplin, mit dem wir uns – so wie ich mich erinnern kann – nie angefreundet haben, im Großen.

Ich denke dass wir Piraten, die wir in der Freiheit des Einzelnen unsere Maxime sehen, da lieber dem Pluralismus einen besonderen Stellenwert zuschreiben sollten. Jeder hat das Recht seine Meinung offen zu vertreten. Parteitagsbeschlüsse sollten nicht das Ende der Debatte sein, sondern lediglich ein Festhalten des aktuellen Stands der Diskussion. Bei Vorständen traue ich den Mitgliedern zu selbst zu entscheiden, wieviel Parteilinientreue sie von einem Kandidaten erwarten und wieviel Individualität sie ihm zugestehen und ihre Wahlentscheidung davon abhängig zu machen.

Wenn wir den parteiinternen Diskurs aufrecht erhalten wollen, dann ist es unabdingbar gerade der unterlegenen Seite Raum zur Meinungsäußerung zu geben. Wie soll jemand auch sonst eine Möglichkeit haben die Beschlusslage zu ändern? Oder wollen wir das gar nicht, sondern hätten die Beschlüsse viel lieber in Stein gemeißelt? Ich hoffe nicht.

Wer also argumentiert, dass eine zu einem Beschluss konträre Meinung zu vertreten ein Torpedieren des Bundesparteitags darstellt, hat in meinen Augen noch nicht verstanden, dass Demokratie viel mehr ist als einfach nur das Niederstimmen der Minderheit durch die Mehrheit. „Friss oder stirb“ bzw. „Akzeptiers oder tritt aus“ sollte hier zumindest nicht die Maxime sein.

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