Die Debatte um SOPA hat in den USA zu einem Clash der Generationen geführt. Dirk von Gehlen – der mir in der Debatte schon länger ein geschätzter Diskussionspartner ist – schreibt auf Sueddeutsche.de über die gegenläufigen Postionen von Duff McKagan und Jonathan Coultoun. Abschließend verheiratet er die Positionen mit folgendem Absatz:
Um dieses zu finden, wäre es vermutlich nötig, Coultons und McKagans Position zu versöhnen. Denn die entscheidende Frage ist nicht, ob man zwischen dem freien Internet und dem Copyright wählen muss, sondern die, ob es einer Gesellschaft gelingt, beides zu garantieren: das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf angemessene Vergütung.
So löblich diese Idee ist, hat sie einen grundsätzlichen Denkfehler.
Ich möchte mir besonders den Begriff des »Rechts auf angemessene Vergütung« eingehen. Einerseits bringt dieser Begriff die Urheberrechtsdebatte sehr gut auf den Punkt. Der Kern der Frage ist, ob und wie kreatives Schaffen im digitalen Zeitalter finanzierbar ist, nicht wie irgendwelche gottgebenen Banden zwischen Urheber und Werk geschützt werden können.
Und dennoch postuliert der Begriff ein falsche Vorstellung, besonders wenn man ihn gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung stellt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein Grundprinzip unserer Gesellschaftsordnung. Genauso ist das freie Netz wie wir es derzeit (noch) kennen, die Grundlage unserer modernen digitalen Gesellschaft.
Im Gegensatz dazu ist die Vergütung von kreativem Schaffen ein sinnvolles Ziel, aber hat nicht den selben Stellenwert wie ein Grundrecht. Wie Jonathan Coulton so schön sagte: »mit Kunst Geld zu verdienen ist kein Menschenrecht«. Es ist vielmehr so, dass es das ureigenste Interesse der Gesellschaft ist, gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen für kreatives Schaffen zu erstellen. Denn wir wollen das gute(!) Urheber ihre Zeit und Arbeit in das Schaffen neuer Werke investieren. Kurz gesagt: wir müssen nicht dafür sorgen, dass kreatives Schaffen vergütet wird, wir wollen dafür sorgen.
Diese Rahmenbedingungen müssen aber auf Basis unserer Grundrechte geschaffen werden. Diese Grundrechte, zu denen unsere »Netzgeneration« eben auch die Freiheit des Netzes zählt, stehen in der Urheberrechtsdebatte eben nicht zur Disposition. Dies ist der Grund für den Protest gegen SOPA und das ist es auch was Jonathan Coultoun meint, wenn er sagt, er würde sich im Zweifel lieber für ein freies Netz entscheiden.
Ich bin mir dennoch sicher, dass es gar nicht notwendig ist Abstriche an der (digitalen) Freiheit zu machen. Die Studie von Mike Masnick hat gezeigt, dass der Content-Markt trotz des Internets immer noch funktioniert und viele Urheber gute Ideen haben, um ihr Schaffen zu finanzieren. Wir müssen nicht jedem Urheber per Gesetz ein Einkommen verschaffen und wir müssen nicht jedes alte Geschäftsmodell retten. Aber wir können und sollten die neuen Ansätze so gut unterstützen wie es uns möglich ist.
Im Wesentlichen sehe ich diese Ziel durch die Position von Jonathan Coultoun perfekt abgebildet, während die Position von Duff McKagan in meinen Augen inakzeptabel ist. Und dennoch eint uns alle das Bedürfnis kreatives Schaffen so gut es geht zu unterstützen. Deswegen bin ich mir mit Dirk van Gehlen im Geiste vielleicht auch gar nicht so uneinig, wenn ich seine These leicht abwandle und sage: Unserer Gesellschaft wird es gelingen den Urhebern ein angemessenes Einkommen zukommen zu lassen, ohne dabei unsere Freiheit einzuschränken.
10 Kommentare
2012-02-08 um 7:03 pm
H.T.Vogler
Hier scheint mir ein grundsätzliches Mißverständnis vorzuliegen. Ein „Recht auf angemessene Vergütung“ sollte es tatsächlich geben – und zwar grundsätzlich für alles und für jeden. Es bedutet schließlich nicht, dass jeder, der sich Künstler nennt, ein „angemessenes Gehalt“ für seine Tätigkeit bekommt – ungeachtet einer Vermarktung seiner Werke. Es bedeutet einen „angemessenen Anteil“ am von ihm erarbeiteten Mehrwert auf dem Markt, wie er auch jedem Arbeitnehmer zustehen sollte.
Es geht um seine Rechte gegenüber der Verwertungsindustrie, wo die Realität – nicht erst seit gestern – anders aussieht. Der allein zu überlassen, was sie als „angemessen“ betrachtet, käme einem Weg in ein neofeudalistisches Ausbeutungszeitalter gleich, in dem die Urheber gerade mal so am Leben erhalten werden, solange sie weiterproduzieren. Danach bestenfalls das „Gnadenbrot“, wen sich andere dumm und dämlich dran verdient haben. Das hat lange Tradition und droht sich durch die Hintertür wieder einzuschleichen. Die Industrie sieht im Urheber bestenfalls eine „Rohstoffquelle“, die es auszubeuten gilt.
Die GEMA z.B. war einmal eine Künstlerorganisation, um genau das zu verhindern und hat insofern natürlich ihre Daseinsberechtigung. Allerdings ist sie in der multimedialen Welt mit schier unendlich vielen zusätzlichen Einkommensquellen bei gleichzeitig starrem Festhalten an überkommenen Verteilungsmechanismen so sehr in Schräglage geraten, dass sie mit den „Feudalherren“ schon fast in derselben Liga beim Ausbeuten eines Großteils der in ihr organisierten Künstler spielt.
2012-02-08 um 10:24 pm
Robert
100%ige Zustimmung
2012-02-10 um 7:02 pm
Andi
Wir sind uns einig, dass der Künstler ein Recht auf Vergütung gegenüber dem Verwerter hat. Das ist ja irgendwo auch die originäre Intention des Urheberrechts.
In diesem Kontext ging es allerdings um SOPA und da wollte man die Freiheit einschränken in der Hoffnung dadurch mehr Geldfluss vom Nutzer zum Urheber/Verwerter zu generieren. In diesem Zusammenhang ist deine Intention zwar richtig, geht aber am hier diskutierten Problem vorbei 🙂
2012-02-08 um 8:21 pm
Name
Was soll ich noch dazu sagen…signed!
2012-02-08 um 10:48 pm
Fritz
Sind wir da tatsächlich mal auf einer linie, und das bei einem so schwierigen thema^^
2012-02-10 um 6:56 pm
Andi
Ich bin der fest Überzeugung wird reden sowieso meist nur aneinander vorbei Fritz 😀
2012-02-09 um 3:45 pm
Mario Mallitsch
Also das Recht auf angemessene Vergütung einzufordern finde ich angesichts der, vergleicht man sie mit Ottonormalverdienern, utopischen Gagen der namhaften Künstlern, egal ob aus Film, Musik oder TV, fast schon …… Gott ich muß aufpassen was ich schreibe. Wenn ich heute Musiker wäre, und dann auch noch erfolgreich, und auf meinem Konto würde sich eine mittlere 2stellige Millionensummer befinden, und es gibt Künstler die verdienen noch mehr, würde ich meine Kunst sowieso jedem kostenlos anbieten. Ein Punkt der meiner Meinung nach völlig ignoriert wird ist, was kann ich machen wenn ich mit dem Produkt nicht zufrieden bin? Ich lade den neuen z.B. Hugh Grand Film nicht runter sonder gehe ins Kino, bezahle brav meine mittlereweile fast schon 10,- Euro Eintritt und der Film ist grottenschlecht. Ich bin mir durchaus bewußt ich hole jetzt weit aus und viele denken was will der denn jetzt, daß ist doch völliger Schwachsinn. Jeder Ottonormalmensch der nicht Millionen verdient muß bei einem Stundenlohn von 10,- Euro Brutto für seine Arbeit grade stehen. Gibt es eine Rückvergütung für die neue echt diesmal schlecht gewordene MusikCD? Ich glaube jeder von uns kennt das und hat das auch schon mal erlebt. Muß ich das so hinnehmen weil der Herr ist ja Künstler und nicht Maurer. Was ist gute Kunst, wo fängt sie an und wo hört sie auf. Und das wichtigste….. was darf sie Kosten?
2012-02-13 um 5:54 pm
Dirk von Gehlen
leider komme ich erst heute dazu, zu antworten, sorry.
du sagst es ja selber: du bist auf der seite von jonathan coulton. du magst die andere seite nicht und hast dafür auch nachvollziehbare argumente. aber: es gibt die andere seite eben auch. wir können sie nicht ignorieren.
mein punkt ist der: wir werden erst dann eine lösung finden, wenn die beiden seiten gemeinsam nach einer lösung suchen – und nicht gegeneinander.
das mag für dich falsch klingen, ich denke aber, dass das auch an deiner position liegt 😉
2012-02-14 um 1:20 pm
Andi
Es ist tatsächlich meine Position, dass ich keine Freiheitseinschränkung zur Durchsetzung des Urheberrechts akzpetieren werde.
Klar gibt es die andere Seite, aber die müssen wir entweder überzeugen oder uns gegen sie durchsetzen. Konsenspotential gibt es da keines und ich finde es auch gefährlich hier einen Kompromis zu beschwören. Man kann einfach nicht „ein bisschen sterben“.
2012-02-16 um 11:17 pm
Aufgeschnappt 16.2.2012 | diowlix
[…] 11.2.2012 Andis Blog: Das Recht auf angemessene Vergütung […]