Das BKA hat einigen »Anschlussinhabern« – nach einer Anonymous-Aktion gegen die Gema im Dezember – gestern einen Hausbesuch abgestattet. Natürlich keinen der netten Sorte, sondern einen klassischen »Raid«, also eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme. Ich möchte an dieser Stelle aufs schärfste protestieren. BKA und Justiz haben hier absolut überreagiert und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Pauken und Trompeten über Bord geworfen.

Ich habe mich über die juristische Behandlung von DDoS-Attacken bereits geäußert. Aber aus aktuellem Anlass muss ich es noch mal direkter sagen: Wenn DDoS-Attacken (ohne Bot-Netz) nach deutschem Recht als Computersabotage gelten dann läuft gehörig was falsch. Wenn DDoS-Attacken von ein 100 Leuten per »Low Orbit Ion Cannon« Computersabotage ist, dann ist dass Ausschütten einer Schüssel mit Streifholzbriefchen Brandstiftung.

Der Straftatbestand Computersabotage ist doch eindeutig auf signifikante Eingriffe in wichtige Systeme ausgerichtet und nicht darauf die Webseite eines Vereins kurzzeitig mit Anfragen zu überfluten. Dass die Justiz hier auf diesen Paragraphen zurückgreift zeugt einfach nur vom mangelnder Kenntnis der Sachlage.

Aber ich sehe ja ein, dass DDoS-Attacken mindestens genauso umstritten sind wie Sitzblockaden. Aber selbst wenn man hier ein strafwürdiges Verhalten erkennt, muss man doch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz waren. Stellt euch vor 100 Leute versammeln sich für eine Stunde vor eine Kik-Filiale, so dass Kunden nur schwer durchkommen, um gegen die Produktionsbedingungen der Billigmode zu protestieren. Würde die Polizei anrücken? Vielleicht. Vielleicht nimmt sie auch die Personalien der Leute auf, aber im schlimmsten Fall kriegen sie einen Bußgeldbescheid, wenn überhaupt.

Aber wenn man das ganze jetzt nicht auf der Straße macht, sondern per Computer, dann kommt ein Rollkommando ins Haus und räumt einem die komplette Hardware aus. Liebe Strafverfolgungsbehörden, die Unverletzlichkeit der Wohnung ist ein verdammt hohes Gut, das solltet ihr wissen. Und die Beschlagnahmung der persönlichen Hardware ist ein nicht weniger massiver Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Und das zieht ihr bei über Hundert Leuten durch, weil die Webseite der Gema für kurze Zeit deutlich langsamer geworden ist. Wie wäre es denn einfach mal damit gewesen die Anschlussinhaber zu einer Vernehmung vorzuladen statt ihnen die Bude auszuräumen. Es tut mir leid, aber für ein solch rabiates Vorgehen habe ich bei aller Rücksicht auf die schwierige Aufgabe, die von Polizei und Justiz zu erfüllen ist, überhaupt kein Verständnis.

Nebenbei sei nur angemerkt, dass wir hier schon sehen zu welchen Chilling-Effekten schon die freiwillige Vorratsdatenspeicherung einiger Provider führt (wie haben die Behörden wohl sonst die IP-Adresse nach so langer Zeit noch auf die Anschlussinhaber zurückführen können). Dies sollte uns nur noch mehr darin bestärken eine gesetzliche Vorratsdatenspeicherung um jeden Preis zu verhindern.


Bild: CC-BY-NC 2.5 xkcd.com – Übersetzung von mir

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