Die Piraten gelten landläufig als säkulare bis religionskritische Gruppe. Was das angeht bin ich wohl ein Exot, denn ich bin für das Recht der Menschen ihre Religion auch öffentlich ausüben zu dürfen, das Recht der Eltern ihre Kinder religiös zu erziehen und für eine (beschränkte) Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften (allen). Mit dem Wahlspruch »Religion privatisieren« der Berliner Piraten kann ich mich z.B. so gar nicht anfreunden. Und dennoch bin auch ich einer derjenigen, der das Urteil des LG Köln Beschneidung an Kindern als Körperverletzung zu werten, begrüßt. Eine gesellschaftliche Debatte über die Abwägung von Religionsfreiheit und Recht auf körperliche Unversehrtheit in diesem Kontext ist längst überfällig.
Eltern, die ihre Kinder beschneiden lassen, berufen sich im wesentlichen auf das Elternrecht und die Religionsfreiheit. Die Gegner führen das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit an. Nun ist es ja so, dass dieses Recht des Kindes, solang es nicht volljährig ist, von den Eltern wahrgenommen wird. Die Eltern müssen z.B. auch zustimmen, wenn einem Kind die Mandeln entfernt werden sollen. Der entscheidende Unterschied ist, dass es sich bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen in der Regel um einen medizinisch nicht notwendigen, unumkehrbaren Eingriff handelt – und dabei ist es völlig unerheblich, dass der Eingriff relativ risikolos ist.
Eine Beschneidung von Kindern ist aber meiner Meinung nach auch aus Gründen der Religionsfreiheit abzulehnen. Denn es ist nicht nur die Religionsfreiheit der Eltern, sondern auch die des Kindes zu achten. Wenn das Kind schon in einem Alter, in dem es nicht einwilligen kann, mit einem Religionszeichen »gebrandmarkt« wird, dann kann es, wenn es einmal mündig ist, dies nicht mehr rückgängig machen. Würden wir akzeptieren, dass Religionsgemeinschaften Kindern religiöse Symbole tätowieren?
Ich denke, dass die Beschneidung von Kindern ohne medizinischen Grund heute nicht mehr angemessen ist. Einige eher säkulare Menschen sagen, dass nur volljährige Personen in einen solchen Eingriff einwilligen können dürfen. Aber ich glaube, dass es hier Möglichkeiten für einen Kompromiss gibt. Eine Person ist in Deutschland mit 14 Jahren religionsmündig. Sollte sich ein Junge ab diesem Alter entscheiden sich aus religiösen Gründen beschneiden lassen zu wollen, so ist dies zu respektieren. Für die Zeit davor gibt es für die betroffenen Religionsgemeinschaften die Möglichkeit den Ritus entsprechend anzupassen und z.B. eine symbolische Beschneidung durchzuführen.
Ich weiß, dass das für konservative Vertreter einer Religionsgemeinschaft sicher nicht einfach zu akzeptieren ist (ich weiß wovon ich spreche, immerhin hat die katholische Kirche mehr als genug konservative Kräfte). Aber wir müssen auch sehen, dass sich religiöse Riten durchaus im Laufe der Zeit geändert haben und dass es auch auf den spirituellen Teil einer religiösen Handlung ankommt.
Das Urteil wird auf jeden Fall noch genug Kontroversen auslösen. Ich hoffe dennoch dass es in diesem Diskurs sowohl auf Seiten der säkularen wie auch religiösen Gruppen Kompromissbereitschaft gibt und dass wir nicht schon wieder auf den nächsten Kulturkampf zusteuern.
10 Kommentare
2012-06-26 um 5:14 pm
Doch zum Scharlatan?
Was soll der Unsinn? Wenn ich beschnitten bin, komme ich nur dann ins Paradies? Wer zahlt denn den Schwachmatenkram den unverantwortlichen Arzt der obwohl keine Erkrankung vorhanden ist meint mit Skalpell an einem jungen Knaben/Mädchen herumschneiden zu müssen? Wer zahlt für Folgekosten wenn dann doch was nicht ganz so gut verheilt? Wie kann dies erlaubt sein? Dem „Arzt“ gehört seine Aprobation aberkannt. Ja ich kenne diese: „Wollen Sie den nicht mal beschneiden lassen?“ Schmutzige Geldgeile von Vergangenheit oder Amerikanismus geprägten Scharlatane. Mittelalter – glaube an den großen BUBU? Ich kenne Jungs, die leiden an diesen Maßnahmen, sind verklemmt/traumatisiert etc.. Eltern die auf Ärzte hereingefallen sind, sind auch dabei bzw. solche die meinen „es ist ja so viel sauberer“. Sorry Andi, der zarte Umgang den Du hier noch pflegst ist völlig unangebracht. Ab in die Grube mit dieser Brut des Unheils, würde mir einer an meine Vorhaut wollen, der würde mich nur einmal fragen können.
Wenn jemand volljährig und bei Sinnen ist kann er mit seinem Körper machen was er will. Klar. Doch bin ich bei Sinnen wenn ich an den BUBU glaube? Mein großer BUBU ist gelb und hat rosa Pünktchen und sein Name darf nur ich aussprechen – natürlich nur unter dem Kopfkissen!
2012-06-26 um 5:43 pm
phil
einfach mal wieder bei vollmond mit einer schuessel gekochter zwiebeln auf dem kopf um mitternacht rueckwaerts um die eiche nahe des friedhofs gehen, das hilft gegen aberglauben und religioesen wahn.
2012-06-27 um 4:54 pm
nd
Ich wurde als kleines Kind getauft, als ich noch nicht einmal sprechen konnte. Heute fühle ich mich vergewaltigt. Ich bin für Religion ab 18. Diese Gehirnwäsche von Kindern gehört strickt verboten.
2012-06-27 um 5:03 pm
Andi
Ja, das sorgt bestimmt für einen guten produktiven Diskurs zu diesem Thema.
2012-06-27 um 5:13 pm
nd
Ich halte einen Diskurs nicht nur für überflüssig, sondern sogar für beleidigend. Das ist meine ganz persönliche, unpolitische Meinung als Opfer der katholischen Kirche. Der ganze religiöse Schwachsinn hat mich Jahre meines Lebens gekostet – wer gibt mir die wieder, wer entschädigt mich dafür? Ich bin froh, dass das für mich ein Ende hat. Trotzdem bringen mich Diskussionen dieser Art regelmäßig auf die Palme. Kinder tun mir wirklich leid. Nur ein Wort dazu: Mittelalter. Immer noch (erst recht in Bayern).
2012-06-29 um 9:32 am
Sympathisant
„Das ist unproduktiv“ ist auch die beste aller möglichen Antworten auf ein persönliches „Ich fühle mich vergewaltigt.“
Gratulation zum absoluten Empathietiefpunkt.
2012-06-29 um 5:49 am
Heinz
,,Eine Person ist in Deutschland mit 14 Jahren religionsmündig.“
Ich denke 18 ist besser, da Kinder mit 14 noch zu leicht beinflusst/bedrängt/gezwungen werden können.
2012-06-30 um 4:22 am
Patrick H.
Jede konkrete Altersgrenze ist letztlich völlig willkürlich. Wie beim Wahlrecht letztlich auch. Auch junge Menschen können Entscheidungen treffen.
Ab wann man genau davon sprechen kann, dass solche Entscheidungen selbstbestimmt sind, ist unmöglich festzustellen, wie ja auch bei Erwachsenen nicht.
Es ist eine individuelle Frage und sie ist individuell zu respektieren. Wenn ein Zwölfjähriger überzeugend seine Entscheidung vertreten kann, ist sie zu respektieren. Und er wird später zumindest damit leben können, dass es seine Entscheidung war.
Bei einem Baby jedoch wird tatsächlich niemand glaubhaft behaupten können, eine selbstbestimmte Entscheidung erkennen zu können.
2012-06-29 um 9:50 am
Anonymous
Sehr geehrter Herr Popp,
ich glaube an einen Gott, welcher jeden von uns Menschen bedingungslos liebt und uns erlöst, und daran, dass die Bibel das Wort Gottes ist. Auch als religiöser Mensch muss ich Ihnen sagen, dass ich Ihren Artikel sehr gut finde. Biblisch gesehen gibt es seit dem Tod Jesu am Kreuz für die Beschneidung ohnehin keinen Grund mehr, Paulus bringt dies an mehreren Stellen im Neuen Testament klar zum Ausdruck.
Auch wenn ich grundsätzlich einer Beschneidung nicht abgeneigt bin, bin ich der Ansicht, dass dies in unserer Zeit jeder für sich selber entscheiden muss.
Übrigens, in diesem Zusammenhang stellt sich (auch wenn dies kein Eingriff in die körperliche Integrität ist) die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Kindertaufe (welche in der Bibel ohnehin nicht zu finden ist). Hat je ein Säugling sein Einverständnis zu dieser Taufe gegeben?
Das höchste Gut eines Menschen ist dessen freier Wille.
MfG
SZ
2012-06-29 um 9:52 am
nd
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