Ich bin ja eigentlich eher skeptisch wenn ein Text mit »Liebe Neupiraten« anfängt, aber das was @The_DanielSan, @forschungstorte und @Carridwen da verfasst haben, ist eine Diskussion wert. Sie beschreiben wie sie sich als »Altpiraten« fühlen, wenn »Neupiraten« in die Partei kommen, die offensichtlich viele unserer Ziele und Ideale nicht teilen. Ich kann das nachvollziehen und ich teile viele dieser Gefühle. Die Frage ist für mich jetzt, wie sollte man damit umgehen?
Erst einmal möchte ich aber dennoch den Begriff »Neupiraten« nochmal kritisieren. Er macht den Eindruck als handele es sich um Piraten, die erst vor kurzem in die Partei eingetreten sind. Aber wie Forschungstorte bereits klar gemacht hat, ist das Eintrittsdatum vollkommen unerheblich. Der Unterschied liegt viel mehr in den zugrunde liegenden Werten. Es gibt tatsächlich jetzt verstärkt Leute in der Partei, die zwar aufgrund der großen Aufmerksamkeit – böse Zungen behaupten aufgrund der Aussicht auf politische Mandate – nun in die Partei eingetreten sind, aber gar nicht verinnerlicht haben, woher die Piratenbewegung eigentlich kommt. Die sind nach der Bundessatzung der Piratenpartei als Parteimitglieder zwar Piraten, aber aus meiner persönlichen Sicht sind sie »nur Parteimitglieder«. Aus diesem Grund werde ich im Folgenden den Begriff »Nichtpiraten« statt »Neupiraten« verwenden.
Die drei Autoren des Ursprungsartikels haben sehr gut klar gemacht, was einen Piraten ausmacht. Und das ist nicht der Mitgliedsausweis der Piratenpartei, es ist das Bekenntnis Teil einer freien, digital vernetzten Welt zu sein, mit allem was dazu gehört. Es ist der Wille die Dinge zu verstehen und dabei althergebrachtes in Frage zu stellen. Und auch aus diesem Grund kann ich eigentlich nur mit den Augen rollen, wenn mir Leute sagen, sie seien Mitglied in der Piratenpartei, fänden aber dass wir endlich anfangen müssten unsere Kinder im Internet zu schützen, böse Killerspiele zu verbieten oder das Urheberrecht zu verschärfen
Ich halte es für ungemein wichtig, dass wir die Identität der Partei erhalten. Wenn die Piratenpartei sich demnächst für Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und Urheberrechtsverschärfung einsetzt, dann ist sie nicht mehr die Piratenpartei, sondern nur noch ein weiterer Parteimoloch der nach Belieben sein Fähnchen im Wind dreht – ein Parteimoloch mit Liquid Feedback vielleicht, aber das ist dann auch nichts mehr wert. Und aus diesem Grund liegt es an uns uns mit den Nichtpiraten auseinanderzusetzen.
Und dennoch möchte ich die »Gegenwehr« des eingangs verlinkten Artikels nicht teilen. Ein »verpisst euch« ist mir auch für Nichtpiraten zu verkürzt. Mitglieder, die sich vielleicht mit einigen Aspekten unseres Programms identifizieren können, denen aber das zugrunde liegende Gesellschaftsbild noch fremd ist, sollten sich diesem zwar öffnen, aber das ist keine reine Bringschuld. Es liegt auch an uns den Nichtpiraten – ob neu oder alt – die Piratenbewegung zu erklären, auf Stammtischen, Parteitagen und im Netz. Wenn sie sich darin nicht wiederfinden, dann werden sie sich früher oder später wohl sowieso für einen Austritt entscheiden und auch das ist ok. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, wir müssen es mit unserer Partei nicht jedem recht machen. Alles was wir verlangen können ist Offenheit für unsere Kultur und alles was wir tun können ist diese zu erklären.
Auch wenn ich mit den dreien von oben nicht vollends übereinstimme, finde ich es gut, dass sie diese Debatte angestoßen haben, denn sie ist wichtig und wir sollten sie nicht mit 140-Zeichen-Flamewars führen, sondern ernsthaft diskutieren. Aus diesem Grund schließe ich diesen Artikel schlicht und kurz mit einem »Danke«.
Update: Der Kollege Jansen hats gestern schon geschrieben.
9 Kommentare
2012-07-12 um 2:58 pm
Frank Berg
Diese ganze Diskussion klingt befremdlich. Das, was ihr die Ideale der Altpiraten nennt, rechtfertigt nicht den Parteienstatus, eher den eines Ineressenverbands. Dass, je größer eine Organisation wird, sich die Meinungsbreite erhöht ist doch nur natürlich. Und dass so viele mit anderen oder neuen Meinungen und Positionen kommen liegt doch daran, dass die Positionen nicht deutlich besetzt oder nicht vorhanden waren. In die FDP würde zB niemand eintreten der ein BGE will. Warum? Weil die Position dazu klar ist. Insofern ist das euer selbstgewähltes Schicksal, was ja nicht negativ ist. Meinungsbildung und Positionierung ist halt ein normaler Prozess bei der Erarbeitung politischer Inhalte. Freut euch über soviel Zuwachs, nutzt die Chancen und das Potenzial, das damit einhergeht. Diejenigen mit Einzelpositionen können sich eh nicht halten und der Ausleseprozess wird automatisch erfolgen.
2012-07-12 um 3:42 pm
Andi
Hallo Frank. Ich stimme dir soweit zu, dass der eine Vergrößerung der Mitgliederzahl eine Meinungsbreite mit sich bringt, aber ich muss widersprechen wenn du sagst, wir hätten in unseren Kernbereichen keine klare Position. Die Position der Piraten zu Netzzensur, Filesharing etc. ist eigentlich ziemlich klar.
2012-07-12 um 11:17 pm
adam.danziger.walencik
Andi .Deutsche Sprache ist zwar nicht meine Muttersprache aber :
klar und ziemlich passen nicht gut zusammen.die position ist klar oder nicht klar .Frank hat Recht -das was passiert ist normal ,jede partei muß damit fertig werden
2012-07-13 um 7:12 am
LordSnow
Die Positionen zu diesen Themen, weswegen wir uns zusammengeschlossen haben sind nicht nur ziemlich klar oder klar, sie sind sogar glasklar, so klar wie es in einer Partei überhaupt möglich ist.
Ich trete doch auch nicht bei den Grünen ein, und fordere dort eine stärkere Nutzung fossiler Brennstoffe oder AKW-Neubau, denn genau das tuen die Nicht-Piraten, das schlimme daran ist sie merken es noch nicht einmal.
Zur FDP, die haben sich mit ihren neuen in Karlsruhe beschlossenem Grundsatzprogramm ziemlich klar für ein Grundeinkommen ausgesprochen, klarer als jede andere der etablierten Parteien. Vielleicht ist es ja bei manchen Menschen generell ein Problem sich damit auseinanderzusetzen, was eine Partei so für Grundwerte und Beschlüsse erarbeitet hat.
2012-07-16 um 2:39 am
sirsu
In die FDP würde niemand eintreten, der ein BGE will? Hmm… Lies doch mal deren „Wiesbadener Grundsätze“. Da steht was über Bürgergeld. Schau mal nach, was damit gemeint ist. Dann können wir weiter diskutieren.
CU
Josey
2012-07-16 um 11:52 am
Y5374
Die FDP will kein BGE.
Die FDP möchte mit ihrem „Bürgergeld“ lediglich die bisherige Erstattung der Wohn- und Heizkosten für Hartz4-Empfänger streichen und durch einen Pauschalbetrag für diese ersetzen. Das hat aber mit einem BGE nichts zu tun.
2012-07-13 um 8:05 am
Alexandra
Ich bin verletzt!
Ich arbeite seit 25 Jahren mit Computern, mein erster Webbrowser war Mosaic, ich habe Assembler für 4 unterschiedliche CPUs gelernt, danach C und C++ und Perl und PHP und weiß der Geier, und ich verdiene Heute meinen Lebensunterhalt damit.
Und „Ihr“ nehmt euch heraus, mit dem Netz aufgewachsen zu sein und es verinnerlicht zu haben? „Ihr“ „wohnt“ im Netz? „Ihr“ seid Teil des Netzes?
Ich will „euch“ das nicht absprechen, aber „ihr“ seid keinesfalls (ausschließlich) die „digitale Elite“; es gibt auch noch andere da draußen. Ich fühle mich ausgegrenzt!
„Ihr“ stellt „Neupiraten“ unter Generalverdacht, sie seien nur an einem netten Pöstchen zum Ausruhen interessiert. Nein, das ist aber nicht so. Mein Eintritt in die PP war freiwillig und ein Angebot, meine Arbeitskraft, mein Wissen und meine Zeit einzubringen.
Ich habe mich auch ohne in der PP zu sein, gegen Zensursula und Vorratsdatenspeicherung aktiv eingesetzt. „Ihr“ stellt euch jetzt da hin und trommelt euch auf die Brust als hättet „Ihr“ die Lorbeeren alleine geerntet.
Sorry! Das Alles war es nicht, was ich in der PP zu finden gehofft hatte. Ausgrenzung, Generalverdacht, Vorbehalte, Mißtrauen, Überheblichkeit.
Ich will hier niemanden persönlich ansprechen – kann ich auch gar nicht, ich kenn‘ ja keinen 😉 – also nehmt’s mir nicht übel. Aber ich glaube, ich und „ihr“, wir passen nicht zueinander.
2012-07-16 um 11:40 am
Andi
Hallo Alexandra, danke für deinen Beitrag. Sprichst du damit jetzt mich an oder die drei von mir verlinkten?
2012-07-16 um 2:13 pm
Alexandra
Hi Andi, Du hast natürlich Recht, daß mein Beitrag eher eine Replik auf den von Dir verlinkten Artikel darstellt, denn auf Deinen Text. Der verlinkte Text vermittelt ein Gefühl der vehementen Ablehnung, das Du, obwohl Du
Dich da wesentlich moderater und differenzierter äußerst, in dem Moment nicht gänzlich ausräumen konntest, so daß ich dann wohl etwas unreflektiert, hier ein paar Worte geschrieben habe.
Letztendlich kann mein Beitrag aber auch immer noch als gutes Beispiel für schlecht gewählte Worte zum falschen Zeitpunkt an der falschen Stelle dienen, die dazu beitragen, Gräben zu vertiefen 😉
Grundsätzlich stimme ich ja mit dem, was Du geschrieben hast überein. Ich habe mir die Partei lange angesehen, bevor ich mich dazu entschlossen habe, ihr beizutreten. Somit läge also die Beibehaltung des Staus Quo auch ganz in meinem Interesse, denn wenn sich die Ziele der Partei von jetzt auf sofort ändern, dann wär ich eben auf dem falschen Dampfer.
Ich habe daher aber den Vorteil, daß ich in etwa weiß, mit wem ich es zu tun habe. Das stimmt umgedreht natürlich nicht, und deswegen fand ich diesen breitflächigen, undifferenzierten, scheußlichen Begriff „Neupiraten“ ebenso wie „ihr“ und „wir“ recht deplaziert und eben auch kränkend.
Aber das hast Du ja auch geschrieben. Somit bleibt eigentlich nur ein Appell, sich die Leute vielleicht doch erst mal anzusehen, bevor man sie wegekelt. Ach ja, schon wieder daneben… 😉