Die Debatte über Mandatsträgerabgaben in der Piratenpartei hält sich jetzt schon ein paar Tage. Ist irgendwo auch kein Wunder, denn das Thema hat es in sich, nicht zuletzt weil zwei offensichtlich unvereinbare Standpunkte aufeinander prallen. Auf der einen Seite sind diejenigen, die eine Mandatsträgerabgabe aufgrund der Finanzlage für unabdingbar halten, auf der andern Seite sind diejenigen, die darin eine inakzeptable verdeckte Parteienfinanzierung sehen. Ich will die Kernargumente hier nochmal gegenüberstellen und einen Konsensvorschlag machen.
Zuerst einmal müssen wir uns fragen: Über was streiten wir uns eigentlich? Fakt ist, dass es bei uns eine Form von Mandatsträgerabgaben gibt. Unsere Mandatsträger spenden jetzt schon an die Partei, so wie viele andere Mitglieder auch.
Gerade vor diesem Hintergrund finde ich das Argument, es handele sich bei Mandatsträgerabgaben um eine Parteienfinanzierung über die Bande, etwas schwierig. Wenn eine Zahlung von Diätengeldern an die Partei bedenklich ist, weil so Staatsgelder an die Parteien fließen, müsste man dann nicht auch die jetzigen Spenden (und Mitgliedsbeiträge) von Mandatsträgern hinterfragen? Und was ist mit Spenden (und Mitgliedsbeiträgen) von anderen staatlich bezahlten Personen wie Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst?
Zur Klärung der Begrifflichkeit hilft hier wie so oft ein Blick ins Gesetz. In §27(1) PartG werden Mandatsträgerabgaben definiert als »regelmäßige Geldleistungen, die ein Inhaber eines öffentlichen Wahlamtes (Mandatsträger) über seinen Mitgliedsbeitrag hinaus leistet.« Unregelmäßige Spenden sind also keine Mandatsträgerabgaben.
Dennoch gibt es auch Parlamentarier bei den Piraten, die regelmäßig Geld an die Partei abgeben und damit de facto Mandatsträgerabgaben leisten. Wollen wir das denen also verbieten? Wenn nicht, worüber diskutieren wir also eigentlich im Geizgate? Bei allen Bundestagsparteien sehen die Satzungen vor, dass die Parteien eine Abgabe festsetzen, die von den Mandatsträgern erwartet wird – natürlich freiwillig. Die Frage um die es nun also geht ist in meinen Augen: Wollen wir so etwas auch machen?
Hier kommt einer der Hauptkritikpunkte ins Spiel: Mit der Freiwilligkeit dieser Abgaben ist es trotz rechtlicher Verbriefung nicht so weit her. Denn im Gegensatz zum eingangs erwähnten Beamten, entscheidet beim Mandatsträger die Partei darüber ob er wieder aufgestellt wird oder nicht. Ein Mandatsträger, der die Abgabe nicht leistet, wird sich bei erneuter Aufstellung wahrscheinlich deutlich schwerer tun. So gesehen ist die Kritik, die Parteien würden sich an den Abgeordnetendiäten selbst bedienen nicht ganz von der Hand zu weisen.
Dennoch muss ich nochmal betonen: Es ist jetzt schon Fakt, dass unsere Abgeordneten Mandatsträgerabgaben oder umfangreiche Spenden leisten. Jeder halt so wie er es für richtig hält. Und da kommt in meinen Augen ein ganz anderer Aspekt ins Spiel. Wenn jeder Abgeordnete anders über seine Abgaben entscheidet, dann kann man den Parteimitgliedern eigentlich nicht vorwerfen, wenn sie die Zahlungsbereitschaft der entsprechenden Kandidaten in Ihre Entscheidung mit einbeziehen wollen.
Demnächst werden die beliebten Bundestagslisten aufgestellt und wenn wir diese Debatte ohne Fortschritt abbrechen, werden gerade die Befürworter der Mandatsträgerabgaben den einzelnen Kandidaten explizit danach fragen, wie viel er von seinen Diäten abgeben würde. Im schlimmsten Fall wird es ein regelrechtes Versteigern der Listenplätze geben. Doch selbst wenn dieses Extremszenario nicht eintritt, sollte die Kandidatenwahl lieber die Kompetenz des Bewerbers in den Vordergrund stellen. Die Zahlungsbereitschaft sollte eigentlich gar keine Rolle spielen.
Kann man dieses Dilemma auflösen? Ich denke schon. Meiner Meinung nach sollte es eine einheitliche Empfehlung für Mandatsträgerabgaben geben. Den Mandatsträgern, die sich daran halten, kann man dann keinen Vorwurf machen. Um der Selbstbedienungsmentalität der Partei vorzubeugen, sollte diese aber explizit darauf verzichten solche Empfehlungen auszusprechen und statt dessen die jeweiligen Fraktionen dazu auffordern – zwingen kann man sie natürlich nicht – selbst über die Art und Höhe der Empfehlung zu entscheiden. Hier halte ich einen entsprechenden Satzungsparagraphen für sinnvoll.
Der Vorschlag ist sicher nicht umfassend zufriedenstellend, aber ich halte ihn für konsensfähig. Wir sollten die Debatte auf jeden Fall nicht abflauen lassen, denn eine schwelende Uneinigkeit in der Sache dient hier glaube ich niemandem.
6 Kommentare
2012-08-02 um 4:52 pm
Impyer
Also der Beitrag ist ein FAIL.
Freiwilligkeit brauch ich nicht in eine Satzung schreiben!
Dann kommt ich an den Punkt wo die „alten“ Parteien sind.
Es ist geheuchelte Freiwilligkeit, nur auf dem Papier vorhanden
Hier wird eine Neiddebatte geführt..
Führen wir nun auch für Piraten mit einem Verdienst von mehr als 5000€ eine „freiwillige“ Abgabe in Höhe von X ein?
„Den Mandatsträgern, die sich daran halten, kann man dann keinen Vorwurf machen.“
Also kann ich jedem der es nicht macht einen Vorwurf machen?
Damit wird der „soziale“ Druck aufgebaut, welchen die anderen Parteien auch nutzen.
So sieht „Freiwilligkeit“ aus?
Dieser Satz zeigt die Absicht klar und deutlich.
Hier wird einen Piraten ein Vorwurf gemacht, weil bekannt ist wie viel er verdient, wenn es nicht bekannt wäre würde keiner „zugreifen“ wollen.
Deswegen ist dieser Beitrag ein FAIL.
2012-08-02 um 10:35 pm
TurBor
„Führen wir nun auch für Piraten mit einem Verdienst von mehr als 5000€ eine “freiwillige” Abgabe in Höhe von X ein?“
Die Satzung hat bereits eine freiwillige Spendenempfehlung von 1% des Nettoeinkommens drinstehen. Der FAIL ist also auf deiner Seite;)
2012-08-02 um 5:12 pm
Grashalm GrünGlück (@KURHOF)
Lieber Andi,
Du bist total transparent – in Deiner Ablehnung der Transparenz, das ist echt bemerkenswert. Und auch sonst – Danke!
Pur wahr ist “ Im schlimmsten Fall wird es ein regelrechtes Versteigern der Listenplätze geben.“ – so wurde @Bueti in die KrankKorpulenz gemobbt und Claudia durfte Praktikanten begrapschen… – das hat die Grünen zu einer „Fisch stinkt vom Kopf her“ Müllkippe gemacht.
Dein „Meiner Meinung nach sollte es eine einheitliche Empfehlung für Mandatsträgerabgaben geben. Den Mandatsträgern, die sich daran halten, kann man dann keinen Vorwurf machen. Um der Selbstbedienungsmentalität der Partei vorzubeugen, sollte diese aber explizit darauf verzichten solche Empfehlungen auszusprechen und statt dessen die jeweiligen Fraktionen dazu auffordern – zwingen kann man sie natürlich nicht – selbst über die Art und Höhe der Empfehlung zu entscheiden. Hier halte ich einen entsprechenden Satzungsparagraphen für sinnvoll.“ ist ebenso anti-transparent und also anti-piratig wie (ne Vorstufe von) organisiert kriminell – wie Du anhand von §27 super schön zeigtest.
Hey,
kapiere einfach mal – an sich sind Parteien im VolksVertreter-System der BRD einfach nicht soooo wichtig;
und Material-Schlachten wie die SPD-Wixer-Plakate noch weniger.
Bitte:
1. transparent
2. AUTHENTISCH – also selbstreflektierend Wirklichkeits-bezogen;
3. Wirksam Ziele erreichend INNERhalb des Systems (Piraten sind an sich eh meist die allerbrävsten ChorKnaben, und nicht so Regierungs-Korrupt.)
4. DENKE GEDANKEN ZUENDE… auf eine produktive, kreative Weise, statt Dich und andere zu behumpsen.
Oh – helfe Dir gerne, wäre eigentlich super.
2012-08-08 um 10:41 am
Ludwig
Sie haben anscheinend von Arnim gelesen. Mein Tip: Lesen Sie ihn noch einmal! Die Zahlung von Mandatsträgerabgaben ist aus drei Gründen problematisch.
1. Mandatsträgerabgaben hebeln das freie Abgeordnetenmandat aus. Diäten sollen ja gerade die Unabhängigkeit des Abgeordneten sicherstellen. Preßt man ihnen nun davon einen Teil ab – mit dem impliziten Hinweis, sie würden sonst nicht wieder aufgestellt -, schafft man ein Abhängigkeitsverhältnis. Wer einmal zahlt, der „zahlt“ auch ein zweites Mal – oder er wird nicht wieder aufgestellt. Die Zahlungen beginnen übrigens nicht im Parlament, sondern schon vorher: Aussichtsreiche Listenplätze oder Direktkandidaturen in sog. „Hochburgwahlkreisen“ kosten in einigen Orten einige Tausend Euro! Diese Listeplatzgebühren werden als Spenden deklariert, da es sich sonst um illegale Parteienfinanzierung handeln würde.
2. Mandatsträgerabgaben hebeln die Gleichheit der Wählbarkeit aus. Ein Arbeiter wird sich die „Spende“ für einen hohen Listenplatz nicht leisten können. Daher kommt er i.d.R. gar nicht in die Situation, Mandatsträgerabgaben überhaupt zu zahlen.
3. Mandatsträgerabgaben, die vor der Wahl für einen Listenplatz oder eine aussichtsreiche Direktkandidatur gezahlt (gespendet) werden, sind noch aus einem dritten Grund problematisch: Für jeden Spendeneuro erhält die Partei 20 Cent zusätzlich. Und der Spender kann seine „Spende“ steuerlich absetzen. Fragen:
2012-08-10 um 12:05 pm
moosline
Wir haben das zeitig genug relativ klar geregelt
Es werden Mandatsabgaben verlangt von jedem der durch die PPS oder einer ihrer Gebietsparteien ein Mandat erlangt..
Die Abgabe beträgt zwischen 2-10% der nicht Spesengebundenden entschädigungen. Wie hoch es im einzelfall ist wird nach der Aufstellung vertraglich zwischen Vorstand und KAndidaten festgelegt. und gilt für die Amtszeit.
2012-08-10 um 12:08 pm
moosline
Es zeigt sich also erneut dass es sinnvoll ist Regelungen für Streitfälle zu treffen von denen man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen muss dass sie eintreffen werden…. (Ja das kann zu Bürokratie führen) Aber manchmal schützt man sich sehr gut so. Und Strukturen sind nicht per se schlecht.