Crowdfunding hat das Zeug das »nächste große Ding« in der Vermarktung kreativen Schaffens zu werden. Und doch sieht es sich gerade aus der Ecke der Verteidiger traditioneller Vermarktungswege immer noch Vorurteilen ausgesetzt. Drei dieser Vorurteile will ich heute widerlegen.
1. Crowdfunding ist Bettelei und Bittstellertum
Ich verstehe bis heute nicht, woher diese Sichtweise überhaupt kommt. Beim Crowdfunding gibt es ganz klassisch zwei Seiten: Die Kreativen bieten eine Leistung an und die Nutzer geben ihnen dafür Geld. Wenn Crowdfunding Bettelei ist, dann ist jede Dienstleistung Bettelei, denn die funktionieren auch nach dem gleichen Prinzip. Ja, man kriegt sein Geld vor der Leistung direkt von den Kunden. Wer möchte kann aber auch gerne wieder einen Verwerter dazwischen schalten, das ist nicht verboten. Ganz im Gegenteil: Viele Kreative wollen vielleicht auch beim Crowdfunding auf das Marketing- und Kampagnen-Knowhow von Verwertern zugreifen. Aber ob ich am Schluss das Produkt verkaufe oder gleich die Leistung der Erstellung, ob ich es direkt mache oder über einen Verwerter, es bleibt Geld gegen Leistung und ist damit nicht mit Bettelei vergleichbar. Nebenbei sei erwähnt, dass es schon etwas seltsames hat, Crowdfunding als Bittstellertum abzutun, aber zu fordern, dass der Staat das eigene Geschäftsmodell mit Gesetz und einschneidenden Überwachungsmaßnahmen durchsetzt.
2. Crowdfunding klappt nur bei ein paar Einzelfällen, die meisten Crowdfunding-Projekte sind erfolglos
Es stimmt, dass man beim Crowdfunding zuerst auf die großen, erfolgreichen Projekte wie Double Fine Adventure oder Amanda Palmer zu sprechen kommt. Und es stimmt auch, dass bei weitem nicht jedes Crowdfunding-Projekt erfolgreich ist. Schaut man sich mal die Statistiken von Kickstarter – der größten Crowdfunding-Plattform – an, ergibt sich folgendes Bild:
Im Schnitt ist also nicht mal jedes 2. Crowdfunding-Projekt erfolgreich. Das kann mehrere Gründe haben. Manchmal ist ein Werk vielleicht tatsächlich in so einer Kulturnische, dass es die nötige Zielgruppe mit Crowdfunding noch nicht erreicht. Meist wird es aber recht profane Gründe haben: Die Projektseite ist lieblos gemacht, das Verhältnis von Werk und angestrebter Geldsumme ist für die Pledger unattraktiv oder der Autor/Musiker/Filmemacher ist einfach nicht so gut, wie er denkt. Denn selbst die beste Crowdfunding-Kampagne hilft halt nichts, wenn das Werk einfach kaum jemandem gefällt.
Aber man muss dennoch sagen, dass eine Erfolgsquote von 44% alles andere als schlecht ist. Nehmen wir die Gruppe »Music«, dann sind es sogar 51%. Ich weiß nicht, wie viele Musiker mit ihrem Versuch einen Plattenvertrag zu bekommen scheitern. Aber selbst wenn man die Indie-Labels dazu nimmt, ist die Erfolgsquote wahrscheinlich weit unter 50%. Das Vorurteil lässt sich also nur halten, wenn man die völlig unrealistische Erwartung von einer Erfolgsquote von 100% an Crowdfunding-Projekte stellt, die auch derzeit von keinem Verwertungsmodell auch nur annähernd erreichbar ist.
3. Crowdfunding eignet sich nur für bekannte und bereits erfolgreiche Künstler
Auch hier kann man verstehen, woher das Vorurteil kommt. Hinter den bekannten Erfolgsbeispielen für Crowdfunding-Projekte, die Summen im siebenstelligen Bereich erreicht haben, stehen häufig bekannte Künstler (Tim Schaefer, Amanda Palmer) oder Marken (Shadowrun Returns, Wasteland 2). Aber auch hier gibt es jüngst Ausnahmen, wie z.B. die Spielekonsole OUYA und das VR-Headset Oculus Rift, die hauptsächlich durch ihre enorme Innovationskraft punkten konnten.
Tatsächlich ist Crowdfunding aber gerade derzeit kein Instrument für die »Großen«, sondern eher für die »Kleinen«. Auch hier hilft ein Blick in die Statistiken von Kickstarter:
Das Gros der erfolgreichen Kickstarter-Projekte (über 92%) ist im Bereich bis 20.000$. Das sind nicht unbedingt die Summen, für die die großen Superstars Alben, Filme oder Bücher machen. Stattdessen sind es eher Newcomer und Nischenkünstler, die hier erfolgreiche Projekte durchziehen. Von diesen Summen wird man sicher nicht reich, was einige vielleicht veranlasst, die entsprechenden Projekte nicht unbedingt als erfolgreich zu bezeichnen. Aber wenn man davon ausgeht, dass der jeweilige Urheber sein Projekt ordentlich geplant hat, können diese Summen durchaus solide Einkommen generieren – nicht für die Superstars, aber für die »Kleinen«.
Stand der Daten: 30.08.2012 13:45