Eine schlecht gebaute Bombe an einem deutschen Bahnhof und schon stehen die Überwachungspolitiker wieder Spalier und fordern mehr Überwachung. Wie durch ein Wunder scheint es sich um den ersten versuchten Anschlag zu handeln, der nicht als Vorwand für eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung herhalten muss (wir erinnern uns an die Reaktion von Herrn Uhl nach den Bluttaten von Anders Breivik). Dafür wird jetzt mal wieder eine andere beliebte Sau durchs Dorf getrieben: Die Videoüberwachung. Wenn wir noch mehr davon haben, dann werden wir endlich sicher sein und wenn man Innenminister Friedrich glauben darf können wir damit »Gewalttäter abschrecken und geplante Anschläge aufklären«. Das alles ist grober Unfug.
Videoüberwachung ist die Homöopathie unter den Sicherheitsmaßnahmen. Viele Leute glauben sie würden dadurch geschützt, aber in Wirklichkeit ist es nicht mehr als ein Placebo. Um Friedrichs Zitat hier mal in das richtige Licht zu rücken: Kameraüberwachung hat noch keinen Terroristen abgeschreckt. Ganz im Gegenteil, wir reden hier häufig von Leuten, die so kaputt sind zu glauben, dass sie mit dem Terror politische Botschaften verbreiten können und dabei nicht selten bereit sind sich selbst das Leben zu nehmen. Die werden sich bestimmt nicht von blinkenden Kästen abschrecken lassen. Kameras gab es auch in Bonn, die haben nur nicht aufgezeichnet, aber das werden die Täter kaum gewusst haben. Und Anschläge werden damit höchstens dann aufgeklärt, wenn sie passiert sind, aber sicher nicht im Vorfeld.
Warum fordern die Uhls und Friedrichs dieser Nation also immer wieder den selben Blödsinn? Weil sie als die sogenannten »Sicherheitspolitiker« den Menschen seit Jahrzehnten versprechen, die Politik würde sie beschützen. Die Botschaft lautet: Wenn man dem Staat nur genug Überwachungsmacht gibt, dann ist das Volk sicher. Dieses Versprechen kann niemand halten. Doch anstatt dies einzusehen, lautet das Credo immer nur »wir haben nur noch nicht genug Überwachung«. Wir dürfen dieses Gift nicht mehr schlucken. Totale Sicherheit ist vielleicht ein Wunschtraum der »Sicherheitspolitiker«, aber es bleibt ein Traum. Und den Preis für diesen Traum will ich nicht bezahlen.
3 Kommentare
2012-12-17 um 1:52 pm
Bernd Kasperidus
Besonders nett dazu … diese Aussage wurde zwar nicht im Zusammenhang mit der Videoüberwachung sondern mit der Gleichstellungspolitik getroffen, dürfte aber doch für alles gelten oder nicht?
“Ich halte es aber schon gesetzesökonomisch für fragwürdig, für wenige tausend betroffene Fälle Dutzende von Gesetzen zu überarbeiten”
Günter Krings MdB, CDU
(Source: guenter-krings.de)
2012-12-20 um 8:45 am
M Vogel
Leider kann ich das gelesene nicht so stehen lassen und ich glaube auch deshalb, dass der Kommentar gelöscht wird.
Über den Abschreckungseffekt kann man stundenlang diskutieren und die für einen öffentlich zugänglichen Informationen nutzen. Was nicht von der Hand zu weisen ist – es findet eine Vergrämung statt.
Was ich nicht verstehe ist, warum wurde im Hauptbahnhof Bonn keine Aufzeichnung durchgeführt und lediglich Live View Bilder zur Verfügung gestellt.
Videoüberwachung ist in der heutigen Zeit ein weiterer Bestandteil der Kriminalistik. Gerade in jüngster Zeit konnten durch Videoaufnahmen in S- und U- Bahnbereichen Straftaten schnell aufgeklärt werden.
Ich würde Sie gerne einmal mit Opfern zusammenbringen, wo die Lebensgrundlage einer Familie durch Einbruchdiebstahl oder durch Gewalt und deren Folgen betroffen sind.
Ich bin genauso wie Sie gegen eine heimliche Videoüberwachung und Eingriffe in Persönlichkeitsrechte – die Überwachung von Sozialräumen oder das Ausspähen von Daten. Es gibt bereits jetzt einen ausreichende gesetzlichen Schutz hierfür.
Viele Grüße
Matthias Vogel
2012-12-20 um 9:59 am
Andi
Es lässt sich wohl drüber streiten, ob ein Vergrämungseffekt stattfindet. Der Gefägnispsychologe Götz Eisenberg vertritt die gegenteilige These, dass (zumindest bei bestimmten Straftaten) Kameras Gewalt eher anziehen.
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/im-glanz-des-kamera-auges
Aber selbst wenn, findet der Effekt nur bei Kleinkriminellen statt, nicht bei Terroristen. Auch darf man sich fragen, wo der Sinn ist, wenn die Gewalt dann nicht mehr in der U-Bahn-Station, sondern 2 Meter davor stattfindet („Ölfleckeffekt“).
Und dennoch Stelle ich kurz fest, dass ich in diesem Text die Aufklärungswirkung von Videoüberwachung erst mal nicht infrage stelle, sondern lediglich den Abschreckungseffekt und damit den tatsächlichen Sicherheitsgewinn.
Sie haben das Argument selbst genannt. Welchem Gewaltopfer geht es besser, wenn er sich danach auf Video ansehen kann, wie er zusammengeschlagen wurde? Ja, für manche ist eine Verurteilung der Täter sicher eine Genugtuung und dass kann ich verstehen (Ich bin auch schon Opfer von Gewalt geworden und hatte diese Genugtuung nicht). Aber sicherer wird man dadurch trotzdem nicht.