In der noch vorm Wahlkampf in Deutschland für beendet erklärten NSA-Affäre rappelt es wieder, nachdem »Le Monde« Details zur Spionage von französischen Telefongesprächen veröffentlicht hat. Jetzt meldet sich Washington beleidigt zu Wort: Die Zeitung hätte die Tatsachen »verzerrt«. Aber wer »Ist ja gar nicht so!« schreit, muss dann auch beantworten, wie es denn ist. Natürlich kommen an dieser Stelle nur die üblichen Ausflüchte: Man könne nicht über Geheimdienstaktivitäten reden, aber man tue nichts böses und überhaupt ist doch alles nur zu unserem Schutz. Dieser Fall zeigt am besten, was am Konzept eines Geheimdiensts grundsätzlich falsch ist.
Ich sehe ein, dass es viele Menschen mit einem hohen Sicherheitsbedürfnis gibt, die wollen, dass der Staat Informationen über Bedrohungen sammelt. Es ist aber durchaus legitim die Frage zu stellen, wie er das tut. Geheimdienste wie wir sie heute kennen, sind inakzeptabel, weil sie sich jedweder demokratischen Kontrolle entziehen. Zwar gibt es in den meisten Staaten eine parlamentarische Kontrolle, aber die ist nicht nur typischerweise vollkommen unzureichend, sie kann auch eine demokratische Kontrolle nicht ersetzen.
Verwirrt? Parlamentarische Kontrolle ist keine demokratische Kontrolle, auch wenn die Bundesregierung auf diese Behauptung hin bestimmt gebetsmühlenartig wiederholen würde, dass die Abgeordneten doch demokratisch gewählt werden. Demokratische Kontrolle geschieht nicht durch bürokratische Abläufe, sondern durch den politischen Diskurs. Wir können zum Beispiel nur über den BER-Skandal sprechen, weil die Informationen grundsätzlich öffentlich sind (wenn auch gerne mal in tiefen Aktenbergen vergraben). Stellen wir uns vor der Bau des Flughafens würde im Geheimen geschehen, die Baustelle wäre von hohen Mauern mit Stacheldraht umzäunt, es gäbe keinen Bauplan, kein Datum für die Eröffnung, die meisten Menschen wissen nicht mal was da gebaut wird und denjenigen, die es wissen, wird unter Strafandrohung verboten drüber zu reden. Wowereits Stuhl wäre kein bisschen angeknackst und niemand hätte je erfahren, dass Berlin Milliarden von Steuergeldern in den Sand setzt. Klingt nicht besonders demokratisch, oder?
Genau das passiert aber bei Geheimdiensten. Wir können keine politische Debatte darüber führen, was Geheimdienste tun, weil wir es nicht wissen. Die Tatsache, dass wir es gerade dennoch tun, liegt daran, dass ein Mensch, der jetzt wie ein Terrorist gejagt wird, uns dieses Wissen zugänglich gemacht hat.
Und dennoch zucken viele Menschen mit den Schultern. Fehlende demokratische Kontrollmöglichkeiten sind der Tod, den man für die Möglichkeit der staatlichen Informationsbeschaffung sterben muss, oder? Genau an dieser Stelle möchte ich widersprechen. Man muss zwischen zwei Dingen unterscheiden: Was der Nachrichtendienst tut (die operative Ebene) und wie er es tut (die methodische Ebene).
Dass es ein staatliches Geheimhaltungsinteresse über die konkreten Nachrichtendienstoperationen gibt, ist nachvollziehbar. Wenn Max Mustermann weiß, dass sein Mobiltelefon abgehört wird, um Gespräche mit Al Qaida abzufangen, wird er das Mobiltelefon nicht nutzen und die Regierung kriegt dann vielleicht nicht mit, dass Max Extremisten für die Ausbildung in Terrorcamps rekrutiert. Aber die Tatsache, dass die Öffentlichkeit weiß, dass ein Dienst die Telefonate von Terrorverdächtigen mitschneidet, ändert nichts an dieser Sicherheit der konkreten Aktion, genauso wenig wie ein Bericht darüber wie viele Telefonate von wie vielen Menschen abgehört werden.
Wir brauchen also vielleicht Nachrichtendienste, aber keine deren Struktur und Methoden geheim sind. Diese Methoden von den grundsätzlichen Berechtigungen bis zu den eingesetzten Werkzeugen müssen in Gesetzen, Verordnungen und anderen offiziellen Schriftstücken stehen und der Einsatz muss ich Berichten und Statistiken auf aggregierter Ebene öffentlich dokumentiert werden, so dass auf der methodischen Ebene ein politischer Diskurs stattfinden kann. Die Kontrolle der operativen Ebene muss sich an den Regeln der methodischen orientieren. Und wenn dann ein Abgeordneter (oder wer auch immer) sieht, dass ein Dienst diese Regeln verletzt muss er das Recht haben, das öffentlich zu machen.
Das ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss, aber es wird Zeit, dass die Regierungen demokratischer Staaten aufhören die Bürger wie Kinder zu behandeln und sagen: »Vater Staat macht das schon, kümmert euch nicht weiter darum liebe Leute. Es ist alles zu eurem besten.« Die Karten müssen auf den Tisch und zwar jetzt.
3 Kommentare
2013-10-23 um 1:09 pm
Die Kleene
Du hast leider die Krux des ganzen selbst angesprochen. Es gibt viele Leute, die sich bedroht fühlen, aber nicht durch den Großen Bruder(TM). Diese Leute haben nun die Mehrheiten Im Bundestag gewählt, und diese Leute sind die Mehrheit der Bevölkerung. Diese Leute sind es auch, die zu ihrer persönlichen Sicherheit das Haus mit allen möglichen Gadgets absichern. Das kann man gut finden oder auch nicht, aber man muss irgendwie mit diesen Fakten klarkommen, und in einer Demokratie ist das solange möglich, wie noch alles Gesetzeskonform ist.
2013-10-24 um 12:40 pm
TurBor
Hi Andi,
mal ein seltener Fall dass ich dir nicht 100% zustimmen kann;)
Was du richtig erkannt und beschrieben hast, ist die Definition von Transparenz. Obwohl wir Piraten uns das Wort auf die Fahnen geschrieben haben und bei jeder Gelegenheit damit werben, besteht in der Partei ein großes Durcheinander, was denn tatsächlich Transparenz ausmacht, da der Begriff eher wie ein diffuses „irgendwie muss irgendwas öffentlich sein“ verwendet wird. Viele unserer interner Debatten um das Zusammenspiel (und die Spannungen) zwischen Transparenz und Datenschutz rühren von diesem Fehlen einer klaren Definition. Politische Transparenz bedeutet, dass die Abläufe transparent sein müssen. Es muss für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein, wie eine Entscheidung zustande kommt, an welcher Stelle von welcher Seite Einfluss genommen werden kann, wo die Verantwortung angesiedelt ist und so weiter. Transparenz bedeutet nicht, dass jedem Abgeordneten ein Peilsender implantiert wird, der alle seine Bewegungen und Gespräche aufzeichnet. Die geheime Wahl ist quasi das Paradebeispiel für diesen Unterschied: die Öffentlichkeit kann prüfen, dass die Urnen am Anfang leer sind, dass alle reingeworfenen Stimmzettel berücksichtigt werden und dass die Auszählung korrekt verläuft, gleichzeitig ist es für niemanden möglich, das Stimmverhalten eines Einzelnen zu überprüfen.
Beim konkreten Thema der Geheimdienste hast du allerdings selber diese verschiedenen Ebenen durcheinandergebracht, was an dem gewählten Beispiel (BER) ganz gut zu sehen ist. Die Transparenz beim Flughafenbau ist nämlich operativer Natur. Bis auf eventuelle Firmeninterna besteht in diesem Fall auch auf operativer Ebene kein Geheimhaltungsinteresse. Genau da liegt der entscheidende Unterschied zur Arbeit eines Geheimdienstes: er kann „Baupläne“ und „Eröffnungsdatum“ nicht öffentlich machen, ohne die Operationen zu gefährden. Snowden hat mit seinen Enthüllungen ebenfalls nicht (nur) die methodische, sondern auch die operative Ebene offengelegt. Der politische Diskurs, den du vermisst, findet durchaus statt, Gesetze, die die Arbeit der Geheimdienste regeln, werden öffentlich diskutiert und beschlossen. Genauso werden allgemeine Statistiken über deren Arbeit veröffentlicht (wenn auch nicht immer freiwillig). Die Tatsache, dass sich Geheimdienste oftmals nicht an die ihnen vom Gesetzgeber auferlegten Regeln halten, hat hingegen nichts mit politischem Diskurs zu tun. Bricht ein Geheimdienst Gesetze, ist nicht der Politiker, sondern der Staatsanwalt gefragt. Operative Transparenz, die nötig wäre, um mit 100%ger Sicherheit solche Verstöße aufzudecken, würde die Arbeit eines Nachrichtendienstes unmöglich machen. Die parlamentarische Kontrolle in der heutigen Form stellt bereits das Höchstmaß an Öffentlichkeit dar, die ein funktionierender Nachrichtendienst für seine Operationen gewährleisten kann.
Grüße,
Boris
2013-10-28 um 11:29 am
ths
Hallo Boris,
Sie sagen „parlamentarische Kontrolle in der heutigen Form stellt bereits das Höchstmaß an Öffentlichkeit dar“.
Woher wissen Sie das, und wie beweisen Sie *mir*, dass diese Aussage vollständig, umfassend und wahrhaftig ist?
Ich verstehe unter parlamentarischer Kontrolle z.B. nicht, dass von einem 13-seitigen Bericht 11 Seiten vollständig geschwärzt sind.
Tschau…Thomas