Die Pariser Anschläge vom 13. November 2015 dürfen wohl in einem Atemzug mit dem 11. September 2001 in New York & Arlington und 11. März 2004 in Madrid genannt werden. Die schiere Wahllosigkeit, mit der unschuldige Menschen zu Opfern wurden, nur weil sie leichte Ziele waren, erreicht bei uns genau das was der Name Terror aussagt: Angst und Schrecken.
Terrorakte werfen immer Fragen auf. Wer? Warum? Wie können wir uns schützen? Die Regierungen des Westens haben die letzte Frage in der Vergangenheit einheitlich beantwortet, indem sie begonnen haben an einer Totalüberwachung zu arbeiten, die – nicht zuletzt unterstützt durch die Digitalisierung – alles bisher da gewesene in den Schatten stellt.
Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Nacktscanner am Flughafen und nicht zuletzt die vollkommen außer Kontrolle geratenen Geheimdienste machen jeden einzelnen von uns zum gläsernen Bürger; und Frankreich war immer weit vorne mit dabei. Die Kosten für unsere Freiheit waren groß, aber das Sicherheitsversprechen hat viele überzeugt, sie zu tragen. Die Anschläge von letzter Woche zeigen aber, wie sich dieses Versprechen angesichts einer Handvoll Fanatiker mit Sprengstoff und Sturmgewehren in Luft auflöst.
Niemand hat die Anschläge verhindert, niemand hat sie kommen sehen, niemand konnte ihnen Einhalt gebieten und ob selbst die Aufklärung scheint verglichen mit den Ressourcen, die darin stecken, quälend langsam. Den einzigen Teilerfolg darf man wohl nach aktuellem Informationsstand der Schleierfahndung der bayrischen Polizei zuschreiben, aber selbst das ist aufgrund der schieren Ausmaße der Ereignisse nicht mal ein Pyrrhussieg.
Wir haben den Preis unserer Freiheit für nichts gezahlt. Schlimmer noch, wir haben den Terror gewinnen lassen. Die Islamisten können uns nicht einsperren, über unsere Politik oder über unseren Lebensstil entscheiden. Also nutzen sie den Terror, damit wir uns aus Angst selbst einsperren, unsere freiheitliche, offene Gesellschaft aufgeben und den Menschen, die vor dem Terror zu uns fliehen mit Argwohn begegnen.
Wir haben genau gemacht, was sie wollten und haben uns in einen goldenen Käfig aus Misstrauen und Totalüberwachung gesetzt. Die Anschläge von Paris kommen mir wie blanker Hohn vor: „Ihr habt eure Freiheit aufgegeben, um euch vor uns zu schützen, aber seht her: es hilft nicht das Geringste.“
Wie nach jeder Bluttat diesen Ausmaßes werden sich nun die Überwachungsfanatiker zu Wort melden. Das Narrativ wird sein, dass uns nur noch mehr Überwachung und noch mehr Aufgabe unserer Freiheit schützen kann. Wie ein Glückspielsüchtiger, der sich nach jedem Bankrott in Schulden stürzt, weil er glaubt, dass nur der Einsatz hoch genug sein muss, damit er alles zurückgewinnt, sehen sie die Ohnmacht der Überwachung nicht, sondern wollen nur mehr.
Viele werden an dieser Stelle die Frage stellen: „Wenn wir uns so nicht schützen können, wie dann?“ Ich will mir an dieser Stelle nicht anmaßen eine Lösung zu präsentieren, denn ich bin nur ein einzelner Mensch und darüber werden wir alle eine Debatte führen müssen. Ich weiß nur eins: Die Totalüberwachung hat versagt.
7 Kommentare
2015-11-16 um 10:46 am
Alex
Hi Andi, sehr guter Blogbeitrag.
2015-11-16 um 12:31 pm
Alex
Nachfrage: wäre es möglich Deinen Text als Piratengedanken bei Piratenpartei-Hessen.de zu veröffentlichen? Mit Verlinkung zu Deinem Blog?
2015-11-16 um 2:02 pm
Andi
Alle Texte stehen unter CC-BY (s. Menü), also los 🙂
2015-11-16 um 3:27 pm
Alex
Danke, ist nun online: https://www.piratenpartei-hessen.de/piratengedanken/2015-11-16-die-ohnmacht-der-totalueberwachung-parisattacks
🙂
2015-11-16 um 1:20 pm
Robert
Da bin ich ganz Deiner Meinung.
Das Problem ist natürlich immer, dass wir nie genau erfahren (werden), wie viele Anschläge durch die Überwachung verhindert werden. Solange durch die Politik kein ordentlicher Nachweis gebracht wird, und bis jetzt ist das nicht der Fall, heißt es für mich: Totalüberwachung = Epic Fail.
Insbesondere, weil dies hier kein Einzeltäter war sondern eine sehr gut koordinierte Gruppe, die sich mit Sicherheit vorher elektronisch abgestimmt hat, oder ggf. sogar direkt vom IS gesteuert wurde.
Aber wie Du schon richtig schreibst: Es ist in Europa genau wie in den USA, wo auch nach jedem Anschlag von bestimmten Gruppen gefordert wird „wir brauchen mehr Waffen, damit das nicht passieren kann“.
2015-11-17 um 5:24 pm
lawgunsandfreedom
Ein Anschlag schon schon schreien die üblichen Verdächtigen wieder nach Verschärfungen des Waffenrechts (und Aufrüstung des „Machtmonopols“. Daß Verbrecher und Terroristen das Waffenrecht völlig ignorieren, wird von den Sicherheitsfanatikern ebenfalls ignoriert. Operative Hektik statt geistiger Windstille – hauptsache es wird was gemacht, auch wenn es keinerlei Auswirkungen auf die Sicherheitslage haben wird.
Waffengesetze werden nur von gesetzestreuen Menschen beachtet. Ein Terrorist bedient sich auf dem Schwarzmarkt und das sind dann keine halbautomatischen Sportwaffen, sondern vollautomatische Kriegswaffen, die man für einen Appel und ein Ei bekommt. Mehr Waffen für die Polizei bringen ebenfalls nichts. Zu wenige Beamte, zu wenige Reviere, zu wenig Präsenzdienst in der Öffentlichkeit. Und selbst wenn man das ändern würde, wird das Anschläge nicht verhindern. Auch mehr Befugnisse für die Behörden (die sie sich eh häufig nehmen, obwohl sie das nicht dürfen), werden daran nichts ändern.
Ein bisschen was könnte die freiere Vergabe von Waffenscheinen an trainierte Privatpersonen bringen. Gegen Bombenattentate hilft das natürlich nichts, aber Attentäter, die wild in die Menge ballern, könnten gestoppt werden, bevor sie noch mehr Schaden anrichten.
Das Waffenthema sollte man etwas differenzierter sehen. Je mehr Waffen ein Staat hat und je mehr er seine Bürger in Sachen effektiver Selbstverteidigung bei gleichzeitigem Rückzug aus dem Gewaltmonopol einschränkt, desto totalitärer wird dieser Staat. Hier geht’s mir übrigens nicht um Selbstjustitz, sondern um Notwehr und Nothilfe, was im Gesetz gut geregelt ist.
„Die Gesetze, die das Tragen einer Waffe verbieten, entwaffnen bloß denjenigen, der ohnehin nicht vorhat, eine Straftat zu begehen. Sie helfen den Angreifern und fügen deren Opfern Schaden zu, sie begünstigen einen Mord und verhindern ihn nicht.“ (Cesare Beccaria, Vater des modernen Strafrechts)
2015-11-17 um 3:39 pm
Hartmut
Hallo zusammen, ich habe gerade meinen Aluhut abgenommen, und wundere mich über die Zusammenhänge Wahl und terroranschlag,
gug mal bei Erdoan
duck und weg