Die Berliner Fraktion hat einen eigenen Entwurf für eine Reform des Urheberrechtsgesetzes vorgelegt. Es basiert – so wird bekundet – auf den Beschlüssen des Offenbacher Bundesparteitags. Was ist nun an diesem Papier dran? Ist es die große Piratenvision in Gesetzesform gegossen oder sind es nur 14 Seiten die ein Ausdrucken auf Papier nicht wert sind?
In Offenbach wurde bekanntermaßen der Antrag PA149 beschlossen. Hinter dem verbirgt sich kein Wahlprogramm, sondern tatsächlich eher eine Rohfassung eines Gesetzesentwurfs. Man könnte also den Eindruck gewinnen, dass das Berliner Papier nur eine handwerklich saubere Variante des PA149 ist. Wenn man es sich aber durchliest, merkt man, dass die zentralen Aspekte aus dem PA149 (sowie aus dem Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland) fehlen. Es gibt z.B. weder eine Verkürzung der Laufzeiten, noch eine Legaliserung der nichtkommerziellen Vervielfältigung, um nur zwei Dinge zu nennen.
Der Grund dafür steht in der PM der Berliner Fraktion:
Dieser Diskussionsbeitrag soll zeigen, welche Gestaltungsspielräume im Urheberrecht aufgrund der Vorgaben des Grundgesetzes, der Europäischen Union und internationaler Abkommen aktuell in Deutschland vorhanden sind.
Die entscheidenden Änderungen am Urheberrecht bedürfen in der Tat eine umfassende Änderung der europäischen und internationalen Rahmenbedingungen. Die AGH-Fraktion hat sich also die Frage gestellt, welche der Änderungen unter den aktuell geltenden Rahmenbedingungen möglich wären und die in einen Gesetzentwurf gepackt. Das ist jetzt nicht verwerflich, der Gesetzentwurf ist auf jeden Fall besser als der Status Quo. Ob dies eine sinnvolle Strategie darstellt, steht aber auf einem anderen Blatt.
Zum einen ist das Papier selbst unter den gegebenen Rahmenbedingungen ziemlich weich gespült. Wenn man entscheidende Bestandteile des Beschlusses herauslässt, so ergeben sich ganz andere konkrete Gesichtspunkte die es kurzfristig zu ändern gilt. Der Beschluss umfasst z.B. keine Kritik an §101 UrhG, der den erst durch das jüngste BGH-Urteil wieder bekannt gewordenen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch bei gewerblichen allen Rechtsverletzungen beinhaltet. Eine Reform dieses Paragraphen wäre aber auch unter den restlichen durch den Beschluss vorgeschlagenen Bedingungen (Freigabe der nicht-kommerziellen Nutzung) gar nicht notwendig. Aber in einer solchen kurzfristigen Lösung, wie sie der Entwurf der AGH-Fraktion anstrebt, müsste man dies wieder berücksichtigen. Und das ist nur ein Punkt.
Zum anderen steht die Frage im Raum, ob man überhaupt eine solche Interimslösung anstrebt. Die Piraten haben sich gemeinsam mit unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisationen – erfolgreich – gegen ACTA durchgesetzt, gerade weil wir nicht wollen, dass unsere Politik durch Verträge bestimmt wird, die von Regierungen und Lobbys im Hinterzimmer ausgehandelt werden, sondern durch unsere Parlamente. Und das heißt nun mal auch, dass TRIPS und das Bern-Abkommen auch fallen müssen. Und wenn die Fraktion jetzt hier sagt »die internationalen Rahmenbedingungen kriegen wir auf absehbare Zeit eh nicht geändert, also kümmern wir uns lieber erst mal um die Nebenkriegsschauplätze als um die zentralen Probleme«, dann liest sich das eher wie eine Kapitulationserklärung. Ein solcher Entwurf ist nur dann sinnvoll, wenn man ihn klar und unmissverständlich als ersten Schritt einer umfassenden Strategie präsentiert. Hier hat man das aber der Presse völlig isoliert vor die Füße geworfen.
Es wäre schön gewesen, wenn die AGH-Fraktion hier den Kontakt zu den Fachleuten in der Partei gesucht hätte, sowohl in der strategischen als auch in der inhaltlichen Frage. So wie es jetzt ist, kann ich nur empfehlen dem Papier nicht zuzustimmen.
4 Kommentare
2012-09-04 um 12:56 pm
Sylvia
Simon Weiß (medienpoliitischer Sprecher) besteht darauf, dass es nicht der En twurf der Fraktion ist, sondern der von Christopher.
2012-09-04 um 1:25 pm
LordSnow
Hi Andi,
ich möchte dir verhement widersprechen.
Für die Schutzfristendebatte ist zwar eine Änderung oder auch Auflösung von TRIPS und Bern notwendig, aber keinesfalls für die Ausweitung bzw. teilweise einfach nur Rückführung des &53UrhG zur Schranke des privaten Weitergebens, also der wirklich zentralen Piratenforderung. Auch die Schutzfristen sind nur ein Nebenschauplatz, wenn die Schranken ordentlich gefasst sind. Und mit dem Entwurf von Christopher Lauer (schreibe jetzt bewusst nicht Berliner Fraktion) sollen Tauschbörsennutzer weiterhin abgemahnt werden, was natürlich irgendwo eine Störerhaftung und die VDS der ISPs (trotz Flatrate, und ohne Abrechnungsnotwendigkeit) voraussetzt.
siehe Änderungsvorschlag zu XIX. § 97a Abs. 2 UrhG, Änderung:
„Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich auch in solchen Fällen auf 100 Euro, in denen veröffentlichte Werke im Umfang normaler persönlicher Nutzung über ein Peer-to-Peer Netzwerk bereitgestellt oder abgerufen werden. Dies gilt nicht, wenn die Rechtsverletzung den Rahmen privater Nutzung im Sinne einer Mengenmäßigen Beschränkung auf wenige Titel übersteigt.“
https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/4498.html
Das ist ein Armutszeugnis und könnte aus der Feder der CDU stammen, die ja mittlerweile genau das fordern, ich glaub die wollten sogar schon auf 50€ runter gehen, damit würde die Piratenpartei noch stärkere Sanktionen für Tauschbörsennutzung fordern als die CDU.
Viele Grüße
René
2012-09-04 um 2:06 pm
Andi
Wie immer möchte ich dir eigentlich Beipflichten René, ich bin mir aber immer noch nicht sicher, ob die private Vervielfältigung dem 3-Stufen-Test aus dem TRIPS-Abkommen standhält.
2012-09-04 um 2:38 pm
LordSnow
Du meinst doch den Artikel 13 (?), also
„Limitations and Exceptions
Members shall confine limitations or exceptions to exclusive rights to certain special cases which do not conflict with a normal exploitation of the work and do not unreasonably prejudice the legitimate interests of the right holder. “
http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/27-trips_04_e.htm#1
Da sehe ich keine Probleme, da bisher nahezu alle unabhängigen Studien zu dem Ergebnis kommen, dass Filesahring die „normal exploitation“ sogar noch verbessert, siehe die groß angelegte Studie der holländischen Ministerien: „Generally, file sharing and buying go hand in hand. Consumers who download tend to be aficionados of music, films or games, which therefore play an important role in their daily lives. Among music and film downloaders, the percentage of buyers is just as high as among non-downloaders; among game sharers, the percentage of buyers is even higher than among people who do not download games. In addition, music downloaders have been found to go to concerts more and to buy more merchandise. Game sharers buy more games a year than gamers who do not download and film sharers tend to buy more DVDs on average than do non- file sharers. Most file sharers say they would not change their buying habits if downloading were no longer possible.“
Klicke, um auf Ups_And_Downs_authorised_translation.pdf zuzugreifen
oder die gerade erst erschienene Hammond-Studie, und die jährlich steigenden Milliardengewinne (skyisrising), aber kennst du ja alles. Da mach ich mit überhaupt keinen Kopf, dass es da Probleme gibt, und das Gerichtsverfahren will ich sehen, wo Deutschland wegen TRIPS verklagt wird.
Mich stört auch die Logik dabei. Als nächsten kommt dann ein Vorschlag der Piraten für die nach der EU-Richtlinie vorgegebene VDS-Umsetzung. Wir müssen doch versuchen diese Regelungen zu kippen und nicht auch noch Erfüllungsgehilfe bei deren Umsetzung spielen. Wobei uns wie gesagt TRIPS keineswegs belegbar für die (Rück)Änderung von §53 UrhG im Wege steht.
Viele Grüße
René