Ich bin ja in letzter Zeit ständig dabei Repliken zu verfassen. Umso mehr freut es mich, dass ich mich diesmal nicht den üblichen Wahlkampfangriffen erwehren muss, sondern eine sachliche Diskussion führen kann. Juli Zeh heißt heute meine etwas unfreiwillige Diskussionspartnerin. Als Autorin eines Buchs über Bürgerrechte, ist sie eigentlich im Herzen richtig piratig. An dieser Stelle hier gleich mal ein Dankeschön für ihre literarische Arbeit. Damit will ich insbesondere sagen, dass ich jetzt, ähnlich dem Motto der Autorin, etwas provokant diskutieren werde, aber keinerlei persönliche Probleme mit Juli Zeh habe.

Knackpunkt der Debatte ist ein Zitat aus einem Interview mit Spiegel-Online, das schon über Twitter weite Kreise gezogen hat:

Beim Thema Urheberrecht zum Beispiel erkenne ich als Juristin, dass die einiges nicht verstanden haben, zum Beispiel den Unterschied zwischen Urheberrecht und Verwertungsrecht.

Ich bediene mich bei der Antwort einfach mal ganz piratig des Stilmittels des Remixes:

Als Politiker sehe ich, dass Juli Zeh beim Thema Urheberrecht einiges nicht verstanden hat, zum Beispiel, dass es gar nicht um juristische Spitzfindigkeiten geht.

Aufgrund der Tatsache, dass die Parlamente voller Juristen sind, vergessen wir nämlich meist, dass Politiker und Juristen zwei komplett unterschiedliche Aufgaben haben. Überspitzt gesagt, beschäftigen sich Juristen damit, wie das Recht ist und Politiker beschäftigen sich damit, wie das Recht sein sollte.

Um die Sache hier etwas zu entschärfen, uns ist sehr wohl bekannt, dass es sich beim Verwertungsrecht nur um einen Teilaspekt des Urheberrechts handelt. Das Verwertungsrecht ist natürlich der Hauptaspekt der Politik der Piraten. Dass es allerdings nicht der einzige ist, zeigt diese Woche auch etwa der  Plakat-Remix-Streit, indem die Fotografin versuchte ihr Urheberpersönlichkeitsrecht geltend zu machen, um die Remixe als Teil der Meinungsäußerung als Entstellung zu untersagen. Sie hat es zum Glück dann doch soweit bewenden lassen. Aber hier spielt auch ganz klar die Forderung der internationalen Piratenbewegung mit rein, abgeleitete Werke immer zu erlauben, wie sie etwa in der Uppsala-Deklaration erklärt ist.

Warum sprechen wir also meist vom Urheberrecht und nicht vom Verwertungsrecht? Nun zum einen liegt es daran, dass die Piraten eine internationale Bewegung sind. In der internationalen Debatte orientiert man sich meist am US Copyright, das Pendant zum deutschen „Urheberrecht“, indem das Verwertungsrecht aber viel stärker mit dem Rest verwoben ist. Allein durch die Übersetzung gehen da natürlich einige Details verloren.

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass wir durchaus auch das Urheberrecht meinen, wenn wir „Urheberrecht“ sagen. Eine unserer zentralen Forderung ist es etwa, dass das Urheberrecht sich nicht in den privaten Lebensraum der Menschen erstrecken darf. Dies schließt neben der Tatsache, dass wir ein Recht auf Privatkopie fordern (betrifft Verwertungsrecht), natürlich auch die andern Aspekte des Urheberrechts ein. Dazu zählt etwa, dass ich mich nicht strafbar mache, wenn ich meinen Kumpel eine MP3 ohne explizite Nennung des Künstlers schicke (betrifft Recht auf Anerkennung der Urheberschaft, also Urheberpersönlichkeitsrecht) oder das der Künstler nicht einfach bei mir als Privatmann auftauchen kann um mich dazu aufzufordern ihm mein Exemplar seines Werkes zugänglich zu machen (betrifft das Zugangsrecht).

Dass wir natürlich hauptsächlich auf die Laufzeiten des Verwertungsrechts abzielen, wenn es darum geht Werke wieder schneller in den allgemeinen Wissens- und Kulturschatz zu überführen, versteht sich in meinen Augen von selbst. Zugeben muss ich allerdings, dass ich hier auch häufig bewusst „Urheberrecht“ sage, auch wenn ich „Verwertungsrecht“ meine. Das ist so ein Trade-Off, den man als Politiker immer mal machen muss, um auch dem „Otto Normalbürger“ seine Ziele näher zu bringen. Da geht es nicht darum demjenigen einen Vortrag über die Theorie des Urheberrechts zu halten, sondern die Idee rüberzubringen. Aus fachspezifischer Sicht, kann ich mich dem Vorwurf in dieser Situation tatsächlich nicht voll verwehren, aber man kann es halt nicht immer jedem recht machen.