Ich muss zugeben, ich bin etwas geschafft nach der letzten Sitzung. Nicht dass ich nicht schon mal lange am Telefon getagt hätte, nicht dass ich wenn mich Themen nur am Rande interessieren ich die Zeit vorm Rechner nicht auch sinnvoll nutzen kann, aber es gibt ein Thema dem ich absolut überdrüssig bin und es eigentlich nicht mehr hören kann und dieses Thema lautet Liquid Feedback. Ich weiß, als Bundesvorstand ist es eigentlich meine Aufgabe für einen reibungslosen Ablauf dieses Projektes zu sorgen, aber so langsam verlassen mich hier die Kräfte. Als es mir zum ersten Mal in Kassel vorgestellt wurde, hatte ich eigentlich große Hoffnungen in dieses Tool, doch die sind jetzt weg. Nicht dass sich meine Einstellung gegenüber dem Teil an sich geändert hätte, es ist eher der ganze Prozess, der vielleicht bezeichnend ist für die aktuelle Situation in der Partei.
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, aber manchmal sieht man auch vor lauter Basisdemokratie die Basis nicht mehr. Die Debatte um die innerparteiliche Demokratie ist irgendwie zur Tooldebatte degeneriert. Und die Gräben werden tief gebuddelt. Für die einen ist es immer noch selbstverständlich, dass ihre Privatsphäre bis weit rein in ihre politische Arbeit innerhalb der Partei reicht und Transparenz nur was für die andern ist, für die andern entwickelt sich das Experiment mit dem wir Erfahrungen sammeln könnten zum großen Feldversuch des I-Votings, bei dem ums verrecken kein Fehler gemacht werden darf, obwohl genau das auch ein Sinn eines Experiments sein kann.
Und mittendrin sitze ich hier als Bundesvorstand und fühle mich wie ein Spielball eines außer Kontrolle geratenen Mobs. Von Seite des LF-Projekts wird sich immer wieder auf den Parteitagsbeschluss berufen, aber dass man dessen Budgetrahmen und sicher auch dessen Intention schon weit gesprengt hat interessiert keinen. Von heute auf morgen bekommt man Umlaufbeschlüsse ins BuVo-Postfach, die alles anders machen als bisher erwähnt, mit 4-fachem Preis natürlich, damit die armen Bezirke der Stadt Berlin auch was davon haben und soll sie auch bitte in 2 Minuten abgestimmt haben. Und wenn ich mich zu Wort melde um das Volumen der Ausgaben anmahne, für das ich und der Restvorstand gerade stehen müssen, nicht der Parteitag der 800 € genehmigt hatte, dann hör ich von einzelnen auch schon mal ich wolle nur das Projekt sabotieren. Von Seiten der Gegner bekommt man Schiedsgerichtsklagen an den Hals, wohl auch nicht viel besser.
Doch wie eingangs schon erwähnt, ist dies wohl einfach ein Symptom über die aktuelle Situation in der Partei. Die meisten die heute dabei sind kamen im letzten Sommer zur Partei. Es war eine grandiose Zeit die ich für nichts in der Welt missen wollte. Wir hatten Schwung, wir hatten Spaß und wir haben eingeschlagen. Dass diese Zeiten nicht ewig halten war mir klar. Sicher, die Piratenpartei hat sich schneller entwickelt als wir uns erträumt hätten, aber dass danach eine Zeit harter Arbeit auf uns zukommt war unausweichlich. Vielleicht ist hier das Problem, dass diejenigen die bei voller Brise an Deck gekommen sind, die Flaute auch nicht gewöhnt sind. Diejenigen die noch zu archaischen Zeiten mit mir 8 Stunden am Infostand verbracht haben um danach 20 der für die Landtagswahl nötigen 8146 Unterschriften in der Hand zu halten tun sich da vielleicht leichter.
Einige scheinen allerdings über die etwas ruhigere Zeit jetzt leicht frustriert. Jeder hat natürlich einen Plan wie man die Partei jetzt wieder auf 200 km/h bringt, aber die ganzen Leute mit den Plänen verkeilen sich ineinander. Wir kritisieren immer wieder die Machtspielchen in den großen Parteien, aber bei uns läuft es genauso, nur dass es halt mehr sind, die an diesen Spielchen teilnehmen. Die politische Elite bei uns entsteht halt nicht durch Wahl, sondern durch Zeit, Nerven und Flamegewöhnung. Ich habe den Eindruck, viele glauben sich durchsetzen zu müssen und ihren Plan in Stein zu meißeln. Sei es jetzt über Liquid Feedback oder über Parteitage.
Viele sehen in Beschlüssen und Abstimmungen die Sprache, in der die Piratenpartei programmiert wird. Was sie dabei vergessen ist, dass unsere Partei aus Menschen besteht, nicht aus Maschinen, nicht aus Stimmkärtchen am Parteitag, nicht aus Mails auf Mailinglisten und auch nicht aus Pseudonymen in Liquid Feedback. Viele glauben wenn man nach einem harten Gerangel irgendwie einen Beschluss durchsetzt, dann hat man sich halt endlich mal entschieden.
Aber seid mal ehrlich zu euch selbst. Wenn etwas beschlossen wird was mir nicht passt, dann ist es mir ehrlich gesagt egal, ob es die Parteispitze beschlossen hat, ein Parteitag an dem ich nicht da war, eine Tool-Abstimmung an der ich nicht teilnahm oder ein Parteitag (eine Abstimmung) an der ich niedergestimmt wurde. Es löst vielleicht Frust bei mir aus, immerhin gibt es bei Abstimmungen immer einen Verlierer, aber ich werde deshalb nicht meine Meinung ändern. Und ich möchte auch von niemand anderem verlangen seine Meinung zu ändern oder aus der Partei auszutreten.
Bei Beschlüssen die eine direkte Folge haben, etwa das X € für Y ausgegeben werden, geschieht dies halt unter meinem Protest aber es geschieht. Was anderes ist es allerdings bei Entscheidungen die breit umgesetzt werden müssen. Denkt immer dran, Liquid Feedback stellt sich nicht an einem Infostand und erzählt über das tolle beschlossene Programm und der Bundesparteitag organisiert keine Großdemo.
Das Ziel wenn man die Partei weiterbringen will liegt also nicht im Turbo-Beschlüsse-Fassen, sondern darin die Sachen so aufzuziehen, dass eine möglichst breite Menge von Piraten sie unterstützen will. Diese Leute, die vielleicht einfach nur jedes Jahr ihre 36 € zahlen, die vielleicht nur alle vier Jahre zum Plakate kleben kommen, die vielleicht nur mal im Jahr die Parteifahne bei einer Demo hochhalten oder die vielleicht nur ab und an auftauchen um an einem Infostand zu helfen aber auch diejenigen die jede Woche bei Stammtischen sitzen, die kleine und große Aktionen aufziehen und ständig ihr Umfeld von der fabelhaften Politik der Piraten erzählen, das ist eure Basis.
Und damit wir alle mit Begeisterung bei der Sache bleiben, braucht es keine Dauer-Kampfabstimmungen sondern vor allem erst mal eine gehörige Portion Empathie. Seid euch bewusst wer eure Mitpiraten um euch herum sind, welche Sorgen und Nöte sie haben, welche Emotionen sie gerade rütteln und wie man sie begeistern kann. Wenn ihr eine knappe Entscheidung durchsetzt und versucht die Gegner darauf festzunageln, dann provoziert ihr schlicht und ergreifend Streit und Zerfall. Wenn ihr euch aber die Mühe macht auf eure Mitpiraten einzugehen und sie auf breiter Fläche überzeugt und begeistert, dann kommen wir weiter.
Lasst es mich vielleicht mit den Worten von Baby-Sinclair aus der Disney-Serie „Die Dinos“ sagen
Natürlich sind die meisten der Leute die im Liquid Feedback rumwerkeln und auf Parteitage gehen auch aktiv im Geschehen auf der Straße und zahlen sicher auch fleißig ihre Mitgliedsbeiträge, aber wir dürfen diejenigen nicht vergessen, die zwar letzteres tun aber ersteres nicht hinkriegen und das sind gar nicht so wenige.
Fazit: Auch wenn ich mich gerade vielleicht ein bisschen auskotze, versteht mich bitte nicht falsch. Entscheidungsfindung ist ein wichtiger Baustein im ganzen Prozess, aber sie ist nun einmal nicht das Ziel und es gehört mehr dazu als einfach nur immer wieder abzustimmen. Wir müssen unsere Zukunft auf eine breite Basis stellen und dürfen uns unser Tempo nicht diktieren lassen und uns auch nicht auf Nebenkriegsschauplätzen wie denen die wir gerade aufbauen gegenseitig zerfleischen. Liquid Feedback und der nächste Bundesparteitag werden jetzt kommen, weil der letzte Parteitag es so wollte, aber macht euch bitte alle klar, dass keines von beiden irgendeine Form von Quantensprung bringen wird, sondern nur ein einzelner kleiner Schritt im großen Ganzen ist, der vollkommen wertlos ist, wenn wir die wahren Ziele darüber aus den Augen verlieren. Und zu deren Erreichung ist jeder Pirat wichtig, egal ob er Liquid Feedback mag oder nicht.
23 Kommentare
2010-08-03 um 7:37 am
Andreas Neugebauer
Ach,wie sprichst Du mir aus der Seele. Der gute alte Spruch: „A fool with a tool is still a fool“ geht mir nicht mehr aus dem Sinn.
–Andreas
2010-08-03 um 7:42 am
Turtle
Das Problem ist ja weder neu, noch piratenspezifisch. Das ist normal in einer jungen Partei, die so schnell gewachsen ist wie unsere. Die Diskussionskultur in unserer Gesellschaft ist nunmal arg auf Konfrontation ausgelegt. Das kann man als hier sozialisierter Mensch nicht so einfach ablegen. Die Diskussion um Liquid Feedback ist imo nur ein Symptom.
Wir werden daran arbeiten muessen mehr miteinander und nicht nur gegeneinander zu arbeiten. Und das wir nicht immer mit dem Kopf durch die Wand koennen, es bringt meist nix und tut nur weh.
Eins wird sich aber weder mit LF noch mit was anderem ohne weiteres loesen lassen: Den Willen und die Bereitschaft die Moeglichkeiten der Beteiligung auch wahrzunehmen bei den eher inaktiven Piraten zu wecken. DAS ist ein ungeloestes Problem, aber nicht nur bei den Piraten.
2010-08-03 um 7:53 am
Jens
Ich kümmere mich derweil lieber über die Strukturierung inhaltlicher Arbeit. Eine Schiedsgerichtsklage auf grund- und parteiengesetzkonforme (i.e., demokratiekompatible) Ausgestaltung von LQFB wird es von mir möglicherweise auch geben – aber dann fundierter als bei Bodo Thiesen, und selbstverständlich ohne Eilantrag.
2010-08-03 um 7:59 am
Aleks A.
Grundsätzlich d’accord mit dir.
Aber halt: das höchste Entscheidungsgremium ist „nicht die Basis“?
In letzter Konsequenz ist also das höchste Entscheidungsgremium nicht befugt zu entscheiden?
Ist das wirklich dein Standpunkt?
Schönen Gruß
Aleks
2010-08-03 um 8:12 am
Andi
Ja, der Bundesparteitag ist das höchste Organ der Partei, aber er bleibt ein Organ und ist halt nunmal nicht die Basis. Der Bundestag ist ja auch nicht, dass Volk, auch wenn er eine Vollversammlung wäre.
2010-08-03 um 8:36 am
Aleks A.
So rum gedacht. Alles klar.
Es klang so, als ob du dem PT die Befungnis wegnehmen wolltest z entscheiden..
Danke
Aleks
2010-08-03 um 8:06 am
Jens
„Die Basis“ ist kein Gremium oder Organ und kann mangels Organisation nichts entscheiden.
„Das Volk“ ist ja auch kein Verfassungsorgan, obwohl alle Staatsgewalt von ihm ausgeht.
2010-08-03 um 8:12 am
Andi
Zwei Piraten ein Gedanke 😀
2010-08-03 um 9:13 am
MServos
Da kann man mal sehen, wie eine identische Debatte in allen Parteien abläuft. Das Phänomen hat übrigens rein gar nichts mit „junger Partei“ oder den Piraten zu tun. Es liegt am Tier „Mensch“ und lässt sich trotz aller tollen Ideen nicht verhindern.
„Wir werden daran arbeiten muessen mehr miteinander und nicht nur gegeneinander zu arbeiten.“ ist eine gute Idee, die natürlich nur bis zu einer gewissen Grenze funktionieren wird – so wie das auch in allen anderen Parteien funktioniert.
Es dauert nicht mehr lange, dann sind die Piraten arriviert – die Probleme haben sie schon, bald kommen die unvermeidlichen Strukturen und schon hat´s neue Grüne…
2010-08-03 um 10:38 am
Thorsten
Also ich denke LQFB wird ein entscheidender Punkt sein wo wir uns von den Grünen unterscheiden werden.
Ohne LQFB werden wir wohl lange oder immer als „Kleine Grüne“ oder ähnlich betrachtet werden.
Meine Hoffnung ist, dass LQFB es ermöglicht die Basis und vor allem Piraten wie mir die eher weniger aktiv sind mehr mit einzubeziehen.
Also wirklich das zu erreichen was die Piraten ausmachen soll.
Deswegen hat es für mich höchste Priorität LQF schnellst möglichst umzusetzen. Wenn das Geld nicht da ist geht das ganze eben etwas langsamer aber trotzdem mus das Prjekt stetig voran getrieben werden.
Am coolsten wäre natürlich ein LQFB update Blog wo die Basis sich über die neusten Infos rund um LQFB informieren kann aber, dass müsste natürlich auch wieder jemand machen und den gibt es wohl leider nicht 😦
Naja wie auch immer Go Liquid Feedback 😀 !!! Go!!!!
2010-08-03 um 11:41 am
Andi
Also ich hoffe mal wir werden uns politisch mehr als genug von den Grünen unterscheiden, so dass wir nicht unser Spielzeug hier vorschieben müssen 😀
2010-08-03 um 12:18 pm
tarzun
Ich hielt jetzt LiquidDemocracy für eines *der* Dinge, mit deren Erfolg die Piratenpartei stehen oder fallen wird… Insofern überrascht mich, das das hier der erste Versuch einer IMplementierung davon als „Spielzeug“ belächelt wird. Schade.
2010-08-03 um 2:29 pm
Andi
Ich finde Liquid Democracy toll, und ich finde auch Liquid Feedback toll. Aber Liquid Feedback ist nunmal ein Spielzeug, ein sehr tolles Spielzeug, aber es bleibt ein Spielzeug.
Man könnte auch „Tool“ sagen, aber in diesem Zusammenhang fand ich den Begriff „Spielzeug“ sehr treffend, um damit zu betonen, dass es eben NICHT unser Alleinstellungsmerkmal ist und eben auch nichts womit die Partei „steht oder fällt“.
Unsere Politik und die Einstellung unserer Leute ist was uns unterscheidet, nicht ob wir Liquid Feedback, Liquidizer, Piratensextanten oder Morse-Telegraphen benutzen.
2010-08-03 um 3:11 pm
tarzun
Dann wäre es toll, wenn man von euch „Sieben Geißlein da oben“ mal ein geschlossenes Statement hören würde: „Wir wollen LD voranbringen und LF ist der erste Schritt von noch vielen zu gehenden, an deren Ende LD steht, egal ob mit LF gebaut oder dann mit was völlig anderem“.
2010-08-03 um 3:31 pm
Andi
Naja, ich bin nur eines von sieben Geißlein und es ist halt meine Meinung. Wer mich kennt, weiß auch dass ich Dinge lieber langsam und gründlich mache, als schnell und hastig 😉
2010-08-03 um 3:45 pm
tarzun
Das von mir gewünschte Statement ist unabhängig von der Implementierungsgeschwindigkeit des Ganzen 🙂 Im Moment habe ich eher „Angst“, das die noisy minority es schafft etwas kleinzureden, was nicht kleingeredet werden sollte. Und mir wäre wohler wenn Ihr Euch hinstellen würdet „LF wird als erster Schritt zu LD kommen und wenns schiefgeht lernen wir draus und machens besser“. Solang man sich nur mit „Datenschutz-Nazi“ vs. „Gesinnungs-Stasi“ gegenseitig vollpflaumt wird nämlich nix passieren und die „5 großen“ Parteien können sich beruhigt zurücklehnen weil von uns keine Gefahr für sie ausgeht… Also anfangen mit dem Scheiß, nutzen und dabei sehen was man besser machen kann und muss. Wer Schiß hat, das ihm seine Meinung zu „Beitragsermäßigung für Linksträger“ in 5 Jahren auf die Nase fallen könnte, der hält das halbe Jahr mal die Klappe bis man sieht ob der Kram lohnt oder durch was besseres ersetzt werden muss.
2010-08-03 um 10:01 am
quintil
Meine volle Zustimmung. Ich denke, wir brauchen noch ein bisschen, bis wir wissen, was für eine Partei wir sind und was für eine Partei wir sein wollen. Da werden noch einige gehen, einige kommen und irgendwann können wir Liquid Feedback möglicherweise Liquid Feedback mit einem größeren Konsenz einsetzen als bisher. Dafür müssen einige Diskussionen aber geführt werden, einige Punkte vom Schiedsgericht entschieden werden. Die begründeten Vorbehalte dürfen in keiner Richtung einfach zur Seite geschoben werden. ich wünsche Dir und dem Bundesvorstand in Zukunft eine ruhige Hand und gute Nerven. Ihr könnt beides brauchen, denke ich.
Gruß,
Alexander 🙂
2010-08-03 um 10:24 am
Stefan
so true.
2010-08-03 um 11:58 am
Der aktuelle Rant (via Andis Blog) « Herrschaftszeiten
[…] Ich muss zugeben, ich bin etwas geschafft nach der letzten Sitzung. Nicht dass ich nicht schon mal lange am Telefon getagt hätte, nicht dass ich wenn mich Themen nur am Rande interessieren ich die Zeit vorm Rechner nicht auch sinnvoll nutzen kann, aber es gibt ein Thema dem ich absolut überdrüssig bin und es eigentlich nicht mehr hören kann und dieses Thema lautet Liquid Feedback. Ich weiß, als Bundesvorstand ist es eigentlich meine Aufgabe für e … Read More […]
2010-08-03 um 7:33 pm
Rudi
Als jemand der seinen Mitgliedsbeitrag brav überweist, es nur alle paar Monate zum Stammtisch schafft und ansonsten gelegentlich die eine oder andere Äußerung der innerparteilichen Kommunikation verfolgt und kommentiert:
Freue ich mich auf eine „Liquid Dingenskirchen“ Website wie meine Kinder auf den Weihnachtsmann. Weil ich dann _endlich_ auch mit schmalen und unregelmäßigen Zeitbudget _einfach_ _meinen_ Diskussionsbeitrag und meine _Stimme_ _innerparteilich_ einbringen (oder wegdeligieren) kann. Das dies genauso öffentlich ist wie ein Redebeitrag auf Stammtisch oder Parteitag ist für mich offensichtlich. Aber bitte nehmt _bald_ _etwas_ online, bei dem sich nur die Logins und Passwörter nicht ändern sollten.
2010-08-06 um 8:56 pm
Hirnfick 2.0 » Blogarchiv » Über flüssige Demokratie
[…] Vorstand ist’s verständlicherweise inzwischen Leid, das Thema Liquid Feedback abzukaspern, eines seiner Mitglieder hat gestern die Konsequenzen […]
2010-08-08 um 12:07 pm
xwolf
Danke für den Beitrag.
Da kann ich nur ein FULL ACK zu geben 🙂
Ein Teil des Problems, welches ganz, ganz stark gerade bei den Piraten vorliegt, dürfte auch darin liegen, daß sich fast jeder Pirat sich als Fachmann in IT sieht. Und somit über Details einer Software und über Datenschutz diskutieren, obwohl das absoluter Nonsense ist und eben doch notwendige Kompetenzen fehlen.
Jeder der ein bischen mit IT zu tun hat, weiss einfach, was passiert wenn Anforderungen an eine Entwicklung nach Beauftragung und Während des Entwicklungsprozesses nachgeschoben werden: Es wird a) teuer und b) ursprüngliche Konzepte werden durch ein Stückelwerk ersetzt.
Wir fordern doch überall mehr Fachkompetenz. Aber wenn es um die eigenen IT angeht, scheint diese Forderung vergessen.
Fast jedes komplexe IT-Projekt sorgt bei der Einführung zu Streit, Frust und meist auch in ihrer Ehre getroffene Personen. Wer IT-Fachkompetenz mitbringt, musste vorsehen, daß kurz vor, bzw. nach Einführung verschiedene Leute Panik schieben werden.
Das was du schreibst bzgl. Empathie ist daher genau richtig.
Man muß auf alle Seiten eingehen können, aber nicht vergessen, daß es immer Ängste geben wird, die man nicht durch Argumente beseitigen kann, sondern nur dadurch, daß die Leute sehen, wie es wirklich umgesetzt wurde.
Als Erinnerung sei auch die Sache mit dem Forum zu bemerken, wo es auch Entscheidungen zur IT ging. Auch dort wurde viel Porzellan zerschlagen. Und auch dort meinte jeder sich in der Lage zu befinden mitreden zu können; Aber die meisten waren eher besser in der Lage Dinge halb zu verstehen und dann Empörung wider der einen oder der anderen Seite zu empfinden.
Ich fürchte das Problem wird uns immer wieder begegnen.
2010-08-09 um 8:46 am
Isi
Zur Vermeidung von Frust (und gebeutelten vor Wut schnaufenden Abstimmungsverlierern) gibt es das großartige Prinzip des Konsens, im allgemeinen Sprachgebrauch nennt man es Kompromiss. Wir Basisdemokraten machen das gern, so werden größere soziale Verwerfungen vermieden, die zur Spaltungen und Grabenkämpfen führen können. Allerdings herrscht bei uns auch Einigkeit darüber, was Basisdemokratie ist, so dass es da nicht zwei gegenläufige Theorien gibt, die beide von den Verfechtern als solche bezeichnet werden und mit dem, was wie (und andere) darunter verstehen, nichts zu haben.
Für jedes der Probleme der Piraten gibt es eine Lösung, aber ihr werdet so und selbst nicht darauf kommen und es fehlt auch die Kompromissbereitschaft. Es fehlt Basiswissen Demokratie. (Allerdings gibt es auch keine übereinstimmende Basis, keine Gemeinsamkeiten zwischen den jeweiligen Fraktionen.) Das Gerangel bei den Piraten verläuft für mich als Außenstehende zwischen der sogenannten LF-Fraktion, die mit LF wichtige Grundlagen demokratischer Entscheidungfindung aushebeln wollen und den LF-Gegnern, die ohne LF wichtige Grundlagen demokratischer Entscheidungfindung aushebeln wollen. Die einzige Gemeinsamkeit dieser beiden Gegner ist, dass sie die jeweils verfolgte Praxis als Basisdemokratie bezeichnen, weil sie sich Mehrheiten (bei der Basis) halluzinieren, die es aber so nicht gibt. Mit der Basisdemokratie sowie wie sie kennen, hat das alles soviel zu tun wie Arschbacken mit Kuchen backen. Jede Fraktion meint eben nur, die Basis demokratisch zu vertreten, legt aber keinen Wert darauf, diese Annahme auch zu überprüfen. Die Mehrheit der Piraten will nämlich echte Basisdemokratie und vertraut darauf, dass wenigstens der Vorstand wüßte, wie das geht. Leider liegen die aber alle falsch: Mit dem Vertrauen in den Vorstand wie ihrem Nichtwissen über den Prozess basisdemokratischer Entscheidungsfindung.
Für eine Basisdemokratie reicht es eben nicht, als Vorstand (vermeintlich) von der Basis demokratisch legitimiert zu sein und sich berechtigt zu fühlen, diese Basis zu vertreten. Bei echter Basisdemokratie entscheidet die Basis selbst und nicht der gewählte Vorstand – (so er denn demokratisch legitimiert ist, was ihr nicht seid. Eine Bundesmitgliederversammlung mit gerade mal 7 % Anwesenden ist keine legitime Grundlage für eine Vertretungsbefugnis der Gesamtpartei.)