Der Paukenschlag über Osama bin Ladens Tod ist heute wohl niemandem entgegangen. Was dies nun für die Welt bedeutet, wird sich zeigen müssen. Am meisten geschockt war ich aber nicht über den Militärschlag oder die Nichtkombatanten unter den Opfern (eine Frau soll ja ins Kreuzfeuer geraten sein), sondern über die Reaktion der Öffentlichkeit in den USA. Dort sieht man jubelnde Massen, ein Bild zeigt eine junge Frau die auf den Schultern eines Mannes sitzend, eine historischen US-Flagge hält. Es wirkt eher wie die Loveparade zu ihren guten Zeiten. Andere Reaktionen aus den USA sieht man nicht.
Vielleicht bin ich da der einzige, aber ich empfinde es als widerlich den Tod eines Menschen zu bejubeln, völlig egal wieviel Blut an dessen Händen klebt. Es wäre vielleicht angebracht gewesen, in Stille den Opfern des Terrorismus und des Krieges gegen den Terrorismus zu gedenken. Es wäre an der Zeit gewesen, zu hoffen, dass der Tod des Hetzers uns näher an ein Ende der Gewalt als an deren Eskalation gebracht hat. Nach solchen widerlichen und massenhaften „in your face“-Aktionen, darf sich eigentlich kein Amerikaner mehr über Araber aufregen, die öffentlich brennende US-Flaggen bejubeln. Mein Bild der US-Bürger hat sich heute nachhaltig verschlechtert.
15 Kommentare
2011-05-02 um 2:12 pm
korbinian
ich wäre da vorsichtig bei der beurteilung. die jubelnden amerikaner in den bildern stehen genauso wenig für die gesamte us-bevölkerung oder das christentum wie die jubelnden muslime bei terroranschlägen für ihr land oder den gesamten islam stehen. aber grundsätzlich hast du schon recht – mich schockieren solche feierbilder auch
2011-05-02 um 2:26 pm
Andi
Ich wäre ja schon froh über ein paar Leute die da einen Kontrapunkt setzen. Hoffen wir, dass du recht behälst und die paar 10 000 Menschen tatsächlich eine schlechte Stichprobe sind.
2011-05-04 um 3:48 pm
JNj.
Die gibt es wirklich, wenn sie auch nicht in den „großen Medien“ zu Wort kommen, z.B. hier:
* http://www.firstthings.com/blogs/firstthoughts/2011/05/02/anthropos-enemy-and-bin-laden/http://www.ncregister.com/blog/the-shocking-truth-that-god-loves-osama-bin-laden-too/
* http://pjmiller.wordpress.com/2011/05/02/osama-bin-laden-dead-christians-debate-response/
* http://www.huffingtonpost.com/jim-wallis/how-should-we-respond-to-bin-laden-death_b_856548.html
* http://www.americamagazine.org/blog/entry.cfm?blog_id=2&entry_id=4174
Und auch die Stimmen, die dringend nach einer klaren Trennung von Kirche und Staat bzw. falsch verstandenem Patriotismus rufen, gibt es, z.B. Greg Boyd (http://www.gregboyd.org/books/myth-of-a-christian-nation-3/). Diese Stimmen sind jedoch – leider! – noch in der Minderheit.
Aber wir sollten wohl eher auch vor „unserer eigenen Tür kehren“. Frau Merkels „Ich freue mich …“ habe ich mehrfach hören müssen, ehe ich es glauben konnte. Natürlich muss Verbrechen geahndet werden. Aber nicht mittels außergerichtlicher Selbstjustiz sondern in einem rechtsstaatlichen Verfahren. Es scheinen auch all‘ jene, die dauernd die wachsende Brutalität unter Jugendlichen im Mund führen nicht darüber nachzudenken, was für einen Vorbildcharakter solch‘ eine Aktion der Amis hat. So kann man den Sinn von Ethikunterricht auch ad absurdum führen und wenn wieder einer Amok läuft waren’s halt die Computerspiele ….
2011-05-05 um 7:59 am
Andi
Danke für die Links. Die Reaktion des Vatikans hatte ich auch schon vorher gelesen. Das ist genau das, was ich mit souverän meine. Ich hoffe die USA arbeiten dieses Verhalten weiter auf. Ich würde mich sehr befremdlich fühlen, wenn sowas in Deutschland passiert.
2011-05-02 um 2:42 pm
robrandall
Osama bin Ladens Tod wurde sogar eben von Netanyahu als „Sieg der Gerechtigkeit und Freiheit“ gewertet. Angesichts der Tatsache, dass es sich um den Tod um einen einzelnen – zugegebenermaßen höchst verbrecherischen – Menschen handelt (und die Todesstrafe für mich keine zu rechtfertigende Strafe darstellt) , eine äußerst fragwürdige Einschätzung…
2011-05-02 um 2:43 pm
frlan
Sicher nur ein Ausschnitt des Spektrums an Reaktionen , aber kann Dir da zustimmen.
2011-05-02 um 3:13 pm
Guest
Warum soll man nicht feiern, wenn man den eigenen Erzfeind und quasi die „Ausgeburt des Bösen“ (ungefähr so ist ja die ziemlich einhellige Meinung auf dieser Welt) besiegt hat? Die Leute fangen ja nicht an Moscheen anzuzünden oder Anti-Islamische Parolen zu verkünden, sie sind einfach nur glücklich und vielleicht ein wenig zu patriotisch für unseren Geschmack. Wenn man aber mal in Amerika gelebt und die dortige Kultur kennengelernt hat merkt man, dass es ziemlich normal ist.
2011-05-02 um 3:38 pm
Andi
Ich halte es für alles andere als normal, den Tod eines Menschen mit Jubelparaden zu feiern.
2011-05-02 um 4:24 pm
Blinkfeuer
Nicht zu vergessen, wer hat sich den einst „herangezüchtet“ , als Kommunistenjäger?
Richtig!!
Der „Große (damals noch) weiße Häuptling“ in Washington. Und die anderen NATO Schurkenstaaten. Die sind aber auch undankbar….
2011-05-02 um 4:30 pm
Elton
In einem Interview gab eine US-Amerikanerin wieder, dass sie es toll findet, das dieser Bastard endlich weg ist. Ab jetzt geht es mit der Wirtschaft wieder aufwärts, man muss keine Angst mehr vor Terroranschlägen haben und es werden keine Unschuldigen mehr sterben. Die Dame denkt anscheinend allen ernstes, dass der Osama für jeden einzelnen Terroranschlag persönlich verantwortlich ist und nur weil er weg ist, gibt es keine Terroristen mehr.
Das zeigt nur wieder, wie wenig die Amerikaner von Politik verstehen… bzw. wie wenig die von den Machthabenden über die echte Welt aufgeklärt werden.
Fähnchen schwenken und jubeln können die noch am Besten. Brot und Spiele eben.
2011-05-02 um 4:33 pm
d4t4
word
2011-05-02 um 7:13 pm
Boris Turovskiy
Den Tod von Hitler hätte man natürlich auch nicht mit Erleichterung und Freude zur Kenntnis nehmen dürfen.
Ich mag vielleicht wieder meine klassische Anti-anti-Pose einnehmen, aber mich kotzen solche „tiefgründigen“ Überlegungen viel mehr an als Menschen, die sich freuen, dass ein Verbrecher endlich zur Strecke gebracht wurde.
2011-05-03 um 6:11 am
Andi
Erleichterung? Ganz bestimmt. Ich bin auch erleichtert, dass Bin Laden über den Jordan ist, versteh mich nicht falsch. Aber ich brech nicht in Jubelfeiern aus, da liegen noch ein paar Meter dazwischen.
2011-05-03 um 5:33 am
Elton
@Boris:
Der Hitler Hinweis musste ja kommen… wie üblich.
Grundsätzlich halte ich es auch für die bessere Lösung, Bin Laden auszuschalten, statt irgendwo einen Schauprozess durchzuführen. Auf diese Weise entledigt man sich der Symbolfigur und insgesamt wird das weniger Ärger nach sich ziehen.
Allerdings frage ich mich, warum unsere Damen und Herren Politiker sich ebenfalls so freuen. Als 1997 der RAF-Terrorist Grams sich nach einem Feuergefecht mit der GSG9 selbst getötet hat, war das noch anders. Damals mussten der Bundesinnenminister und der BKA-Leiter zurücktreten, der Generalbundesanwalt wurde gefeuert. Schon damals gingen alle davon aus, dass der Typ umgelegt wurde. Aber der GSG9 Schütze hat damals keinen Orden bekommen, sondern ein Disziplinarverfahren. Wie kann eine Frau Merkel dann im Fall Bin Laden so sehr jubeln?
2011-05-03 um 9:26 am
Zum Tod Osama bin Ladens Teil 2
[…] Andis Piratenblog berichtet über die erschreckenden Reaktionen in Amerika. Adalberts Meckerecke beschäftigt sich ausführlich mit der Darstellung des Falls in den Medien. Letters von Rungholt findet es mal wieder ungerecht, dass Amerika zugejubelt wird und versteht nicht, warum es bei Israel nicht der Fall ist, wenn sie gezielt Terroristen ausschalten. (Anbei bemerkt, hier eine Nation, die es damals wirklich schaffte beim Eichmannprozess die Rechtsstaatlichkeit zu bewahren und bedauernswerter weise von diesem Weg irgendwann abkam.) Dein Weckruf berichtet über die Darstellung in verschiedenen Medien samt Videos. Tasten & Tinte geht näher auf die Seebestattung ein. Free Palestine fragt, ob Obama sein wichtigstes Ziel erreicht hat. Die Seite ist übrigens sehr mit Vorsicht zu genießen, da sie schwere Propaganda fährt! Tangsir 2570 würde am liebsten selbst mit eingreifen und versteht nicht, wie man über den Jubel geschockt sein kann. Aspartan.at bringt nur eine kurze Meldung. Iranopoly bezieht sich auf einen iranischen Politiker, der den Tod Osama bin Ladens anzweifelt, dagegen berichtet der Überwachungsbürger davon, dass Osama in Wirklichkeit schon seit Jahren tot sei. Na, wie wars in der Schule bricht dafür die ganz große Weltpolitik in eine ganz kleine Welt des Klassenzimmers… Veröffentlicht in Politik | Schlagworte: Kommentar, Politik, politikwissenschaft, Populismus […]