Dass die Piratenpartei das Urheberrecht reformieren will, dürfte in der Zwischenzeit jedem klar sein. Zentrale Forderung dabei ist die Legalisierung der nicht-kommerziellen Vervielfältigung, d.h. insbesondere die Legalisierung von Filesharing. Die häufigste Forderung, die wir an dieser Stelle immer zu hören bekommen ist: „Wenn ihr den Urhebern ihre Verdienstmöglichkeiten wegnehmt, dann müsst ihr neue schaffen.“

Dieser Forderung habe ich mehrfach widersprochen. Die Politik hat nicht die Aufgabe, per Gesetz die Vermarktung von Inhalten zu gestalten. Die Politik steckt lediglich den Rahmen dafür ab und dazu gehört eine Anpassung des Gesetz an die Realität des digitalen Zeitalters. Wie die Vermarktung tatsächlich aussehen soll, darüber müssen sich Urheber und Verwerter Gedanken machen. Das klappt tatsächlich besser, als das Wehklagen so mancher Content-Lobbyisten vermuten lässt.

Dennoch gibt es politische Kräfte, die lieber populistisch vermeintlich einfache Lösungen anbieten, anstatt sich diesen Sachverhalt einzugestehen. Allen voran sind hier die Grünen zu nennen, die mit der Content-GEZ (vulgo: Kulturflatrate) das System der sog. Pauschalabgaben erweitern wollen. Hier sollen von den Nutzern Zwangsabgaben eingetrieben werden, die dann unter den Urhebern verteilt werden sollen. Alle Versuche einer gerechten Verteilung von GEMA bis Kulturwertmark, erwiesen sich als ungerecht oder missbrauchsanfällig. Das Ziel sollte also viel mehr sein, die Branche vom Tropf der Pauschalabgaben weg zu kriegen, statt sie noch abhängiger davon zu machen.

Hier sollte man viel mehr mit innovativen Ideen für gute Vermarktung arbeiten, als mit löchrigen Gießkannensystemen. Kann die Politik solche Ideen liefern? Ich glaube nicht, aber das muss sie auch nicht. Urheber und Verwerter kommen viel mehr selbst auf solche Ideen. Eine solche Idee, die ein Baustein[1] für einen modernen Content-Markt sein kann, ist Crowdfunding. Crowdfunding hat mindestens genauso viele Optimisten wie Pessimisten auf den Plan gerufen und ich möchte mich hier nochmal outen: Ich finde die Idee des Crowdfundings genial. Nicht nur schafft es das Crowdfunding weg von der Idee des Verkaufs von (nicht knappen) Kopien, es ermöglicht dem Kunden eine völlig neue Partizipationsmöglichkeit. Und das wiederum nützt auch dem Urheber. Z.B. hat ein Film, der bereits erfolgreich durch die Crowd finanziert wurde, wohl deutlich geringeres Flop-Potential als einer, der nur einem Studioboss recht gemacht wurde.

Dennoch steckt das Crowdfunding (gerade in Deutschland) noch in den Kinderschuhen. Und hier kommt die Politik ins Spiel. Sie kann vielleicht keine innovativen Geschäftsmodelle per Gesetz erlassen, aber sie kann innovative Geschäftsmodelle die bereits existieren fördern. Crowdfunding erachte ich als förderungswürdig und möchte es aus dem Säuglings- ins Teenageralter heben. Das was jetzt folgt ist eine rohe und absolut unausgereifte Idee. Ihr könnt Sie kritisieren und verreißen, aber noch mehr würde mich freuen, wenn ihr sie weiterspinnt und entwickelt.

Die Nutzer

Um also Crowdfunding voranzubringen, muss man zwei Gruppen ansprechen: Die Nutzer, welche Crowdfunding-Projekte unterstützen sollen und die Urheber, welche Crowdfunding-Projekte starten sollen. Eine Möglichkeit ist natürlich der klassische Weg über den Geldbeutel, also per Subvention.

Die Nutzer könnte man mit einer Steuererleichterung gewinnen. Schon jetzt kann ich an gemeinnützige Vereine, welche die Kultur fördern, steuerbegünstigt spenden. Warum sollte es nicht steuerbegünstigt sein, wenn ich ein entsprechendes Kulturprojekt direkt fördere? Wir könnten also Crowdfunding von Kulturprojekten in die Liste steuerbegünstigter Zwecke aufnehmen. Hier müsste man eigentlich nur die Abgabenordnung anpassen.

Die Urheber

Die Förderung der Urheber gestaltet sich im wesentlichen im Sinne einer  direkten Subvention. Doch wie kriegt man die Subvention so hin, dass sie die Urheber dazu anreizt möglichst erfolgreiche Crowdfunding-Projekte aufzustellen? Ich schlage hier ein Modell ähnlich der staatlichen Parteienfinanzierung vor. Das würde wie im folgenden beschrieben aussehen (Die Zahlen sind nur eine erste Abschätzung).

Zuerst wird ein bundesweiter Fördertopf gebildet, aus dem die Subvention bezahlt wird. Ich würde mal 150 Mio.€ als Zahl anpeilen. Das würde reichen um den gesamten Musikdownloadmarkt von 2010 (166 Mio.€[2] ) fast zu verdoppeln (was natürlich nicht der Sinn ist, aber so kriegt man eine grobe Idee der Größenordnung).

Wie finanziert man diese Summe? Die Hälfte davon – also 75 Mio.€ – würde ich aus dem Bundeshaushalt finanzieren. Bei dieser Zahl handelt es sich um 0,02% des gesamten Haushaltsvolumens 2011[3], ich glaube dass diese Summe mit genügend politischem Willen locker gemacht werden kann. Die andere Hälfte – und da werde ich sicher Kritik für ernten – würde ich über eine entsprechende Abgabe aus dem Aufkommen an Pauschalabgaben an die ZPÜ finanzieren. Leider fehlen verlässliche Zahlen über das tatsächlich Pauschalabgabenaufkommen. Ich konnte nur in Erfahrung bringen, dass die GEMA und VG Wort 2010 insgesamt 110,2 Mio.€[4][5] ausgeschüttet haben, aber wenn man den Zahlen von Bitkom[6] glaubt, müsste allein das Aufkommen für Smartphones weit über 180 Mio.€ liegen, zumindest wenn man den aktuell debattierten Tarif nimmt. Dahingehend halte ich die Zahl für das erste für vertretbar, wenn wir genauere Zahlen haben müssten wir ggf. nachbessern. Der besondere Reiz liegt natürlich darin, dass Staat und die Verwertungsgesellschaften der Urheber gemeinsam neue Geschäftsmodelle für Urheber fördern.

Nun da der Topf steht, bleibt noch die Frage der Auszahlung der Förderung. Zuerst werden Kriterien an die Förderungswürdigkeit der Projekte gestellt. Die sollten unter anderen festlegen, wie viel Anteil von der Summe an die Crowdfunding-Plattform selbst gehen darf und natürlich muss man auch festlegen, was als förderungswürdiges Kunstprojekt gilt und was nicht. Damit muss der Staat zwar mal wieder Kunst definieren, was grundsätzlich kritisch ist, aber da es sich hier um eine Subvention eines Geschäftsmodells und keine flächendeckende staatliche Kunstfinanzierung handelt, kann man das an dieser Stelle verkraften.

Die Förderung wird nun als eine Aufstockung auf den erwirtschafteten Crowdfunding-Betrag bezahlt, d.h. für jeden Euro, den der Urheber sammelt, bekommt er am Jahresende einen Bonus von sagen wir 0,40€ für die ersten 50.000€, 0,20€ für die nächsten 50.000€ und 0,10€ für die nächsten 50.000€, so dass unterm Strich für jeden Urheber ein maximaler Förderbetrag von 35.000€ pro Jahr zusammenkommt (relative Obergrenze). Dies entspricht fast einem durchschnittlichen Arbeitnehmer-Brutto-Jahresgehalt (2011: 40.416€ – ohne Sonderzahlungen[7])

Sollte der gesamte Anspruch, der durch alle Urheber erwirtschaftet wird, die Größe des Topfes von 150 Mio.€ (absolute Obergrenze) übersteigen – was ein Crowdfundingaufkommen von mindestens 375 Mio.€ bedeuten würde – so wird die Subventionssumme für alle Subventionsberechtigten proportional gekürzt.

Zeitbeschränkung des Subventionsmodells

Ziel der Subvention durch den Crowdbonus ist Crowdfunding von selbst marktfähig zu machen. Das heißt aber eben auch, dass die Subvention nicht auf Dauer das System finanzieren darf. Dazu muss das Subventionsinstrument zeitlich begrenzt sein. Zu diesem Zweck schlage ich eine Begrenzung auf 10 Jahre vor, in denen die absolute Obergrenze linear – d.h. um 15 Mio.€ pro Jahr – schrumpft. Auf diese Weise müssen die Urheber in kleinen Schritten beginnen das Crowdfundingaufkommen zu erhöhen und sind – wenn das Subventionsziel erreicht ist – am Ende der Subventionsphase von selbst marktfähig.

Offene Fragen und Ausblick

Das Konzept ist so wie es da steht nur sehr grob ausformuliert und hat natürlich noch eine Vielzahl offener Fragen. Unter anderem muss man noch im Detail klären, wie die Förderung bei mehreren Urhebern aussieht, wie man gesetzlich die Pauschalabgaben in den Topf umleiten will und ob es im Zuge dieses Modells möglich ist die Pauschalgaben dauerhaft zu reduzieren. Auch die Kriterien für eine Förderungswürdigkeit würden sicher noch eine Menge Diskussion auslösen.

Nichtsdestotrotz halte ich den Crowdbonus für eine gute Möglichkeit den Kulturmarkt fit für das digitale Zeitalter zu machen. Wenn ihr ebenfalls der Meinung seit, dann liegt es nun an euch die Idee in den politischen Diskurs einzubringen und am besten gleich weiterzuentwickeln.


[1] erwartet keine einfache Gesamtlösung, die gibt es nicht

[2] vgl. Jahresbericht des BMI 2010: »Musikindustrie in Zahlen 2010«

[3] vgl. Haushaltsplan des Bundes 2011

[4] vgl. GEMA Geschäftsbericht 2010

[5] vgl. Geschäftsbericht der VG Wort 2010

[6] vgl. Pressemitteilung der Bitkom

[7] vgl. Institut der deutschen Wirtschaft: Deutschland in Zahlen 2012, Köln, 2012, S.63

Acknowledgement: Die Grundidee zu diesem Subventions-Modell kam 2009 bei vielen sonst langweiligen Zugfahrten zu Bezirksverbandsgründungen im Gespräch mit Alexander Bock auf.