Sprache ist eine lustige Sache. Sie kann manchmal sehr logisch und strukturiert aufgebaut sein, aber ist eigentlich doch durch extremes subjektives Empfinden gesteuert. Einfach neutrale Begriffe können »verbrannt« werden, wenn sie von den falschen Leuten benutzt werden und die Grenzen zwischen ähnlichen aber unterschiedlichen Begriffen wie z.B. »Besitz« und »Eigentum« werden durch falschen Gebrauch verwässert. So erlebe ich immer wieder einen faszinierenden Effekt, wenn ich nach dem Gegenteil von Transparenz frage. In den meisten Diskussionen lautet die Antwort logischerweise »Intransparenz« – ein Hoch den Präfixen. In politischen Debatten hört man aber sehr häufig andere Antworten: Klüngelei, Seilschaften und Lobbyismus.

Ein Hauptkritikpunkt an der Politik ist immer, sie sei zuweit entfernt vom Volk. Statt die öffentliche Debatte zu verfolgen, ließe sie sich die Gesetzestexte von Lobbyisten diktieren. Einige Menschen sind der Meinung, das müsse sich ändern. Nicht zuletzt das ist ein Anspruch, den auch die Piratenpartei an sich stellt. Die Netzsperren sind das erste richtig gute Beispiel, wie es funktionieren kann. Die öffentliche Debatte wurde trotz eines solch emotionalen Themas wie »Kinderpornographie« (ein weiteres schönes Beispiel für Sprachverwirrung) sehr sachlich geführt. Verteilte Aktionen, spontane Vernetzung und Kreativität waren es schließlich die das Zensurgesetz zu Fall gebracht haben. Die E-Petition, die Virals, Blogs und Twitter und die Piratenpartei haben alle ihren Teil dazu beigetragen. Es scheint, die Lobby-Epedemie ist heilbar.

Doch wie das bei den meisten Infektionen ist, setzen sie sich dem Heilmittel zur Wehr. Der Lobby-Virus ist mutiert. Bei der Mutation sind die versprengten Überreste der Infektion verschmolzen. Dank Christian Engström ist es kein Geheimnis mehr, dass die größten Freunde der »Kinderpornographie« bei den Content-Lobbys sitzen. Der Verlust des Kampfes um die Netzsperren und der »Aufstieg« der Netzpolitik dürfte an denen nicht spurlos vorrüber gegangen sein. Alteingesessene Content-Lobby-Verbände wie etwa BVMI und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels haben sich zu einer neuen Mega-Lobby zusammengeschlossen: Der Deutschen Content Allianz. Ob das viel bringt, wissen wir nicht. Es klingt bemitleidenswert, wie die Lobbyisten-Schar jetzt gemeinsam die selben verstaubten, anachronistischen Parolen von sich gibt, in der Hoffnung, dass die so noch irgendwer hören will. Dennoch wird sich zeigen müssen, ob das Konzept aufgeht.

Doch nicht nur der Virus mutiert, auch Teile des Heilmittels machen eine fragwürdige Veränderung durch. Der Digitale Gesellschaft e.V. befindet sich in Gründung und will nun seinerseits eine Lobby für die viel beschworene Netzgemeinde bilden. Dabei gehen die Gründer in die Vollen und wollen ihre eigenen Dieter Gornys anstellen, die sie dann auf die Politik loslassen. Dafür mangelt es nicht an Kritik. Die Frage bleibt im Raum stehen: Soll man wirklich Feuer mit Feuer bekämpfen? Oder verbrennt man sich danach nicht vielleicht doch die Finger nur noch mehr?

Am besten hat es Christian Scholz beschrieben. Wir müssen uns hier die Frage stellen, ob wir die Politik, der von Dieter Gorny eingeflüstert wird, durch eine ersetzen wollen, die von der einen Seite von Dieter Gorny und von der anderen von Markus Beckedahl angeschriehen wird. Wollen wir wirklich hoffen, dass Markus lauter schreit (geschweige denn das richtige) oder geben wir den Kampf, die Politik an sich verbessern zu wollen, vielleicht doch noch nicht ganz auf?