Diese Woche hat das Bundesjustizministerium seinen Gesetzentwurf zur Relegalisierung der Knabenbeschneidung vorgelegt. Morgen soll eine Expertenanhörung stattfinden. Auf der einen Seite ist der Gesetzentwurf handwerklich sehr gut gemacht, vor allem weil er die religiösen Motive außen vor lässt, die im Zweifel kein Gericht dieses Landes prüfen sollte. Zum anderen aber ist er inhaltlich vollkommen inakzeptabel. Der Gesetzgeber will sich mit diesem Entwurf vor seinen Pflichten das Kindeswohl zu schützen drücken und gibt Eltern lieber einen Persilschein für die Verstümmelung ihrer Söhne.

Nach dem neuen Gesetzentwurf dürfen Eltern für ihre (männlichen!) Kinder  in eine Beschneidung einwilligen. Das wirkt auf den ersten Blick nicht verwunderlich, Eltern willigen tagtäglich für ihre Kinder in medizinische Eingriffe ein. Doch sind sie dabei nicht frei, sondern an das Kindeswohl gebunden. Dies bedeutet auch, dass die aktuelle wissenschaftliche Erkenntnislage dabei zu berücksichtigen ist. Eltern können ja auch nicht in einen Aderlass zur Behandlung ihrer Kinder einwilligen.

Bei der Beschneidung halten sich dagegen immer noch ein längst widerlegte medizinische Mythen, etwa dass die Vorhaut ein nutzloses Stück Haut ist, dass keine Funktion erfüllt oder dass Beschneidung einer Infektion mit dem HI-Virus vorbeugt. Tatsächlich wird in einigen Debatten noch heute die Beschneidung – sprich die grundlose, unumkehrbare Entfernung eines voll funktionsfähigen, extrem empfindlichen Körperteils, das großen Einfluss auf die Funktion der männlichen Genitalien hat – mit dem Ohrlochstechen – sprich das meist problemlos ausheilende Durchstechen eines ziemlich schmerzunempfindlichen Körperteils ohne wichtige Funktion – verglichen. Solche Praktiken kann der Gesetzgeber nicht einfach nach Gutdünken legalisieren. Der Vergleich der Beschneidung mit dem Aderlass ist dabei gar nicht soweit hergeholt. Früher war man bei beiden Maßnahmen der Meinung, dass sie alles heilen können, von der Grippe bis zur Altersdemenz. Wenn der Gesetzgeber sich der Bewertung dieser wissenschaftlichen Fakten verschließt und sie den Eltern überlässt, dann kann er auch den Aderlass wieder erlauben.

Das andere Problem mit dem Gesetzentwurf habe ich bereits vorhergesagt. Der Gesetzgeber erlaubt Eltern explizit nur ihre männlichen Kinder zu beschneiden und klammert die weibliche Beschneidung einfach aus. Es ist zwar gut, dass der Gesetzgeber zumindest die Genitalverstümmelung von weiblichen Kindern nicht als Kollateralschaden dafür in Kauf nimmt die Genitalverstümmelung männlicher Kinder zu erlauben, aber es gibt noch immer keinen rechtfertigenden Grund für diese Form der Diskriminierung. Wieso müssen sich männliche Kinder dieser Willkür ihrer Eltern aussetzen, während weibliche Kinder davor geschützt werden. Wie das mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden kann, ist mir immer noch schleierhaft.

Alles in Allem ist der Gesetzentwurf des Justizministerium vollumfänglich abzulehnen. Ich hoffe die Expertenanhörung morgen macht das klar. Das wird zwar die Regierungskoalition nicht aufhalten, aber dann können sie sich wenigstens nicht damit rausreden, sie hätten von nichts gewusst.