In der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag verfasste ich gemeinsam mit einigen anderen Piraten eine Pressemitteilung zum Fall Megaupload, die auf breite Kritik traf. Nachdem sich der Rauch verzogen hat, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meine Position hier genauer zu erläutern.

Der häufigst genannte Kritikpunkt war, dass es mit Kimble – dem Gründer von Megaupload – den richtigen getroffen hat. Kimble ist sicher ein Ganove und Megaupload geht bestimmt soweit am Rande des legalen, dass es schon mal hier und da drüber fällt. Doch geht es wirklich darum, diesem Mann einfach nur eines auszuwischen?

Weiter wurde kritisiert, dass ich den Vergleich zwischen Megaupload und The Pirate Bay zog. Hier gibt es aber eine ganz klare Parallele. Die Pirate-Bay-Razzia von 2006 wurde auf Druck des US-Handelsministeriums durchgeführt. Auch damals wurden Server beschlagnahmt und Personen festgenommen. Im aktuellen Fall war es das US-Justizministerium und hier wurden sogar europäische Staatsbürger in Neuseeland festgenommen. Die Copyright-Weltpolizei USA hat erneut zugeschlagen.

Nach allen zum Zeitpunkt der PM-Erstellung (und auch aktuellen) von mir aufgefundenen öffentlich zugänglichen Informationen, läuft weder ein Verfahren in Neuseeland gegen die vier festgenommen, noch gibt es einen Haftbefehl eines europäischen Gerichts. Vielleicht ist sowas ja üblich, vielleicht gehen die internationalen Auslieferungsabkommen viel weiter als ich mir das bisher vorgestellt habe. Aber ich finde es dennoch erschreckend und möchte aufs schärfste dagegen protestieren, dass europäische Staatsbürger in Drittstaaten der US-Gerichtsbarkeit unterstellt werden.

Die USA geben hier schon einen Vorgeschmack, auf das was mit SOPA und PIPA kommen soll. Die Vorstellung der USA, ihr Copyright nach ihrem Gusto weltweit möglichst hürdenlos zu vollstrecken ist einer der Hauptkritikpunkte an den Gesetzentwürfen. Der andere ist die Haftung der Infrastrukturanbieter für den Inhalt der über ihre Infrastruktur läuft. Dies bringt uns zum zweiten Punkt.

Megaupload ist ein solcher Infrastrukturanbieter. Sharehoster – wie Megaupload einer ist – verteilen nur die Daten, welche ihre User hochladen. Nach dem bisherigen Grundsatz, dass der Bote niemals für den Inhalt der Botschaft verantwortlich ist (darauf basiert auch die Netzneutralität) kann ein Sharehoster erst mal nicht für das Verhalten seiner User verantwortlich gemacht werden.

Selbst der Digital Millenium Copyright Act (kurz: DMCA) – gegen den ich hier im Allgemeinen nochmal pro forma protestieren möchte – sieht hier vor, dass Dienste wie Megaupload erst dann aktiv werden müssen, wenn sie über eine Copyright-Verletzung informiert wurden. Der einzige in meinen Augen belastbare Vorwurf gegen Megaupload (den Dienst als solches) ist, dass sie solchen Löschaufforderungen (Takedown-Notices) auf einer sehr fragwürdigen Weise nachgekommen sind (Löschung der Links, statt der Dateien).

Doch ist das ein Grund den kompletten Dienst von heute auf morgen ohne Vorwarnung vom Netz zu nehmen? Und damit den »Kollateralschaden« zu akzeptieren? Neben den ganzen Raubmordkopierern gab es noch mehr als genug Leute, welche den Dienst für völlig legitime Zwecke (z.B. Datensicherung) benutzt haben. Die stehen jetzt blöd da.

Alle anderen mir bekannten Vorwürfe gehen gegen nicht näher benannte Einzelpersonen. Die kann man von mir aus alle einsacken, halt nur nicht so, wie es hier passiert ist.

Ich glaube die Megaupload-Razzia ist nur ein Baustein im großen Krieg der Contentmafia gegen das Internet. Sie ist nur schlauer geworden. Nachdem sie mit The Pirate Bay einen Sympathieträger aufs Korn genommen hat, hat sie sich dieses mal bewusst einen geschnappt, den keiner leiden kann. Das Ziel war, dass wir alle wegschauen, denn es ist ja nur Kim Schmitz. Und leider scheint diese Taktik aufzugehen.

Was wäre wenn Youtube einer DMCA-Notice nur unzureichend nachgehen würde und der Dienst dann per Gerichtsorder von einen Moment auf den andern großflächig ausgehebelt würde? Das Szenario wäre undenkbar. Youtube hat eine reine Weste und Megaupload ist das Schmuddelkind. Hinter Youtube steht der »Not-Evil-Konzern« Google, hinter Megaupload der Gauner Kim Schmitz. Bei Megaupload darf man also gerne mal ein Auge zudrücken, oder?

Nein, wir dürfen nicht wegschauen, wir müssen protestieren. Klar, jeder kann protestieren, wenn es Sympathieträger erwischt. Was uns aber wirklich ausmacht, ist wie wir mit den Schattenseiten unserer digitalen Welt umgehen. Wir haben auch nicht weggeschaut, als sie die Zensurinfrastruktur einführen wollten, indem sie den Kampf gegen Kinderschänder vorgeschoben haben. Deswegen sage ich auch heute: Kim Schmitz kann von mir aus bleiben wo der Pfeffer wächst, aber ich protestiere gegen das Copyright-Weltpolizei-Gehabe der USA und die unverhältnismäßige Totalabschaltung eines Infrastrukturdienstes.

Denn wenn wir heute nicht protestieren, dann wird es morgen andere Dienste treffen, bis nur noch die von Apple und Google übrig sind. Dann werden immer mehr Länder umfallen und die Zensur für das Copyright einführen. Und irgendwann wird es nicht mehr der Ganove mit seinem protzigen Fuhrpark sein, der in Neuseeland festgenommen und an die USA überstellt wird, sondern der Otto-Normal-Filesharer, an dem man ein Exempel statuieren will.